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"The Bay": Tote Fische, tote Vögel, tote Menschen US-Regierung vertuscht Massensterben

Hilflosigkeit bei den Ärzten: Was die Menschen in Claridge in der Chesapeake Bay dahinrafft, ist noch völlig unbekannt.

Hilflosigkeit bei den Ärzten: Was die Menschen in Claridge in der Chesapeake Bay dahinrafft, ist noch völlig unbekannt.

(Foto: Koch Media)

Am 4. Juli 2009 feiern in der malerischen US-Hafenstadt Claridge Tausende den Independence Day. Die Laune der Bürger und Touristen ist so blendend wie das Wetter. Doch einen Tag darauf ist der Ort von der Landkarte verschwunden - als hätte es ihn nie gegeben. Die breite Öffentlichkeit ist völlig ahnungslos. Nun tauchen erste Videos auf, die ein schreckliches Geheimnis offenbaren.

Willkommen in der Chesapeake Bay!

Willkommen in der Chesapeake Bay!

(Foto: Koch Media)

Es ist wie an jedem 4. Juli in Claridge: Das Küstenstädtchen in der Chesapeake Bay putzt sich heraus für die Bürger und die zahllosen Touristen, die den Strand, das Meer und den Independence Day genießen und feiern wollen. Sie gehen schwimmen, trinken Bier, Limo und Cocktails. Sie vergnügen sich, haben Spaß. Keiner von ihnen ahnt, dass sie fast alle in nicht einmal 24 Stunden tot sind. Von etwas dahingerafft, dass sie nicht kannten. Dabei gab es deutliche Anzeichen für die Katastrophe von Claridge am 4. Juli vor vier Jahren.

Einige Wochen vor dem Feiertag entdeckt ein Hubschrauber ein Meer toter Fische in der Chesapeake Bay vor Claridge. Ihre Anzahl ist enorm, schwer schätzbar. Es müssen Millionen sein. Aber weder der Bürgermeister noch die Einwohner der Stadt oder die alarmierten Ämter und Behörden nehmen das Fischsterben für voll: "Das kann schon mal passieren. Es ist ja auch ziemlich warm. Und der Klimawandel …"

Als es plötzlich tote Vögel vom Himmel regnet und die asphaltierten Straßen des Städtchens sich mit den gefiederten Leichnamen pflastern, reagieren nur die Medien. Sie berichten über das "merkwürdige Schauspiel". Hinterfragt wird es aber nicht. Kurze Zeit später jagen die Fernsehstationen und Zeitungsreporter bereits der nächsten gewinnbringenden Schlagzeile nach. Wenn sie damals geahnt hätten, was am 4. Juli 2009 passiert - die Übertragungswagen der TV-Sender hätten sich zu Dutzenden in der Stadt gedrängt, hätten sich in Reih und Glied formiert wie sonst nur am Murmeltiertag, wenn Punxsatawney Phil aus seinem Loch kriecht, oder nach blutigen Highschool-Amokläufen. Aber die Medien vergaßen damals einfach ihre journalistische Sorgfaltspflicht. Sie dachten nicht daran, eins und eins zusammenzuzählen.

Keiner tat das. Auch nicht, als plötzlich die Leichen zweier toter Taucher gefunden worden. Haie hatten sie angeblich getötet. Haie, die sonst die Bucht meiden wie der Teufel das Weihwasser. Die toten Taucher waren Meeresforscher. Und ihr Tod war war der letzte und beste Hinweis auf die nun bevorstehende Katastrophe.

Darauf einen Chicken Burger!

Am 4. Juli 2009 geht alles ganz schnell: Die Riesenparty in der Stadt schlägt um. Erst herrscht Angst, dann regiert die Panik. Menschen bekommen plötzlich übel aussehende Pusteln auf ihrer Haut, auf Armen, Beinen, Brüsten, Bäuchen, Rücken, an Hälsen, in Gesichtern. Sie tauchen auf und kurze Zeit später sind die Betroffenen tot.

Zu Hunderten drängen sie ins städtische Krankenhaus. S ie wollen Hilfe gegen das, was sie nicht kennen, aber was sie qualvoll sterben lässt. Doch die Ärzte sind überfordert und machtlos: Arme werden amputiert, Beine auch. Es hilft nicht, kurze Zeit später haben sich die Pusteln und Hautausschläge längst auf andere Körperteile ausgebreitet. Unaufhaltsam, wie ein Krebsgeschwür.

Ein Arzt alarmiert das Seuchenzentrum, die Gesundheitsbehörde wird eingeschaltet, aber helfen können auch sie nicht. Die Obrigkeit wird aufmerksam - und handelt auf ihre Weise: Das FBI lässt das Handynetz rund um Claridge abschalten. In der Nacht rollt die Nationalgarde mit schwerem Gerät an, um die Stadt - oder besser das, was noch übrig ist - unter Quarantäne zu stellen. Facebook-Einträge, Twitter-Nachrichten, Internetkommentare - alles wird gesperrt oder gleich gelöscht. Am 5. Juli 2009 ist es, als hätte Claridge nie existiert. Als hätte es nie tote Fische, tote Vögel oder tote Menschen gegeben. Keiner soll von der Katastrophe berichten. Nichts soll an die Öffentlichkeit dringen.

Stephanie war dabei und hat überlebt. Kristen Conolly spielt sie.

Stephanie war dabei und hat überlebt. Kristen Conolly spielt sie.

(Foto: Koch Media)

Aber einige Menschen haben überlebt. Keiner weiß, wie oder warum. Wenige von ihnen wollen sich zu den Geschehnissen des 4. Juli 2009 äußern. Eine von ihnen ist die junge Nachwuchsreporterin und Einheimische Stephanie. Sie war vor Ort und gibt der Katastrophe ein Gesicht: Als dann auch noch Videofiles, E-Mail-Schnipsel und weiteres Material von damals auftauchen, wendet sie sich an die Öffentlichkeit - und bringt Licht ins Dunkel, denn die Katastrophe von Claridge in der malerischen Chesapeake Bay war hausgemacht. Sie könnte erst der Anfang von etwas viel Größerem gewesen sein.

Es geht um menschliches Versagen, um wirtschaftlichen Profit, um Raubbau an der Natur und darum, dass der Mensch nicht auf ewig so weitermachen kann wie bisher. Es geht um monströse Hühnermastfarmen, Unmengen von Steroiden, verseuchtes Abwasser. Es geht um ein atomares Leck ein paar Jahre zuvor ganz in der Nähe. Es geht um unglückliche Umstände und grobe Fahrlässigkeit. Um Gier und Naivität. Es geht um einen realen Fall.

Ein Oscar-Preisträger auf Abwegen

"The Bay" ist auf DVD und Blu-ray bei Koch Media erschienen.

"The Bay" ist auf DVD und Blu-ray bei Koch Media erschienen.

(Foto: Koch Media)

Den deckt das Team der bekannten und angesehenen investigativen "Frontline"-Dokumentationen auf. Sie haben sich des Treibens in der Chesapeake Bay angenommen, im Mittelpunkt steht eine unnatürlich große Hühnerfarm und verseuchtes Wasser sowie eine Bucht, die einst blühendes Leben beherbergte und nun zu 40 Prozent tot ist. Einen Aufschrei in der US-Bevölkerung löst die aufwendig produzierte Dokumentation nicht aus. Aber der Hollywood-Regisseur und Oscar-Preisträger Barry Levinson ("Rain Man") wird auf das Thema aufmerksam. Er überlegt, wie er es filmisch so verpacken kann, dass sich die breite Öffentlichkeit dafür interessiert und auf die ökologischen Zusammenhänge einlässt. Er versucht etwas völlig Neues - und hat Erfolg.

"The Bay" heißt sein Werk. Es soll schocken und tut es  wirkungsvoll. Es soll zum Nachdenken anregen und schafft das eindrucksvoll. Es soll sich im Gedächtnis des Zuschauers einnisten wie die kleinen mutierten Hauptdarsteller seines Found-Footage-Doku-Thrillers - und auch das gelingt. "Irgendwas frisst sich von innen nach außen", ist dabei der Satz, der hängen bleibt. Es braucht nicht viel, damit der Mensch nicht mehr am Ende der Nahrungskette steht, so viel ist nun sicher.

Levinsons Film ist kein klassischer Horror. Aber seine unorthodoxe Machart, iPhone- und Heimvideoaufnahmen mit Telefonmitschnitten und E-Mail-Fragmenten zu einem großen Ganzen zusammenzufügen, zeigt die Genialität des Regisseurs. Levinson hat keine Angst, seine gewohnten Pfade für etwas völlig Neues zu verlassen.

Auch wenn "The Bay" in Auszügen an "Apollo 18" erinnert. Auch dort wird mit "realen", einst streng geheimen Videosequenzen Gänsehautstimmung produziert. Und das Geheimnisvolle ist das, was dabei so fasziniert. Wieso war Apollo 17 offiziell die letzte Mond-Mission? Warum hat die Nasa ihr Mondprogramm von heute auf morgen offenbar völlig grundlos eingestellt? Warum war seit 1972 kein Mensch mehr auf dem Erdtrabanten? "Apollo 18" spielt eine Möglichkeit durch und die ist erschreckend.

Das geschieht auch bei "The Bay". Levinson hat die Realität der "Frontline"-Doku über Massentierhaltung und Umweltverschmutzung konsequent weitergedacht. Er hat die Frage nach dem "Was wäre wenn …?" gestellt. Und als Antwort einen packenden Öko-Katastrophen-Thriller inszeniert, der nicht nach Hollywood-Blockbuster ausschaut, sondern nach Heimvideo-Realitiy. Großes Kino!

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Quelle: ntv.de

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