Musik

Muss man gehört haben Hüsker Dü - Lärm und Leidenschaft

Wer die Spuren von Indierock, Grunge und Hardcore zu ihren Anfängen zurückverfolgt, landet unweigerlich bei Hüsker Dü aus Minnesota. Vor 30 Jahren erschien ihr Referenzwerk "Zen Arcade". Der perfekte Zeitpunkt für einen Blick auf ihre Geschichte.

Das Logo von Hüsker Dü.

Das Logo von Hüsker Dü.

(Foto: Wikipedia)

Wir schreiben das Jahr 1979. Unter dem Namen Buddy & the Returnables absolvieren Grant Hart (Schlagzeug), Greg Norton (Bass) und Bob Mould (Gitarre) zusammen mit dem Keyboarder Charlie Pine ihre ersten Auftritte. Auf der Setlist: vornehmlich Coversongs, ein bisschen Classic Rock, ein paar Kracher von den Ramones. Schnell wird klar, dass die Keyboards nicht so ganz zum Sound passen. Pine muss gehen, die Geschichte von Hüsker Dü beginnt. Sie benennen sich nach einem skandinavischen Memory-Spiel (deutsch: Erinnerst du dich?) und stehen am 30. März 1979 zum ersten Mal als Trio auf der Bühne. Ihr Sound ist hart, schnell, laut, mit beiden Beinen tief im aufkommenden Hardcore, aber in all dem Lärm blitzen auch immer wieder melodische Sprengsel aus Folk und Pop auf.

Zeitgenossen wie Black Flag und die Dead Kennedys werden auf das db-starke Dreigestirn aufmerksam, ihren ersten Deal unterschreiben Mould & Co. bei Gregg Ginns SST-Label. Anfang 1982 ist es so weit, das Debüt mit dem programmatischen Rahmen "Land Speed Record" erscheint. Im August 1981 im "7th Street Entry" in Minneapolis live aufgenommen, ist hier noch nichts vom späteren Sound zu erahnen. Die Songs rasen in Höchstgeschwindigkeit auf den Hörer zu, nicht weniger als ohrenbetäubende 17 Songs bringt die Band in 18 Minuten, 58 Sekunden unter. Die folgenden Platten – die "Metal Circus"-E.P. mit dem epochalen "Diane" aus der Feder Harts (er und Mould wechseln sich ab im Songwriting, nur sehr sporadisch unterbrochen von Norton) und das Studioalbum-Debüt "Everything Falls Apart" (1983) – erweitern die Klangpalette von Hüsker Dü.

"Thrash-Version von 'Quadrophenia'"

Epochal: Zen Arcade, erschienen 1984.

Epochal: Zen Arcade, erschienen 1984.

Durch die Riff-Kaskaden, die polternden Beats und den gepressten Gesang – auch hier wechseln Mould und Hart sich ab – schimmern immer deutlicher wunderbare Melodien hindurch, drängen Byrds- und Beatles-Zitate ans Licht. Kein Zufall, dass deren "Eight Miles High" und "Ticket to Ride" lange Zeit zum Liveset gehören. Mit "Zen Arcade", im Juli 1984 erschienen, liefert die Band ihr epochales Werk ab. Das Konzept-Doppelalbum erzählt die (geträumte) Geschichte eines jungen Mannes, der seinem tristen, gewalttätigen Elternhaus entflieht und sich auf die Suche nach dem Sinn des Lebens macht, dabei einen Parcours aus Armee, Drogen und unglücklicher Liebe durchläuft. Als "Thrash-Version von 'Quadrophenia'" ordnet David Fricke (Rolling Stone) die Platte ein, andernorts wird sie mit Clashs "London Calling" verglichen. Das Magazin "Spin" verortet "Zen Arcade" unter den Top 100 der "Alternative Albums" auf Platz 4, noch einen Rang vor Nirvanas "Nevermind".

Mag man "Zen Arcade" mit seinen überlangen Songs, der nicht eben transparenten Produktion, dem erweiterten Instrumentenarsenal zuweilen noch als 'Kritikerplatte' einordnen, perfektioniert die Band ihre Soundformel auf den nachfolgenden vier Alben, von denen man je zwei zusammenfassen kann. "New Day Rising" und "Flip Your Wig" erscheinen beide 1985 und sind die letzten Veröffentlichungen der Band auf dem Indielabel SST. Der Sound ist wesentlich klarer, Noise und Melodie, Krach und Konzept, Lärm und Leidenschaft scheinen jetzt im Einklang zu stehen. Songs wie "Girl Who Lives on Heaven Hill", "Green Eyes" (beide von Hart) oder Moulds "Makes No Sense at All", bis heute auf seiner Setlist, schwingen sich zu Klassikern der Band auf.

Wechsel zum Major Warner

Die logische Folge dieser Entwicklung: Die Band gerät in den Fokus der Majorlabels. Warner Records erhält den Zuschlag, hier erscheinen schließlich mit "Candy Apple Grey" (1986) und "Warehouse Songs and Stories" (1987) die beiden letzten Alben von Hüsker Dü. Mag der Opener von "Candy ...", das brachiale "Crystal", noch entfernt an die ungestümen Hardcore-Anfänge der Band erinnern, nähern sich Mould, Hart und Norton an anderer Stelle dem perfekten Popsong: "I Don’t Wanna Know If You’re Lonely" klingt, als hätte man das Sehnsüchtige der Smiths mit dem Furor von "Nevermind" gekoppelt, "Could You be the One?" verfügt über eines der schönsten Gitarrensolos aus der Welt von Alternative und Indie und die Pianoballade "No Promise Have I Made" sollte man besser nur im Besitz von ausreichend Taschentüchern genießen, um die all die Tränen zu trocknen.

Bob Mould 2009 beim Coachella Valley Music & Arts Festival.

Bob Mould 2009 beim Coachella Valley Music & Arts Festival.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Tränen sind das Stichwort: Ende 1987 beweinen die Fans das Ende der Band. Künstlerisch und kommerziell befindet sich das Trio auf dem Höhepunkt, innerlich sind die Musiker zerrissen, zerstritten, voneinander isoliert. Drogen-Exzesse, die Kontroversen um Moulds und Harts Homosexualität und der Streit der beiden um ihren Anteil am Songwriting haben die Band aufgerieben.

In den Folgejahren machen Hart und Mould solo von sich reden, immer wieder gibt es Gerüchte um eine etwaige Reunion. Anno 2004 anlässlich einer Benefizveranstaltung für den an Krebs erkrankten Bassisten Karl Müller (Soul Asylum) stehen sie zum ersten Mal wieder gemeinsam auf der Bühne und spielen die HüDü-Klassiker "Hardly Getting Over It" und "Never Talking To You Again". Von einer Reunion ist dennoch keine Rede, auch wenn für Greg Norton, mittlerweile Chef eines eigenen Restaurants, dem eigenen Bekunden nach nur ein Anruf nötig wäre.

Hardly Getting Over It? Ein Songtitel, der – so scheint es – zwischen 1987 und 2014 nichts von seiner Bedeutung verloren hat. Ebenso wenig wie die Wirkung auf nachfolgende Musiker-Generationen von R.E.M. und Nirvana einst über Pearl Jam und Mudhoney bis hin zu Samiam, Gaslight Anthem und The Hold Steady.

Hüsker Dü - eine Band, die auf einen Hügel stieg und von einem Berg herunterkam.

Zugabe:

"Beauty & Ruin" (2014) – das aktuelle Sololalbum von Bob Mould, mit allem was Fans von Hüsker Dü, Moulds 90er-Outfit Sugar und seinen Soloplatten lieben. Tolle Melodien, knackige Arrangements und jede Menge Druck.

Grant Hart solo: "Intolerance" (1989) – das funkelnde Debüt des Multiinstrumentalisten – ist ebenso höchst empfehlenswert wie sein aktuelles Album "The Argument" (2013), das den Ex-Junkie wiedererstarkt und inspiriert zeigt.

"See a little Light" (2011) – die ebenso unterhaltsame wie tiefe Einblicke gebende Autobiografie Bob Moulds.

"The Story of the Noise – Pop-Pioneers who launched Modern Rock" (2011) – sehr detaillierte Aufarbeitung der musikalischen Schaffensprozesse und Hüsker Düs Einflussbereiche von Buchautor Andrew Earles

Quelle: ntv.de

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