Kämpfe nahe der Hauptstadt Kiew löst Luftalarm aus
24.02.2022, 17:17 Uhr
Wenige Stunden nach Beginn des Angriffs auf die Ukraine dringen russische Truppen in die Hauptstadt-Region vor. Die ukrainische Armee meldet schwere Kämpfe in der Nähe von Kiew. Die Menschen in der Hauptstadt werden aufgerufen, in Bunkern Schutz zu suchen.
Die ukrainische Hauptstadt Kiew hat wegen des russischen Angriffs Luftalarm ausgelöst. Die Verwaltung rief alle Bürgerinnen und Bürger auf, sich möglichst in Luftschutzbunkern in Sicherheit zu bringen. Kiew hat etwa 2,8 Millionen Einwohner. Am Morgen waren bereits testweise die Luftschutzsirenen zu hören gewesen. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko verhängte eine Ausgangssperre. Diese gelte von 22 Uhr bis 7 Uhr, der öffentliche Nahverkehr werde in dieser Zeit eingestellt. Die U-Bahn-Stationen bleiben laut Klitschko aber rund um die Uhr geöffnet, um den Bürgern bei Luftangriffen als Schutzraum zu dienen.
Zudem seien vier Metro-Stationen als Luftschutzbunker ausgewiesen worden. Die U-Bahn solle weiter in Betrieb bleiben, sagte er. In der Ukraine gilt landesweit seit 5.30 Uhr (4.30 Uhr MEZ) auf Erlass von Präsident Wolodymyr Selenskyj das Kriegsrecht, vorerst für 30 Tage. Nach ukrainischen Angaben wird in mehreren Landesteilen gekämpft, das russische Militär nahm demnach einen Flughafen in der Nähe von Kiew sowie mehrere Gebiete im Süden des Landes ein.
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte in der Nacht den Einmarsch in die Regionen Luhansk und Donezk angeordnet. Am Mittag meldeten die Behörden in der Ukraine russische Angriffe aus verschiedenen Richtungen. Bis 12 Uhr (MEZ) habe Russland mehr als 30 Attacken mit Flugzeugen, Artillerie und Marschflugkörpern "auf ukrainische zivile und militärische Infrastruktur" ausgeübt, teilte der Generalstab mit.
Nach Angaben der ukrainischen Regierung nahm die russische Armee einen Militärflugplatz nahe Kiew ein. Präsident Selenskyj sagte, es handele sich um den wenige Kilometer von der nordwestlich der ukrainischen Hauptstadt gelegenen Flughafen Hostomel. Er habe die ukrainische Armee angewiesen, den Flughafen zurückzuerobern.
Kämpfe nahe Atommülllager in Tschernobyl
Die ukrainischen Behörden verloren nach eigenen Angaben die Kontrolle über Teile im Süden des Landes. Das teilte die Regionalverwaltung des Gebiets Cherson mit. Die Stadt Cherson liegt am Fluss Dnipro. Auch das Gebiet Henitschesk stehe nicht mehr unter ukrainischer Kontrolle. Der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Walerij Saluschny, hatte zuvor Gefechte um Henitschesk und weitere Städte in der Region gemeldet.
Die Kämpfe erstrecken sich nach Angaben der ukrainischen Regierung auch auf das Gebiet des zerstörten Atomreaktors von Tschernobyl. Nahe dem Atommülllager in Tschernobyl gebe es Gefechte zwischen ukrainischen und russischen Verbänden, teilte ein Vertreter des Innenministeriums mit. Russische Truppen seien von Belarus aus in das nordukrainische Gebiet eingedrungen, die an dem Atommülllager stationierten Soldaten der ukrainischen Nationalgarde leisteten "hartnäckigen Widerstand" gegen den Angriff.
Tote und Verletzte in mehreren Städten gemeldet
Zuvor hatten die Behörden Dutzende Tote und Verletzte nach schweren Angriffen in der Ukraine gemeldet. Alleine in der Stadt Browary nahe der Hauptstadt Kiew habe es mindestens sechs Tote und zwölf Verletzte gegeben, hieß es am Nachmittag aus der Stadtverwaltung. Im Südosten der Ukraine nahe der Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer kamen offiziellen Angaben zufolge acht Männer und zehn Frauen ums Leben. Der Luftangriff auf eine Militärbasis ereignete sich demnach im Dorf Lypezke. Zudem soll es Attacken auf die Stadt Lviv im Westen der Ukraine gegeben habe. "Wir bekommen Meldungen von hohen Rauchwolken in Lviv", berichtete ntv-Korrespondent Stephan Richter.
Drei Mitglieder der Streitkräfte seien entlang der südlichen Grenze zur Krim getötet worden, erklärte der ukrainische Grenzschutz. Außerdem ist ein Militärflugzeug der Ukrainer mit 14 Soldaten an Bord abgestürzt, berichtete ntv-Korrespondent Richter. "Es ist explodiert, alle 14 Soldaten sind gestorben. Die Angst ist groß vor weiteren Raketenangriffen. Es ist ein ungeheures Donnergrollen, das man am Anfang nicht zuordnen kann. Es handelt sich um Langstreckenraketen, ballistische Raketen aus Russland. Dass der Flughafen geschlossen wurde, dürfte die Infrastruktur sehr hart treffen."
Moskau: Mehr als 70 militärische Ziele zerstört

In Kiew bildeten sich Schlagen vor Tankstellen, Supermärkten und - so wie hier - Apotheken.
(Foto: dpa)
Nach russischen Angaben wurden Dutzende Stellungen des ukrainischen Militärs angegriffen. Es seien 74 Objekte der Bodeninfrastruktur "außer Gefecht" gesetzt worden, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow. Darunter seien elf Flugplätze, drei Kommandoposten und ein Marinestützpunkt gewesen. Unabhängig überprüfen ließen sich auch diese Angaben bisher nicht.
"Die ukrainischen Streitkräfte führen schwere Kämpfe", sagte Mychailo Podoliak, Berater des ukrainischen Präsidenten Selenskyj. "Wir haben Verluste", fügte er hinzu, ohne eine Zahl zu nennen. "An mehreren Stellen wurden die russischen Streitkräfte zurückgedrängt." Ukrainischen Vertretern zufolge griff die russische Armee vor allem militärische Infrastruktur und Silos an.
Quelle: ntv.de, mli/hul/AFP/dpa