Verschärfte Regeln in Frankreich 200.000 Menschen protestieren gegen Impfpflicht
31.07.2021, 20:46 Uhr
Die Demonstranten warfen der Regierung unter anderem einen "Angriff auf die Freiheit" vor.
(Foto: picture alliance/dpa/MAXPPP)
Frankreich kämpft derzeit gegen eine vierte Corona-Welle. Doch das hält Hunderttausende Menschen - teils ohne Maske - nicht davon ab, gegen die geplanten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu protestieren. Auch die Opposition möchte gegen das Gesetz vorgehen.
Der Protest gegen die Ausweitung des Gesundheitspasses und die Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen in Frankreich hält unvermindert an. Landesweit gingen mehr als 200.000 Menschen auf die Straßen, um gegen die verschärften Regelungen zu demonstrieren. An beiden vergangenen Wochenenden, vor dem Parlamentsbeschluss zu den Maßnahmen, hatten jeweils mehr als 100.000 Menschen demonstriert. Insgesamt fanden an diesem Samstag in mehr als 150 Städten, darunter Toulon, Montpellier, Bordeaux, Marseille und Nizza, Demonstrationen statt. In der Hauptstadt Paris versammelten sich nach Angaben des Innenministeriums mehr als 14.000 Menschen.

Einige Demonstranten verglichen die Impfpflicht mit dem Apartheid.
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Die verschärften Regeln stoßen nicht nur bei Impfgegnern und Corona-Leugnern an. So mischten sich bei den Protesten Menschen verschiedenster Strömungen. In Paris zogen zwei Protestzüge durch die Straßen. Die Demonstranten, darunter auch viele "Gelbwesten", bezeichneten die Regierung auf Plakaten teilweise als "Diktatur", warfen ihr unter anderem einen "Angriff auf die Freiheit" vor und zogen Vergleiche zur Apartheid, der jahrzehntelangen rassistischen Segregation in Südafrika. Der Gesundheitspass wurde teilweise "Nazi-Pass" genannt.
Diese Heterogenität und die Größe der landesweiten Proteste schüren in Frankreich auch Ängste vor einer neuen "Gelbwesten"-Bewegung oder einem Wiedererstarken ihrer Proteste. Die "Gilets Jaunes" hatten ihre Demonstrationen 2018 als regionale Bewegung gegen die Erhöhung der Benzinpreise begonnen. Schnell weiteten sich ihre Themen zu einer Kritik an der Reformpolitik der Mitte-Regierung und des Präsidenten Emmanuel Macron aus. Bei den Protesten war es immer wieder zu Verwüstung und Gewalt gekommen.
Wie auf Pressefotos zu sehen ist, trugen die meisten Demonstranten keine Schutzmasken. Mehr als 3000 Polizisten waren im Einsatz, unter anderem auf den Champs-Elysées, deren Hauptzugänge abgeriegelt waren, wie ein Fotograf der Nachrichtenagentur berichtete.
Bei dem Marsch, der am Place de la Bastille endete, widersetzten sich mehrere hundert Demonstranten teils gewaltsam den Anweisungen der Sicherheitskräfte zum Auflösen der Versammlung. Die Beamten setzten daraufhin Tränengas und Wasserwerfer ein. Nach Angaben des Innenministeriums wurden mindestens drei Beamte verletzt, zehn Menschen seien festgenommen worden. Landesweit gab es demnach mindestens 19 Festnahmen. Zuvor war es in Paris an der Spitze des Zuges, aus dem manchmal Feuerwerkskörper explodierten, mehrfach zu Zusammenstößen mit Polizisten gekommen, die versuchten, den Marsch auf der genehmigten Route zu halten.
Opposition will das Gesetz verhindern
Das französische Parlament hatte das Gesetz zur Verschärfung der Corona-Regeln am vergangenen Sonntag nach langem Ringen verabschiedet. Es tritt am 9. August in Kraft und sieht eine Corona-Impfpflicht für Gesundheits- und Pflegekräfte sowie Feuerwehrleute und andere Rettungskräfte vor. Anders als ursprünglich von der Regierung gewollt, droht Impfverweigerern in diesen Berufen allerdings nicht die Entlassung, sondern nur eine Aussetzung des Gehalts.
Beschlossen wurde auch eine Ausweitung des Gesundheitspasses, der Aufschluss über eine Impfung oder einen Negativtest gibt. Dabei soll nun erstmals eine Corona-Testpflicht für nicht Immunisierte in französischen Gaststätten und Fernzügen sowie Messen und Jahrmärkten greifen. In Kinos, Theatern oder Museen muss bereits seit 21. Juli eine Impfung, eine überstandene Infektion oder ein negativer Corona-Test nachgewiesen werden.
Die Opposition hat sich an den Verfassungsrat gewandt, um das Gesetz zu verhindern. Auch die Regierung legte dem Rat das Gesetz zur Prüfung vor. Der Verfassungsrat wird seine Entscheidung am 5. August bekannt geben - also nur wenige Tage vor dem geplanten Inkrafttreten.
85 Prozent der Covid-19-Patienten sind nicht geimpft

Bei den Protesten mischten sich Menschen verschiedenster Strömungen, darunter auch die "Gelbwesten".
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Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin sagte, dass die Zahl der Demonstranten relativiert werden müsste. "Wenn ich eine Parallele zu den vier Millionen Menschen ziehe, die sich in Folge der Rede des Präsidenten haben impfen lassen, stellt man fest, dass die Demonstranten nicht die Mehrheit sind", zitierte in die Zeitung "Le Parisien".
Tatsächlich waren sowohl die Impfanmeldungen als auch die Zahl der täglich gespritzten Dosen nach den Ankündigungen Macrons in die Höhe gegangen. Mittlerweile sind etwa 62 Prozent der Menschen in Frankreich mindestens einmal gegen das Coronavirus geimpft. Mehr als die Hälfte der Menschen sind vollständig geimpft. Die Gesundheitslage bleibt dennoch angespannt. Zuletzt lag die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Menschen innerhalb einer Woche landesweit bei etwa 214.
Laut einer am Freitag veröffentlichten amtlichen Statistik ist ein überwältigender Anteil der Covid-19-Patienten, die in französischen Krankenhäusern behandelt werden, nicht geimpft: Rund 85 Prozent der Covid-19-Patienten auf den Normal- und Intensivstationen haben demnach keine Impfung gegen Corona. Zudem liege bei 78 Prozent aller Todesfälle nach einer Infektion mit dem Virus keine Impfung vor. Frankreich kämpft derzeit gegen eine vierte Corona-Welle.
Quelle: ntv.de, lpe/AFP/dpa