Stadt richtet Spendenkonto ein 800 Solinger gedenken der fünf toten Kinder
05.09.2020, 21:21 Uhr
Anwohner legen Plüschtiere, Blumen und Kerzen vor dem Haus nieder, in dem fünf Kinder tot aufgefunden worden sind.
(Foto: picture alliance/dpa)
Nach dem gewaltsamen Tod von fünf Kindern in Solingen trauern viele Nachbarn, Anwohner und Freunde gemeinsam und wollen helfen, den Opfern eine würdevolle Beerdigung zu ermöglichen. Viele stellen sich noch immer die Frage: Was hat die Mutter dazu getrieben, dass es so weit kommen konnte?
Solingen trauert um fünf gewaltsam zu Tode gekommene Kinder - und viele Bürger wollen mit Spenden helfen. Am Abend folgten schätzungsweise etwa 800 Menschen einem Aufruf des Stadtteils Hasseldelle, um mit einer Schweigeminute der toten Kinder zu gedenken. Viele Bürger hätten über die sozialen Medien Spenden angeboten, hieß es. Die Stadt werde am Montag ein Spendenkonto eröffnen, aus dem etwa Beerdigungskosten bezahlt werden könnten, sagte ein Stadtsprecher. Unklar war zunächst die Zukunft des einzig überlebenden Kindes, eines elfjährigen Jungen. Er ist derzeit bei seiner Großmutter in Mönchengladbach.
Die Opferschutzbeauftragte des Landes NRW, Elisabeth Auchter-Mainz, sagte, sie habe den Eindruck, dass der Junge und die Großmutter - auch von Notfallseelsorgern - gut betreut würden. Für die Zukunft seien viele Fragen offen, aber zunächst benötigten der Junge und seine Großmutter Zeit. "In so einer Lage brauchen die Menschen Zeit - und diese Zeit muss dem Jungen und seiner Großmutter gegeben werden."
Die 27-jährige Mutter der Solinger Familie soll ihre ein bis acht Jahre alten Kinder erst betäubt und dann erstickt haben. Gegen die Frau wurde Haftbefehl erlassen. Nur der Elfjährige, der zur Tatzeit in der Schule war, überlebte. Die Mutter hatte sich später in Düsseldorf vor einen Zug geworfen und war schwer verletzt worden. Sie konnte nach Angaben der Behörden am Freitag noch nicht vernommen werden. Am Samstag gab es zu ihrem Gesundheitszustand keine neuen Informationen.
Die Familie war dem städtischen Jugendamt vor der Tat bereits bekannt. "Der Familie wurden von der Stadt Solingen erforderliche Unterstützungen gewährt. Das Jugendamt hat zusätzlich mögliche Hilfsangebote unterbreitet", teilte die Stadt mit, ohne Details zu nennen. "Erkenntnisse zu Auffälligkeiten oder einer potenziellen Gefährdung der Kinder gab es zu keinem Zeitpunkt." Die Ermittler vermuten, dass die alleinerziehende Mutter von sechs Kindern nach der Trennung von ihrem Mann die Tat in einem Zustand emotionaler Überforderung begangen hat. Die Ehe sei zerrüttet gewesen, berichteten Polizei und Staatsanwaltschaft am Freitag.
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Vor der Tat habe die Frau ein Jahr von ihrem letzten Mann, dem Vater von vier ihrer Kinder, getrennt gelebt. Sie sei die einzige Verdächtige. Menschen, die sich selbst töteten und andere "mitnehmen" wollten, empfänden eine Sehnsucht nach "Erlösung", sagt der Psychiater Prof. Hans-Jörg Assion von der Klinik des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Dortmund.
"Die eigene Erlösung von dem Leid wird auf andere Menschen übertragen, die in das lebensmüde Empfinden einbezogen werden, quasi um sie ebenfalls von dem Leiden zu 'erlösen'." Ein solches Verhalten sei sehr selten. Bei Warnzeichen - etwa dem Reden von Erlösung anderer vom Leid auf Erden - könnten Traumaambulanzen helfen.
Rechtsmediziner fanden bei der Obduktion Hinweise darauf, dass die Kinder betäubt wurden und dann entweder erstickten oder erstickt wurden. Weitere toxikologische Untersuchungen müssten aber abgewartet werden. Melina (1), Leonie (2), Sophie (3), Timo (6) und Luca (8) waren von Polizisten am Donnerstag tot in ihren Kinderbetten in der Wohnung der Familie gefunden worden.
Quelle: ntv.de, hek/dpa