
Im Endeffekt ist es besser, genau hinzuschauen.
(Foto: IMAGO/Pond5 Images)
Was würde die Kolumnistin dafür geben, wenn ihre größte Sorge sein dürfte, dass Cora Schumacher den Dschungel verlassen hat. Stattdessen muss sie sich, wie wir alle, mit bedrohlichen Überschriften auseinandersetzen. Aber noch regiert Trump nicht, steht der Russe nicht vor der eigenen Tür (sorry, Nachbarn), ist die AfD nicht an der Macht.
Ja, man könnte nachrichtenmüde werden, das höre ich schon seit einer Weile. "Ich guck' gar nicht mehr", heißt es dann. Gemeint ist sowohl TV als auch Online, denn die Nachrichten sind zu böse. Stimmt. Aber verschwinden sie deswegen, wenn ich mir die Augen zuhalte? Leider nein.
Natürlich ist es richtig und gesund, sich nicht vor dem Schlafengehen Videos reinzuziehen, die zeigen, wie ein Mann mit weißer Flagge in der Hand im Gaza-Streifen erschossen wird. Die weiße Flagge, schon immer das Symbol für friedliche Absichten. Das lässt an der Welt beziehungsweise an den Menschen zweifeln. Sind die Menschen jedoch besser, wenn ich die Nachricht ausspare? Leider nein.
Ich will informiert sein
Karl-Theodor zu Guttenberg, der ehemalige Verteidigungsminister, hat gerade erst ein Interview gegeben, in dem er andeutet, dass wir mit allem rechnen müssen. Er sagt: "Die Vorbereitung auf einen Russen-Angriff ist 'verdammte Pflicht'." Ich schaudere. Wenngleich ich ihm zustimme. Aber wie soll man sich darauf vorbereiten, also als normaler Bürger, als normale Bürgerin? Eine Quasi-Lösung bietet mir die Überschrift auf ntv.de an: "Bei Spionage, Sabotage, Attacken - Neuer Verteidigungsplan soll Deutschland schützen". Hm, denk' ich, lese ich mir mal durch, nützt ja nix. Und gehe vor meinem inneren Auge die Corona-Vorräte durch, die sich vielleicht noch im Keller stapeln, scheiß aufs Ablaufdatum, in der Not frisst ja nicht nur der Teufel Fliegen.
Also, was steht da, was mich beruhigen könnte? "Die Militärs erwarten vier Bedrohungen, die teils schon jetzt zu beobachten seien, darunter Fake News und Desinformation. Der Gegner werde versuchen, Regierungsentscheidungen, die Meinung der Bevölkerung und vielleicht auch der Medien zu beeinflussen. Zudem werden Angriffe im Cyberraum erwartet, gegen Energieunternehmen und die Telekommunikation." Ich ertappe mich bei dem Lischen-Müller-Gedanken: "Total schlimm und ärgerlich, aber noch steht keiner direkt vor der Tür."
Die dritte Bedrohung seien gezielte Ausspähungen, heißt es weiter im Text. Und der vierte Teil, gegen den wir uns jetzt schon wappnen müssen: Sabotage durch Spezialkräfte. Zudem könne die kritische Infrastruktur Ziel von ballistischen Raketen der anderen Seite sein. Der Horrorfilm in meinem Kopf beginnt. Immerhin: An einem Schutzschirm wird gearbeitet. Ich bin trotzdem nicht beruhigt. Aber ändert sich was an diesen Tatsachen, wenn ich mich nicht informiere? Leider nein. Und genau das ist der Punkt: Ich will informiert sein. Ich will nicht eines Tages sagen müssen: "Ich hab' das ja gar nicht gewusst."
"Putin gibt einen Scheiß drauf"
Noch mal zurück zu Guttenberg, der hat momentan ganz markige Sprüche drauf, finde ich. Gefällt mir. Im Podcast "Ronzheimer" sagt er: "Bei Putin muss man mit allem rechnen, und dass der am Ende des Tages oftmals einen Scheiß auf irgendwelche Abmachungen gibt, haben wir oftmals in der Historie erleben dürfen. Und dass er nicht davor zurückschreckt, dann auch zu undenkbar grauenvollen Mitteln zu greifen." Einen Scheiß also? Nicht nur ich fluche, das beruhigt mich. Kurz. Denn dass mir diese Aussage gefällt, ist nun wiederum sehr beunruhigend.
Neulich habe ich die Buch-Autorin und Journalistin Mirna Funk interviewt, und was sie zu mir gesagt hat, das können Sie in Gänze zwar leider erst ab dem 15. Februar lesen, weil dann ihr neues Buch erscheint, aber sie hat mich in unserem langen Gespräch auch ein wenig ausgelacht, das möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Nicht böse, eher verständnisvoll. Klar, sie ist auch Deutsche, ostsozialisiert, aber sie ist eben auch jüdisch. Und in dieser "Eigenschaft" ist sie einfach ein bisschen, wie soll ich es ausdrücken, ohne dass es blöd oder falsch rüberkommt, aber ja, sie ist etwas abgebrühter. Cooler. Realistischer. Kämpferischer. Weniger ergeben. Sie belächelt meine Sozialisation in westlichen Friedenszeiten ein wenig, tätschelt mir theoretisch über den Kopf und sagt, nicht wörtlich: "Get over it. Wenn wir keine starken Anführer haben – die du ja so gern hättest – dann müssen wir selbst stark sein."
"You can do it!"
Und das spukt mir nun seit Tagen im Kopf herum. Sie hat recht. Deswegen habe ich mir vorgenommen, nicht mehr herumzulamentieren oder vergangenen Zeiten hinterherzuheulen, sondern mich den Gegebenheiten zu stellen. Denn es ist, was es ist, denk' ich mir - und das sagt nicht nur die Liebe.
PS: Bei einer Podiums-Diskussion, die ich jüngst besucht habe, erinnerte Michel Friedman diese Woche übrigens das Publikum daran, dass noch keine Wahl verloren ist und dass wir die Wahl haben! "Wir können den Karren noch rumreißen. Wir müssen nur etwas tun!!" Und damit hat er recht, genauso wie wir aufhören sollten, so zu tun, als würden wir bereits von der AfD regiert werden oder der Orange-Man säße bereits im Weißen Haus. Get over it - und fangt an, euch gegen das, was euch nicht gefällt, zu wehren. Jetzt!
Quelle: ntv.de