Panorama

Inszenierter Zugriff in Bochum?Anwalt des angeschossenen Kindes macht Polizei schwere Vorwürfe

26.11.2025, 17:06 Uhr
Eine-Frau-steht-vor-einem-Mehrfamilienhaus-In-einem-Mehrfamilienhaus-in-Bochum-ist-ein-zwoelfjaehriges-Maedchen-bei-einem-Polizeieinsatz-durch-Schuesse-aus-einer-Dienstwaffe-lebensgefaehrlich-verletzt-worden
In diesem Mehrfamilienhaus in Bochum kam es vor wenigen Tagen zum Polizeieinsatz. Es gibt keine Bodycam-Aufnahmen. (Foto: picture alliance/dpa)

Nach dem Polizeischuss auf ein Mädchen in Bochum erhebt der Anwalt der Familie schwere Vorwürfe gegen die Polizei. Demnach sei das Messer erst in einer Paniksituation ins Spiel gekommen, welche die Beamten selbst verursacht hätten. Den Behörden unterstellt er fehlende Objektivität.

Der Anwalt des durch einen Polizeischuss lebensgefährlich verletzten Mädchens in Bochum wirft den Ermittlern manipulative Darstellung in eigener Sache vor. Die gehörlose Mutter sowie der ebenfalls gehörlose Bruder des Mädchens schilderten den Polizeieinsatz demnach anders als die Beamten, teilte Rechtsanwalt Simón Barrera González mit. Der Anwalt wirft der Polizei "aggressive Pressearbeit" vor. "Es gibt in diesem Fall keine Bodycam-Aufnahmen", räumte NRW-Innenminister Herbert Reul in der "Rheinischen Post" kurz nach dem Vorfall ein.

Polizei und Staatsanwaltschaft versuchten noch vor Abschluss der Ermittlungen die aus Sicht des Anwalts fragwürdige Darstellung zu untermauern, der Beamte habe aus Notwehr geschossen, erklärte der Anwalt des Mädchens. "So etwas prägt Strafverfahren und nährt gleichzeitig Zweifel an der Objektivität der ermittelnden Behörden." Mutter und Bruder gaben demnach in einer anwaltlichen Vernehmung zu Protokoll, dass die Messer erst in einer Paniksituation ins Spiel gekommen seien, welche die Polizei selbst verursacht habe.

Die gehörlose Zwölfjährige war in der Nacht zum 17. November bei einem Polizeieinsatz in Bochum durch einen Bauchschuss aus der Dienstwaffe eines Polizisten lebensgefährlich verletzt worden. Die Beamten waren ausgerückt, weil das Mädchen seit mehreren Tagen in der Wohngruppe in Münster vermisst wurde und offensichtlich zur Mutter nach Bochum gefahren war. Es habe lebenswichtige Medikamente benötigt, erklärte die Polizei.

Zunächst habe die Polizei in der Wohnung den Strom abgedreht, schildert nun der Anwalt Barrera González unter Berufung auf die Familie. Als die Mutter dann ängstlich die Tür geöffnet habe, habe man sie mit vorgehaltener Waffe zu Boden gebracht und mit Handschellen fixiert. "Die Polizei hat da aus meiner Sicht einen Zugriff inszeniert, wie man ihn gegen organisierte Kriminalität erwarten dürfte, aber doch nicht um ein vermisstes zwölfjähriges Mädchen zu suchen", sagte Anwalt Barrera González.

Anwalt: "Kein unmittelbar bevorstehender Messerangriff"

Die Polizei hatte berichtet, die Mutter sei fixiert worden, weil sie den Einsatzkräften den Zutritt zur Wohnung versperrt habe. Als dann die Polizisten die Wohnung betraten, habe das Mädchen die Beamten mit zwei größeren Küchenmessern angegriffen.

"Es war aber nach meiner juristischen Bewertung kein unmittelbar bevorstehender Messerangriff", so der Verteidiger der Familie. Die Polizei habe jede Möglichkeit des Rückzugs gehabt - diese zu nutzen, gelte umso mehr, weil es sich bei seiner Mandantin um ein Kind handele.

Laut Polizei habe die Mordkommission die beteiligten Zeugen zeitnah nach dem Vorfall polizeilich vernommen. Auch Mutter und Bruder seien demnach befragt worden. Dabei seien auch Gebärdendolmetscher vor Ort gewesen. "Wir haben versucht, möglichst objektiv anhand der Spurenlage und der Aussagen aller beteiligten Zeugen zu berichten, was in der Nacht passiert ist", sagte ein Sprecher der ermittelnden Polizei in Essen. Nach Abschluss der noch laufenden Ermittlungen müsse ein Gericht entscheiden, ob das Vorgehen der beschuldigten Polizisten rechtmäßig gewesen sei oder nicht.

Quelle: ntv.de, bho/dpa

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