Panorama

"Alltagsexperten" recherchierenAuf Spurensuche mit Hitlers "Mein Kampf"

03.09.2015, 23:53 Uhr

Bis 1944 wird Adolf Hitlers "Mein Kampf" mehr als 12,4 Millionen mal in Dutzenden Ausgaben gedruckt. Ab 2016 darf es wieder in Deutschland produziert werden. Das ruft Künstler auf den Plan.

Nachdenklichkeit, Heiterkeit und am Schluss langer Beifall für die sechs Akteure der Uraufführung von "Adolf Hitler: Mein Kampf, Band 1 & 2" beim Kunstfest Weimar: In dem Projekt des Berliner Theaterkollektivs Rimini Protokoll begaben sich die Frauen und Männer als "Experten des Alltags" auf historische Recherche und persönliche Spurensuche zu Hitlers Propagandaschrift. 70 Jahre nach dem Tod des Diktators kann sie ab Januar 2016 in Deutschland wieder gedruckt werden. Die Urheberrechte laufen aus.

Die Berliner Theatergruppe, die als ein Wegbereiter eines neuen Dokumentarismus im Theater gilt, hat mit den teils ungewöhnlichen Familiengeschichten den Mythos der Verführbarkeit und der "Infektionsgefahr" der Schmähschrift für damals und heute hinterfragt. Da erzählt etwa ein Israeli, dessen Eltern und Großeltern vor den Nazis flohen und der mit Hitlers "Mein Kampf" in Tel Aviv einst Deutsch lernen wollte.

Eine Frau berichtet, wie sie als Mädchen in den 1960er Jahren die Visionen Hitlers aus dem Buch herausfilterte, um ihren Eltern zu zeigen, dass er bereits in den 1920er Jahren Antisemit war - und Judenvernichtung und Krieg nicht unvorhersehbar.

Millionenfach gedruckt

Ein Blinder liest "Mein Kampf" in Blindenschrift. Bis 1944 wurde das Propagandabuch mehr als 12,4 Millionen mal in Dutzenden Ausgaben gedruckt, darunter auch 500 mal in Blindenschrift. Es ist bis heute in Bücherschränken, Antiquariaten und im Internet zu finden.

Das Projekt wird von der Kulturstiftung des Bundes unterstützt und ist eine Koproduktion mit mehreren Theatern in Deutschland, der Schweiz und Österreich. Im Herbst geht es dorthin auf Tournee, im Frühjahr ist ein Gastspiel in Athen geplant.

Quelle: ntv.de, bad/dpa

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