Besondere Schwere der Schuld? Ayleens Mörder erwartet lange Strafe
28.09.2023, 07:46 Uhr Artikel anhören
Das Mädchen war vom Täter auf Snapchat angesprochen worden.
(Foto: picture alliance/dpa)
Ayleen verschwindet im Juli 2022, eine Woche später wird ihre Leiche gefunden. Der Prozess gegen ihren Mörder zeigt, wie grausam und gnadenlos er sein Opfer im Internet suchte und fand. Heute fällt das Urteil.
Rund 14 Monate nach dem Fund der Leiche der 14-jährigen Ayleen aus Baden-Württemberg in einem hessischen See steht der Prozess vor dem Ende. Heute will das Landgericht Gießen das Urteil gegen einen inzwischen 30-Jährigen verkünden. Die Anklage wirft Jan Heiko P. vor, die Schülerin aus sexuellen Motiven ermordet zu haben. Konkret muss er sich unter anderem wegen Mordes und versuchter Vergewaltigung mit Todesfolge verantworten.
Die Staatsanwaltschaft forderte in ihrem Plädoyer lebenslange Haft wegen Mordes und beantragte die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Zudem beantragte sie eine anschließende Sicherungsverwahrung. Die Nebenklage schloss sich den Forderungen an. Auch die Verteidigung plädierte auf Mord und auf eine anschließende Sicherungsverwahrung, eine besondere Schwere der Schuld sah sie aber nicht.
Ayleen war am 21. Juli 2022 in Gottenheim im baden-württembergischen Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald verschwunden. Gut eine Woche später wurde sie rund 300 Kilometer entfernt tot in einem See im hessischen Wetteraukreis gefunden. Noch am selben Tag nahmen Spezialkräfte der Polizei den damals 29-jährigen Verdächtigen in Friedrichsdorf bei Frankfurt am Main fest.
Zu Hause abgeholt
Laut Anklage hatte die 14-Jährige ihren Wohnort lebend verlassen. Der Angeklagte soll Ayleen am 21. Juli mit seinem Auto von Gottenheim in ein Waldstück bei Langgöns-Cleeberg in Hessen gefahren haben. Dort soll er sie in der Nacht zum 22. Juli getötet haben. Danach soll er die Leiche zum Teufelsee gebracht haben.
Die Ermittler werteten unter anderem Handydaten des 30-Jährigen aus. Dabei fanden sie heraus, dass Ayleen und der Mann einander offenbar im April über eine Messengerapp kennengelernt und Tausende Nachrichten ausgetauscht hatten. Die Ermittler konnten ein Bewegungsprofil von P. erstellen und sich ein Bild vom mutmaßlichen Tatablauf verschaffen. Außerdem wurden persönliche Gegenstände der 14-Jährigen in seiner Wohnung gefunden.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann neben Mord und versuchter Vergewaltigung mit Todesfolge die Entziehung Minderjähriger, Nötigung, Fahren ohne Fahrerlaubnis und Sichverschaffen kinderpornografischer Inhalte vor. Letzteres bezieht sich auf einen weiteren Fall, der sich im Juni 2022 zugetragen haben soll. P. soll ebenfalls in einem Chat von einer 13-Jährigen Nacktbilder gefordert haben.
Psychopathische Züge, aber schuldfähig
Die hessischen Behörden übernahmen den Fall im August 2022, weil sie davon ausgingen, dass Ayleen erst in Hessen getötet wurde. Im September vergangenen Jahres gestand der Mann nach Angaben der Ermittler die Tötung des Mädchens. Er führte sie außerdem zu dem an einem Feldweg im Landkreis Gießen gelegenen Tatort und zu abgelegten Kleidungsstücken des Opfers. Diese wurden auf Spuren untersucht.
Ein Video des Geständnisses wurde im Prozess gezeigt. Das psychiatrische Gutachten attestierte dem Angeklagten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung und psychopathische Züge. Die Schuldfähigkeit sei aber voll gegeben. Dem Gutachter hatte der Angeklagte gesagt, dass er nichts empfunden habe, als er die Leiche des Mädchens ins Wasser gelegt habe, dass ihn das Geschehen "nicht belastet", abgeschlossen und erledigt für ihn sei und er sich anderen Dingen zuwenden wolle. Es sei "halt blöd!", dass er sich seine Zukunft kaputt gemacht habe.
Der Fall sorgte auch für Aufsehen, weil dem Landgericht Limburg vorgeworfen wurde, die gegen den 30-Jährigen verhängte Führungsaufsicht wenige Monate vor der Tat im Januar 2022 beendet zu haben. Das wies das Gericht zurück. Demnach hatte das Amtsgericht Wetzlar 2007 entschieden, den damaligen Jugendlichen wegen eines versuchten Sexualdelikts in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. 2017 habe das zuständige Amtsgericht Frankenberg die Unterbringung beendet, weil die Voraussetzungen dafür nicht mehr vorgelegen hätten.
Es folgten mehrere Gerichtsentscheidungen zu einer Führungsaufsicht. Letztlich seien die Bedingungen für eine unbefristete Führungsaufsicht nicht gegeben gewesen. Eine Entfristung sei vor Ablauf der entsprechenden Frist nicht ausgesprochen worden. Das hatte das Ende der Führungsaufsicht zum 25. Januar 2022 zur Folge.
Quelle: ntv.de, Annalena Dörner, AFP