Sorge vor weiteren MutationenB.1.1.7 macht fast drei Viertel der Fälle aus
Weil sie als ansteckender und teils auch gefährlicher gelten, sehen Experten die Ausbreitung von Coronavirus-Mutationen mit Sorge. Die Variante B.1.1.7 beherrscht laut RKI bereits das Infektionsgeschehen in Deutschland. Andere Varianten werden weitaus seltener nachgewiesen.
Die zuerst in Großbritannien festgestellte Coronavirus-Variante B.1.1.7 verbreitet sich weiter sehr schnell in Deutschland. Laut dem aktuellen Bericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom Mittwochabend (PDF) hat die Mutation mittlerweile einen Anteil von 71,3 Prozent an den überprüften Tests.
Die aktuellen Zahlen stammen aus der Kalenderwoche 11 vom 15. bis 21. März. In der Vorwoche lag der Anteil noch bei 63,6 Prozent. Mitte Januar hatte der Anteil dieser Variante noch bei 2 Prozent gelegen. In der ersten Märzwoche machte er dann erstmals mehr als die Hälfte (54,5 Prozent) der untersuchten Proben aus.
Die Mutation von Sars-CoV-2 wird vom RKI als sogenannte VOC eingestuft - Variant of Concern (besorgniserregende Variante). Neben B.1.1.7 zählen auch die in Südafrika entdeckte Variante B.1.351 sowie die in Brasilien erstmals beschriebene Variante P.1 zu den VOC. "Der Anteil der VOCs ist in den letzten Wochen exponentiell gestiegen", heißt es dazu im Bericht des RKI.
B.1.1.7 breite sich aktuell in Europa stark aus und sei in vielen Ländern die dominierende Variante, berichtet das RKI weiter. Die Ausbreitung der Variante B.1.351 sei dagegen weltweit geringer, "in Deutschland sogar etwas rückläufig". Die als besonders gefährlich eingestufte Variante P.1 sei bisher "nur vereinzelt in Deutschland nachgewiesen" worden.
21 Proben weisen P.1 auf
Laut RKI-Testzahlenerfassung wurden in Kalenderwoche 11 insgesamt 60.613 auf Mutationen untersucht. Dabei wurden 43.791 als VOC eingestuft. 43.191 der Proben wurden der Variante B.1.1.7 zugerechnet, das sind 71,3 Prozent. 579 Proben wiesen Merkmale von B.1.351 auf - das entspricht 1 Prozent. Auf P.1 entfielen 21 Proben, das RKI gibt den Anteil gerundet mit 0,0 Prozent an. Das RKI baut den Bericht auf verschiedenen Quellen auf. Dazu zählen Genomsequenzierung, aber auch weniger aufwändige Laborhinweise, die aus einzelnen Mutationen im RNA-Code des Virus Rückschlüsse ziehen.
Virologen sehen in der Verbreitung der Varianten ein Problem, da sie als ansteckender und auch tödlicher als das ursprüngliche Virus gelten. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in ihrer Regierungserklärung, Deutschland lebe wegen B.1.1.7 "im Grunde in einer neuen Pandemie". Laut Studien aus Großbritannien und den USA vermehrt sich B.1.1.7 um 35 Prozent stärker. Eine Studie aus der Schweiz ergab sogar eine Steigerung von 50 Prozent. Das RKI macht für die derzeit steigenden Infektionszahlen in Deutschland auch die Ausbreitung von B.1.1.7 verantwortlich.
Nach Ansicht des Virologen Ulf Dittmer könnte die Ausbreitung der Varianten die im Frühjahr zu erwartenden, mildernden saisonalen Effekte für die Pandemie abschwächen. Grundsätzlich würden Umweltfaktoren wie etwa UV-Strahlen und höhere Temperaturen sowie das vermehrte Aufhalten im Freien in der wärmeren Jahreszeit helfen, das Infektionsgeschehen zu bremsen. "Dieser Vorteil könnte jetzt - und das ist ein wenig die Gefahr - von den Mutanten aufgefressen werden", sagte der Direktor des Instituts für Virologie des Uniklinikums Essen.
Die Physikerin und Modelliererin Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation warnte zudem vor neuen Varianten, die Impfungen hinfällig machen oder ihre Wirkung reduzieren könnten. "Im schlimmsten Fall entwickelt sich eine Variante, die uns zwingt mit dem Impfen bei null wieder anzufangen", sagte Priesemann am Mittwochabend in der ARD. Sogenannte Escape-Varianten entwickelten sich dort, wo viele Menschen schon geimpft seien, erklärte Priesemann. Es handle sich um Viren, die es schafften den Immunschutz der Impfung zu umgehen. "Es gibt erste Erkenntnisse, dass manche der Virus-Varianten das zumindest zum Teil schon können."
