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Mindestens acht Opfer Berliner Arzt soll deutlich mehr Patienten getötet haben

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Ausgelöst wurden die Ermittlungen durch die Brände, die der Mediziner gelegt haben soll, um die Tötung der Patienten zu verdecken.

Ausgelöst wurden die Ermittlungen durch die Brände, die der Mediziner gelegt haben soll, um die Tötung der Patienten zu verdecken.

(Foto: Fabian Sommer/dpa)

Im Sommer wird der Arzt eines Berliner Pflegedienstes verhaftet, weil er vier Patientinnen getötet haben soll. Inzwischen geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass es weitere Opfer gibt. Die Ermittler sehen das Motiv "Mordlust" erfüllt.

Ein bereits inhaftierter Berliner Palliativmediziner soll deutlich mehr Menschen getötet haben als zunächst angenommen. Die Staatsanwaltschaft Berlin geht nach weiteren Ermittlungen derzeit von mindestens acht Opfern aus und ermittelt wegen Mordes, wie Behördensprecher Sebastian Büchner mitteilte.

Zuvor waren Unterlagen von weiteren Patienten des Arztes ausgewertet sowie zwei weitere Leichen exhumiert und von der Gerichtsmedizin untersucht worden. Danach geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass der 40-Jährige auch für den Tod von zwei Frauen im Alter von 70 und 61 Jahren sowie zwei 70 und 83 Jahre alten Männern verantwortlich ist. Er soll den Betroffenen jeweils ein "Gemisch verschiedener Medikamente" verabreicht haben.

Arzt seit Sommer in Untersuchungshaft

Der Mediziner sitzt bereits seit Anfang August in Untersuchungshaft. Ursprünglich stand er im Verdacht, vier Patientinnen im Alter zwischen 72 und 94 Jahren in deren Wohnungen getötet zu haben. Anschließend soll er dort Feuer gelegt haben, um die Taten zu vertuschen. Die Ermittlungen erfolgten zunächst wegen Totschlags und Brandstiftung. Inzwischen geht die Staatsanwaltschaft jedoch von Mord aus. Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen soll der Beschuldigte kein anderes Motiv als das der Tötung der Opfer gehabt haben, wie Sprecher Büchner mitteilte. Damit sei das Mordmerkmal der "Mordlust" erfüllt.

Der Haftbefehl gegen den Mediziner ist laut Staatsanwaltschaft von einem Ermittlungsrichter entsprechend erweitert worden. Der 40-Jährige hat sich laut Büchner bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert. Bereits nach der Verhaftung des Mannes im Sommer hieß es, es werde geprüft, ob es weitere mögliche Taten gebe. Auch jetzt dauert die Prüfung an, ob es Anhaltspunkte für weitere Taten gibt, hieß es von der Staatsanwaltschaft. Dafür sei bereits vor einigen Wochen eine eigene Ermittlungsgruppe eingerichtet worden.

Der Mediziner soll die Taten im Rahmen seiner Tätigkeit für einen Pflegedienst begangen haben. Die schwer kranken Patientinnen befanden sich der Staatsanwaltschaft zufolge zum Tatzeitpunkt nicht in einer akuten Sterbephase. Zunächst ging es um vier Fälle im Zeitraum von 11. Juni und 24. Juli 2024.

Für Ermittlungen weitere Leichen exhumiert

Im Rahmen weiterer Ermittlungen stießen die Polizei und Staatsanwaltschaft dann auf vier weitere Fälle, die Fragen aufwarfen. Um diese zu klären, erfolgte in zwei Fällen die Exhumierung der Leichen. Man spricht von einer Exhumierung, wenn das Grab eines Verstorbenen nach der Bestattung geöffnet und der Leichnam freigelegt wird.

Unter anderem aufgrund der Ergebnisse von gerichtsmedizinischen Untersuchungen geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass der Arzt auch für den Tod einer 70-Jährigen am 24. Juni 2022 in Berlin-Tempelhof verantwortlich ist. Dieser Patientin soll er ein Medikamenten-Gemisch verabreicht und anschließend ein Feuer gelegt haben, um die Tat zu vertuschen.

Im Januar 2024 soll er dann einem 70-Jährigen in Neukölln "ein tödliches Gemisch verschiedener Medikamente ohne medizinische Indikation hierfür verabreicht haben, um den Geschädigten zu töten", so die Staatsanwaltschaft. Am 4. April soll er in Schöneberg eine 61 Jahre alte Patientin auf die gleiche Weise in ihrer Wohnung getötet haben. Ende April soll der Arzt dann in einem Hospiz in Köpenick einen 83-Jährigen mit einem Medikamenten-Mix getötet haben. Von der Einrichtung hieß es, Beschäftigte hätten den Mediziner im Sommer in den Medienberichten über dessen Verhaftung erkannt. Die Polizei sei sofort informiert worden, teilte eine Sprecherin mit. "Seitdem arbeiten wir eng mit allen ermittelnden Behörden zusammen."

Pflegedienst zeigt sich erschüttert über Vorfälle

Ausgelöst wurden die Ermittlungen seinerzeit durch die Brände, die der Mediziner gelegt haben soll, um die Tötung der Patienten zu verdecken. Die Polizei ermittelte zunächst wegen Brandstiftung mit Todesfolge. Dabei geriet dann aber zunehmend der Arzt in den Fokus. Dazu beigetragen haben laut Staatsanwaltschaft Hinweise des Pflegedienstes, für den der Beschuldigte gearbeitet hat.

Mitarbeiter des Pflegedienstes hatten sich im Sommer nach Bekanntwerden der Vorwürfe zutiefst erschüttert gezeigt. Der gesamte Sachverhalt sei für sie unbegreiflich, teilte die Geschäftsführung Anfang August mit. Die vollständige Aufklärung habe Priorität, hieß es damals. "Wir kooperieren bestmöglich mit den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft."

Fälle nur schwer aufzudecken

Aus Sicht der Deutschen Stiftung Patientenschutz ist es in der ambulanten Pflege und Medizin schwierig, solche Fälle aufzudecken. "Denn Krankheit und Tod gehören zum Alltag", erklärte Stiftungsvorstand Eugen Brysch. "Täter frühzeitig am Muster zu erkennen, ist im mobilen Bereich sehr eingeschränkt möglich. Selbst Künstliche Intelligenz versagt, da es keine standardisierte Digitalisierung der Medikamentenabgabe und der Einsatzzeiten gibt", erklärte Brysch. Wichtig sei es, in allen Ländern Schwerpunktstaatsanwaltschaften und zentrale Ermittlungsgruppen für Delikte in Pflege und Medizin einzurichten.

In der Vergangenheit gab es immer wieder Todesfälle in Kliniken oder Pflegeeinrichtungen, die für Schlagzeilen sorgten. Im Jahr 2007 wurde eine ehemalige Krankenschwester der Berliner Charité wegen fünffachen Mordes an schwer kranken Patienten zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Frau brachte ihre Opfer mit Medikamenten um. Eine Mordserie in Niedersachsen dürfte die wohl größte der deutschen Nachkriegsgeschichte sein: Ex-Pfleger Niels Högel wurde 2019 wegen 85 Morden zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Motiv für die Taten blieb unklar. Es sei ihm um die "Gier nach Spannung" gegangen, so das Gericht damals. Zuvor war Högel bereits wegen weiterer Morde verurteilt worden.

Quelle: ntv.de, mdi/dpa

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