Artenschutz und Sexschaukeln COP16-Delegierte in Cali schlafen in Stundenhotels
30.10.2024, 16:12 Uhr Artikel anhören
Die diesjährige UN-Artenschutzkonferenz im kolumbianischen Cali ist die bisher größte ihrer Art.
(Foto: Getty Images)
Zur diesjährigen UN-Artenschutzkonferenz kommen deutlich mehr Vertreter als erwartet. Als Austragungsort platzt die kolumbianische Stadt Cali damit aus allen Nähten - in Windeseile sind alle Unterkünfte der Stadt ausgebucht. Die Behörden greifen zu einer ungewöhnlichen Lösung.
Staatschefs, Minister, Wissenschaftler und UN-Unterhändler - die kolumbianische Stadt Cali ist so voll wie selten. Auf der diesjährigen UN-Artenschutzkonferenz versuchen Delegierte aus aller Welt, das 2022 beschlossene Ziel der UN, 30 Prozent aller Land- und Wasserflächen unter Schutz zu stellen, in einen Fahrplan zu gießen. Mit 23.000 Delegierten ist die diesjährige UN-Artenschutzkonferenz die größte ihrer Art. Um den Ansturm zu bewältigen, greift die Stadt zu einer ungewöhnlichen Lösung.
Einige der Delegierten wurden in sogenannten Love Motels, also Stundenhotels, untergebracht, wie der "Guardian" und AFP berichten. Ursprünglich rechnete die Stadt mit 12.000 bis 15.000 Besuchern der COP16, sagte Bürgermeister Alejandro Eder. Als sich schließlich Tausende Menschen mehr registrierten, war die Stadt prompt zu 100 Prozent ausgebucht.
Sie sei eine Woche vor Beginn der Konferenz von den lokalen Behörden kontaktiert und um Hilfe gebeten worden, berichtete Diana Echeverry dem "Guardian". Die Hotelmanagerin betreibt das Stundenhotel "Deseos" (deutsch: Wünsche) in Cali. Echeverry willigte ein - musste allerdings ein paar Vorkehrungen treffen. So sind die Zimmer des "Deseos" auf kurzfristige Aufenthalte von Liebespaaren ausgelegt: Neben runden Betten, Sexschaukeln und Kamasutra-Liegen befinden sich in vielen Zimmern Tanzstangen und riesige Spiegel über dem Bett. Echeverry ließ die Sexschaukeln und Liegen aus einigen Räumen entfernen und Bettdecken sowie Kleiderbügel hinzufügen.
"Deseos" profitiert von Konferenz
Zudem werden die Zimmer eigentlich pro Stunde abgerechnet, die extravagantesten Räume stehen etwa mit 100.000 Pesos (rund 21 Euro) für vier Stunden auf der Preisliste. Für den Aufenthalt der Delegierten führte das Motel Tagespreise von 35 US-Dollar (rund 32 Euro) pro Nacht ein. Während Speisen und Getränke bisher durch ein Fach in der Tür gereicht wurden, gibt es für die Zeit der COP16 ein Frühstücksbuffet - mit Orangensaft, Kaffee, Obst, Eiern und kolumbianischem Brot, wie Echeverry berichtet. "Jeden Morgen sagt uns jeder von ihnen, wie er seine Eier haben möchte."
Ganz geschlossen ist das "Deseos" für seinen ursprünglichen Gebrauch allerdings nicht. Von den 40 Zimmern auf zwei Etagen stehe den Delegierten ein Flur zur Verfügung, sagte die Hotel-Managerin weiter. Die Trennung sei zudem notwendig, weil aus den anderen Zimmern "ständig" Lärm komme, wenn sie benutzt werden. Man wolle den Konferenzteilnehmerinnen und -teilnehmern "die beste Erholung" ermöglichen.
Mit ihren kurzfristigen Änderungen hilft Echeverry der Stadt, profitiert aber auch selbst von dem UN-Biodiversitätsgipfel. "Er hat dafür gesorgt, dass die Zimmer (der Delegierten) an diesen Tagen belegt sind und die übrigen Zimmer nun viel stärker rotieren, um die Nachfrage unserer üblichen Gäste zu decken", erklärte sie der Zeitung.
Geräumig, aber ohne Kleiderschrank
Insgesamt beherbergt das Motel den Berichten zufolge zwölf Delegierte aus Uganda, Nepal, Brasilien und Ecuador. Bei einigen von ihnen sorgt die Einrichtung durchaus für Verwunderung. "Ich weiß nicht, was das für einen Sinn haben soll", sagte der ugandische Vertreter Robert Baluku etwa mit Blick auf den Spiegel über seinem Bett. Es sei jedoch "sehr lustig", sich selbst beim Einschlafen zuzusehen. Aggrey Rwetsiba, ein weiterer Delegierter aus Uganda, sagte im Gespräche mit AFP zudem: "Ich habe noch nie ein Hotel gesehen, in dem jedes Zimmer einen Parkplatz hat, der jeweils umzäunt ist und über eine private Tür direkt in das Zimmer führt."
Gerade wegen der Geräumigkeit der Zimmer fühlen sich die Delegierten sehr wohl im "Deseos" und empfahlen dies sogar weiter, wie sie berichteten. Dennoch gebe es auch Eigenschaften, die für ihren Aufenthalt "nicht ideal" seien. So verfügen die Zimmer etwa über keinen Kleiderschrank, sodass sie ihre Hemden notgedrungen über die Duschwand hängen mussten und auch an Steckdosen mangelt es in den Räumen.
Wie viele andere Delegierte werden Baluku und Rwetsiba noch bis Freitag in Cali bleiben, dann endet die diesjährige UN-Artenschutzkonferenz. Zu Beginn des Gipfels warnte UN-Generalsekretär António Guterres, die Menschheit stecke angesichts der Zerstörung der Natur in einer Existenzkrise. Jeden Tag gingen mehr Arten verloren, jede Minute werde ein Müllwagen voller Plastikmüll in Ozeane, Flüsse und Seen gekippt. Gerade mit Blick auf die Bedeutung der Konferenz blicke er gelassen auf seine außergewöhnliche Unterkunft, sagte Baluku. "Auf solche Eventualitäten muss man vorbereitet sein. Die Welt verändert sich jeden Tag. Alles ist möglich."
Quelle: ntv.de, spl