Kostenlose Filme statt Reisen China bietet Gutscheine fürs Daheimbleiben
11.02.2021, 15:05 Uhr
Je weniger Chinesen während der Pandemie zu ihren Familien fahren, desto besser. Dafür werden sie mit Gutscheinen belohnt. Das Angebot zeigt bereits Wirkung.
(Foto: picture alliance / Xinhua News Agency)
Das chinesische Neujahrsfest steht an. Dafür reisen all jene, die fern der Heimat arbeiten, eigentlich zu ihren Familien. Um sie wegen der Corona-Pandemie davon abzuhalten, hat sich die Regierung etwas einfallen lassen: Sie bietet Daheimgebliebenen kostenlose Filme und Telefonate.
Neujahrsfest in der Heimat inklusive Corona-Test und Quarantäne oder zu Hause bleiben, belohnt mit einem Gutschein der Regierung? Vor dieser Entscheidung stehen dieses Jahr Hunderte Millionen Chinesen, die fern ihrer Familien in den Großstädten und Industriezonen arbeiten.
"Um nach Hause zu reisen, muss ich einen PCR-Test machen und mir eine Bescheinigung besorgen - das ist sehr lästig", sagt Hou Sibai. Er stammt aus einem Dorf in der Provinz Gansu und arbeitet als Lieferfahrer in Peking. 16 Stunden im Zug und eine weitere im Bus dauert die Reise zu Verwandten und Freunden.
Der Beginn des neuen Mondjahres ist normalerweise Anlass für die weltweit größte Reisewelle. Doch dieses Jahr setzt die Führung in Peking alles daran, dies zu verhindern und damit neuen Corona-Ausbrüchen vorzubeugen. Wer zu Hause bleibt, wird belohnt - zum Beispiel mit kostenlosen Telefonaten und Streaming-Angeboten. Allein in der Hauptstadt würden Gutscheine im Wert von etwa 40 Millionen Yuan (5,1 Millionen Euro) ausgegeben, berichten staatliche Medien.
80 Prozent weniger Bahn- und Flugbuchungen
Die Anreize scheinen zu wirken: Die Zahl der Bahn- und Flugreisen sei im Vergleich zum Vorjahr um 80 Prozent gesunken, gab die Stadtverwaltung in Peking bekannt. Die Bahnhöfe sind deutlich leerer als sonst zu dieser Jahreszeit. Viele Sitzplätze sind leer, und es gibt keine Warteschlangen an den Fahrkartenautomaten.
Derzeit gibt es offiziell keine neuen Corona-Fälle im Land. Das ermutigt manche, sich trotz allem auf den Weg zu machen. Die 50 Jahre alte Hausangestellte Li Xinjun ist unterwegs nach Hebei zu ihrem Sohn und seiner Familie. "Ich habe ihn so lange nicht gesehen", erzählt sie kurz vor der Abreise. "Meine Arbeitgeber arbeiten im Krankenhaus, und wegen der Epidemie haben sie letztes Jahr keinen Urlaub genommen, also bin ich auch nicht nach Hause gefahren."
Eine Durchsage am Bahnhof ermahnt die Reisenden, beim Betreten ihre Maske kurz abzunehmen, damit die Gesichtserkennung funktioniert. Liu Wenjing ist auf dem Weg in die Provinz Henan. Eigentlich würde sie lieber in Peking bleiben, doch ihre Eltern hätten sie zur Reise gedrängt. Vermutlich wollten sie ihr Heiratskandidaten vorstellen, sagt die 24-Jährige.
"Ich habe es nicht eilig zu heiraten, aber meine Eltern schon." Um Peking verlassen zu können, muss sie einen negativen Corona-Test vorweisen. Bei der Rückkehr muss sie sich erneut testen lassen und sich eventuell zu Hause isolieren.
Strengste Einreiseregeln in Peking
Die Infektionsschutz-Auflagen sind von Region zu Region unterschiedlich. In manchen Gegenden werden alle Besucher unter Quarantäne gestellt, andernorts darf überhaupt niemand einreisen. Mit am strengsten sind die Regeln in Peking. Wer in die Hauptstadt will, muss ein negatives Testergebnis vorweisen und sich nach 7 und 14 Tagen erneut testen lassen. Zudem ist eine zweiwöchige "Gesundheitsüberwachung" vorgesehen.
Diese Vorgaben fand der Lieferfahrer Hou so abschreckend, dass er wie viele seiner Kollegen darauf verzichtet, seine Familie zu besuchen. Schon vergangenes Jahr konnte er wegen der Pandemie das Neujahrsfest nicht mit seinen Verwandten in der Heimat verbringen.
Die Feier in Peking fällt bescheiden aus. Mit seiner Frau und seiner Tochter lebt er in einem Zimmer in einer Wohngemeinschaft im Nordosten Pekings. "Die Atmosphäre ist nicht so lebendig wie in meinem Dorf", bedauert er. "Aber wir werden sicher ein leckeres Essen für uns drei kochen!"
Quelle: ntv.de, Jing Xuan Teng und Beiyi Seow, AFP