Panorama

Drogen- und Kriminalitätshotspot Crack und Prostitution sind Alltag im Frankfurter Bahnhofsviertel

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Maria, die eigentlich anders heißt, gehört zu denen, die hier auf der Straße leben.

Maria, die eigentlich anders heißt, gehört zu denen, die hier auf der Straße leben.

(Foto: dpa)

Das Gebiet um den Frankfurter Bahnhof ist bekannt für Drogenhandel und hohe Kriminalitätsraten. Doch wie geht es denen, die dort auf der Straße leben?

Das Bahnhofsviertel in Frankfurt gilt als Problembezirk. Kriminalität, Drogendealer und offener Konsum prägen das Bild. Für Besucher und Anwohner gleichermaßen abschreckend. Für die, die auf den Straßen leben, ein täglicher Kampf: um den nächsten Kick, ein bisschen Würde und das Überleben.

In einer der Nebenstraßen sitzt am Abend kurz vor der Dämmerung eine Gruppe von fünf Bulgaren, zwei Frauen und drei Männer, vor einem zugesperrten Ladenlokal. Neben ihnen spritzt ein Ladenbesitzer seine Fensterfront mit stinkendem chemischen Reinigungsmittel ab. Die Gruppe stört das nicht. Sie alle sind seit zwei bis fünf Jahren in Deutschland. Hier sind sie dann irgendwie im Bahnhofsviertel gelandet - wie so viele.

Alle fünf sind arbeitslos, schlafen im Bahnhofsviertel auf der Straße. Da, wo sie gerade sitzen, auf der gegenüberliegenden Straßenseite, "egal, einfach irgendwo", sagt Sam (Name auf eigenen Wunsch geändert) und kauert sich zusammen, um seinen Schlafplatz zu simulieren. Sie alle sind schwer abhängig. "Crack", sagen mehrere gleichzeitig.

Drogen gebe es genug, aber ans Geld zu kommen, sei das Problem, schildert Maria (Name auf eigenen Wunsch geändert). "Wir brauchen rund um die Uhr Stoff, rund um die Uhr, alle 15 Minuten." Maria berichtet, dass sie sich prostituiert: 20 Euro würde sie mit einem Freier verdienen. Das reiche zumindest oft für einen Stein Crack. Michael kommt dazu. Er ist Mitte 30 und seit seinem 17. Lebensjahr drogenabhängig. "Methadon, Heroin, Crack", zählt er auf. Er findet, das Bahnhofsviertel ist in den vergangenen Jahren deutlich aggressiver geworden. "Vor allem jetzt, wo das mit dem Fentanyl so ist. Die Leute sind richtig kaputt vom Kopf her", sagt Michael. Das Menschliche sei "halt weg" bei vielen. "Die Leute, die stechen dich ab für 5 Euro."

Fentanyl mittlerweile in Frankfurt angekommen

Gleichzeitig entbrennt ein Streit zwischen Maria und einem anderen Abhängigen. Erst als Michael dazwischengeht, lassen die beiden voneinander ab. Wenige Meter entfernt boxt der abhängige Mann dann auf einen parkenden Transporter ein und wirft Bierflaschen in die Luft. Michael zuckt mit den Schultern.

Fentanyl ist die neue Problemdroge im Viertel. Das sehr starke Schmerzmittel ist nach Expertenangaben etwa 100-mal potenter als Morphium und 50-mal potenter als Heroin. Oft wird Fentanyl aus Schmerzpflastern herausgelöst, um es anschließend intravenös zu konsumieren. Im Bahnhofsviertel würde dagegen oft das ganze Pflaster geraucht, schildert Michael. Abhängige rauchten manchmal mehrere Fentanyl-Pflaster am Tag - der Straßenwert für eines liegt bei etwa 120 Euro, sagt er.

Fentanyl nimmt er selbst nicht, sagt Michael, aber "vom Crack komme ich wahrscheinlich nie los." Das sei die schlimmste Abhängigkeit, die er entwickelt habe. "Und ich bereue es heute noch, dass ich das unbedingt probieren wollte." Man verliert alles, betont er. "Am Anfang ist es dein Geld, dann deine Wertsachen, dann riskierst du deinen Job." Man mache vieles, um den nächsten Konsum finanzieren zu können. "Das habe ich bei Heroin nicht gemacht. Aber beim Crack dann", sagt er. Michael saß mehrere Jahre in Haft - eine Folge der Dinge, die er tat, um sich die nächste Pfeife Crack finanzieren zu können. "Räuberische Erpressung, schwere Körperverletzung".

Michael zündet sich einen Crack-Stein an - nur wenige Minuten später ist die Wirkung schon wieder verflogen. "Jetzt müsste ich eigentlich wieder einen rauchen, damit ich wieder diesen kurzen Kick habe." 250 bis 300 Euro kostet sein Konsum am Tag, sagt er. Nach Angaben der Stadt halten sich etwa 200 bis 250 Schwerstabhängige regelmäßig oder dauerhaft im Viertel auf. "Wobei es nicht immer dieselben Menschen sind", heißt es. In der Szene herrsche eine rege Fluktuation, die Gesamtzahl aber bleibt in etwa konstant. Demnach starben im vergangenen Jahr in Frankfurt 20 Menschen in Zusammenhang mit ihrer Suchterkrankung.

Kriminalität sank im vergangenen Jahr

Die Polizei setzt seit geraumer Zeit auf stärkere Präsenz im Problemviertel. Sie will vor allem gegen die Dealer-Strukturen vorgehen. Gezielte Aktionen gegen Drogenhändler seien ein wesentlicher Teil des strategischen Ansatzes der Polizei im Bahnhofsviertel, heißt es vom Innenministerium. Laut diesem gab es seit Februar 2024 im Frankfurter Bahnhofsviertel 36 Großkontrollen. Dabei wurden 5131 Personen kontrolliert und 739 Strafanzeigen gefertigt, hieß es. Demnach gab es 2023 mit mehr als 10.000 Straftaten einen Kriminalitätshöchststand im Gebiet. Im vergangenen Jahr sank die Zahl dann um 740 Fälle auf 9871 Straftaten (minus sieben Prozent).

Auf der anderen Seite soll allerdings auch jegliche Bildung offener Drogenszenen im öffentlichen Raum unterbunden werden. Bereits jetzt seien "weitere gezielte Aktionen und Maßnahmen in der Vorbereitung, um das Bahnhofsgebiet insbesondere für Rauschgiftdealer so unattraktiv wie möglich zu machen", teilte das Ministerium mit.

Als Kriminalitätsschwerpunkte gelten demnach unter anderem das Kaisertor, die Münchner Straße, die Taunusstraße sowie das gesamte Bahnhofsgebiet, wo die Polizei Drogenhandel, Eigentumsdelikte und Raubstraftaten registrierte. Die Stadt hat nach eigenen Angaben das Ziel, die Menschen, "die sich auf den Straßen aufhalten, Crack rauchen oder sonstige Substanzen offen konsumieren, zu mobilisieren und in die Hilfeeinrichtungen zu lenken". Bis Ende des Jahres etwa werden die Plätze im Drogenkonsumraum Niddastraße von aktuell vier auf bis zu 20 erhöht.

Quelle: ntv.de, Lukas Fortkord, dpa

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