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Erklärung zum Nachfolger Dalai Lama bietet China die Stirn

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Der Dalai Lama beim Verlesen seiner Videobotschaft.

Der Dalai Lama beim Verlesen seiner Videobotschaft.

(Foto: AP)

Der Dalai Lama äußert sich kurz vor seinem 90. Geburtstag zu einem möglichen Nachfolger. Wie kommt es zu diesem Statement und was bedeuten seine Äußerungen?

Der Dalai Lama äußert sich kurz vor seinem 90. Geburtstag zu einem möglichen Nachfolger. In einer Videobotschaft wendet er sich an eine religiöse Konferenz. Die Aussagen wurden mit Spannung erwartet und stellen Weichen bis weit in die Zukunft.

Kommt die Erklärung des Dalai Lama zu seiner Nachfolge überraschend?

Nein, schon 2011 hatte er angekündigt, dass er, wenn er 90 Jahre alt werden würde, weitere Anweisungen für seine Nachfolge geben will.

Wie üblich sind solche Aussagen zu einem Nachfolger?

Auch andere Dalai Lamas haben Hinweise darauf hinterlassen, wo ihre Wiedergeburten zu suchen sind. Trotzdem ist das Statement ungewöhnlich. Denn diesmal bestand die Möglichkeit, dass der Dalai Lama das Ende seiner Institution bekannt gibt.

Was hätte das bedeutet?

Dann wäre der 14. Dalai Lama der letzte gewesen. Es hätte nach seinem Tod keine Suche nach einem nächsten Dalai Lama begonnen. Und es wäre vor allem für China schwierig gewesen, seine eigene Wiedergeburt zu präsentieren.

Was genau hat der Dalai Lama nun zu seiner Wiedergeburt gesagt?

Zunächst einmal beendete er die jahrelangen Spekulationen, dass er die letzte Person sein könnte, die dieses Amt bekleidet. Die jahrhundertealte tibetisch-buddhistische Institution des Dalai Lama wird nach seinem Tod weiterbestehen. Die nächste wichtige Aussage besteht darin, dass der nächste Dalai Lama gemäß den alten buddhistischen Traditionen gefunden und anerkannt werden soll.

Was heißt das?

Im Wesentlichen geht es darum, die Person, in der der Dalai Lama wiedergeboren wird, durch Prophezeiungen, Weissagungen und religiöse Rituale zu identifizieren. Die Hoheit über diesen Prozess soll ausschließlich bei seiner Stiftung Gaden Phodrang Foundation liegen. Diese Vorgabe steht im Widerspruch zu der von China bevorzugten Praxis, den Namen des nächsten Dalai Lama in einem Losverfahren mithilfe der "Goldenen Urne" zu bestimmen.

Warum will China den nächsten Dalai Lama bestimmen?

China will so seine Kontrolle über Tibet, dass es als Teil Chinas ansieht, und den tibetischen Buddhismus stärken. Die chinesische Führung betrachtet den Dalai Lama als "Staatsfeind" und "Separatisten", der unter dem Deckmantel der Religion gegen die chinesische Herrschaft arbeitet. Durch die Ernennung eines eigenen, regierungstreuen Dalai Lama will Peking sicherstellen, dass das spirituelle und kulturelle Erbe Tibets unter seiner Kontrolle bleibt und nicht als Symbol für Unabhängigkeitsbestrebungen oder Widerstand dient.

Ist das nun ausgeschlossen?

Nein, ganz im Gegenteil. In einer ersten Reaktion pochte China auf seine Entscheidungsbefugnis in dieser Frage. "Die Reinkarnation großer buddhistischer Persönlichkeiten wie des Dalai Lama und des Panchen Lama muss durch Losziehung aus der Goldenen Urne bestimmt und anschließend von der Zentralregierung genehmigt werden", sagte Außenamtssprecherin Mao Ning als Reaktion auf die Ankündigung des Dalai Lama. Daraus ergibt sich die Gefahr, dass es irgendwann zwei Dalai Lamas geben könnte, einen von China und einen von den meisten Tibeterinnen und Tibetern akzeptierten.

Warum gibt es diese Befürchtung?

China hat bereits die Auswahl der Wiedergeburt des Panchen Lama durch den Dalai Lama nicht anerkannt. 1995 hatte dieser Gedhun Choekyi Nyima ausgewählt, der daraufhin verschwand und durch einen Kandidaten ersetzt wurde, dessen Name aus einer "Goldenen Urne" gezogen wurde und der aus einer regimetreuen Familie stammt. Der Dalai Lama hat zu seinem Nachfolger bereits bei früherer Gelegenheit gesagt, er werde in der "freien Welt" geboren werden, das heißt außerhalb Chinas. Das wird China nicht akzeptieren.

Sind jetzt noch weitere Informationen zum Nachfolger des Dalai Lama zu erwarten?

Vermutlich nicht. Über die Reinkarnation wird eigentlich erst gesprochen, wenn der Lama verstorben ist. Dass dies jetzt überhaupt diskutiert werde, liege an der chinesischen Einmischung, sagte ein hoher tibetischer Würdenträger der Nachrichtenagentur Reuters. "Der Reinkarnationsprozess Seiner Heiligkeit wird hauptsächlich vom Gaden Phodrang Institut, dem Institut Seiner Heiligkeit, und den Hohen Lamas der vier tibetischen Schulen durchgeführt", so Thupten Ngodup. Sie würden die entsprechenden Diskussionen führen und schließlich über die Reinkarnation entscheiden. Experten gehen davon aus, dass schließlich ein Kind der tibetischen Gemeinschaft in Indien als Wiedergeburt anerkannt werden könnte. Der Dalai Lama selbst lebt seit seiner Flucht 1959 als staatenloser Tibeter im Exil in Indien. Es liegt in der Natur des Findungsprozesses des nächsten Dalai Lama, dass es nach dem Tod des jetzigen eine Zeit lang keinen geben wird und der Nachfolger dann auch zunächst ein Kind ist und eine Ausbildung durchlaufen muss.

Wie war das beim jetzigen Dalai Lama?

Der 13. Dalai Lama war 1933 gestorben, der jetzige 14. Dalai Lama wurde 1935 geboren, 1937 als Reinkarnation anerkannt und 1940 als Dalai Lama inthronisiert.

Quelle: ntv.de

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