Kult und Kriminalität Der Aufstieg der "Black Axe"-Bruderschaft


Zwölf Angeklagte der Gruppe stehen jetzt in München vor Gericht.
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In München stehen zwölf Mitglieder der nigerianischen Mafia vor Gericht. Der Prozess zeigt die kriminellen Machenschaften der "Black Axe"-Bruderschaft in Deutschland, die nicht nur hierzulande lange unterschätzt wurde.
Bei Mafia denken viele an Italien, es fallen Begriffe wie Camorra und N'drangheta. Auf mafiöse Strukturen hat das Land aber kein Monopol. In den vergangenen Jahren gingen deutsche Sicherheitsbehörden mehrfach gegen die "Black Axe"-Bruderschaft vor. Dahinter verbirgt sich die nigerianische Mafia, die inzwischen weltweit ihren kriminellen Aktivitäten nachgeht und vermutlich lange unterschätzt wurde.
Ursprünglich als Studentenvereinigung in Nigeria gegründet, war die Bruderschaft zunächst Teil der pan-afrikanischen Bewegung, die sich in den 1970er Jahren gegen Kolonialismus und Unterdrückung formierte. Aus dieser Zeit stammt auch noch das Symbol der Axt, die die Ketten des Kolonialismus zerschlägt.
Im Laufe der Zeit wandelte sich die Bruderschaft jedoch zu einer gewalttätigen und kriminellen Organisation, die weltweit agiert. Kriminalitätsexperten gehen von mindestens 30.000 Mitgliedern aus. Sie haben sich spezialisiert auf Identitätsdiebstahl, Online-Betrug, Finanzmanipulation und den grenzüberschreitenden Transfer illegaler Gelder.
Brutale Initiation
Das Erfolgsrezept der Organisation ist ihr hohes Gewaltpotenzial, gepaart mit einer komplexen Struktur. Neue Mitglieder durchlaufen brutale Initiationsriten, die vor allem bei jungen und leicht zu manipulierenden Menschen das Gefühl von Zugehörigkeit und Verbundenheit erzeugen. Eine BBC-Recherche zeigte bereits 2021, dass auch Mitglieder, die zwangsrekrutiert wurden, loyal zu Black Axe stehen - gefestigt durch das spirituelle Band des Initiationsprozesses.
Die Rituale finden meist nachts und an abgelegenen Orten statt, sie sind geprägt von körperlicher Misshandlung und Demütigung. Die Transformation zum "Axtmann" wird mit dem Trinken von Blut, neuer Kleidung und dem Annehmen eines neuen Namens besiegelt. Viele Elemente orientieren sich an traditionellen afrikanischen Religionen. Mitglieder schwören Geheimhaltung, wer abtrünnig wird, riskiert sein Leben.
Obwohl die Organisation sich seit Jahren international aufstellt, blieb das den Sicherheitsbehörden lange verborgen. Die BBC konnte Unterlagen einsehen, die zeigen, wie geografische Gebiete in Zonen eingeteilt wurden, für die lokale Leiter ernannt wurden. Diese Zonenleiter erheben "Mitgliedsbeiträge" von Menschen in ihrem Zuständigkeitsbereich und überweisen das Geld anschließend an die Verantwortlichen in Nigeria.
Interpol geht davon aus, dass Black Axe heute einer der führenden kriminellen Akteure beim weltweiten Cyber-Finanzbetrug ist. Aus dem Geschäftsmodell der Spam-Mails, bei denen ein fiktiver nigerianischer Prinz Geld benötigt, um auf sein Erbe zuzugreifen, wurde seit Anfang der 1990er Jahre ein globales Geldwäsche- und Betrugsnetzwerk, das auch Schutzgelder erpresst sowie im Menschen- und Drogenhandel aktiv ist. Das Africa Center für Strategic Studies des US-Verteidigungsministeriums schätzte die jährlichen Einnahmen der Gruppe im Oktober 2024 auf mehr als fünf Milliarden US-Dollar.
Aufwachen in Deutschland
Der bislang schwerste Schlag gegen die "Black Axe"-Bruderschaft in Deutschland gelang den Behörden im April 2024, als in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg großangelegte Durchsuchungen stattfanden. Dabei wurden elf Männer im Alter von 29 bis 53 Jahren festgenommen, außerdem wurden zahlreiche Beweismittel wie Datenträger und Mobiltelefone sichergestellt.
Den Festnahmen waren Ermittlungen des Bundesnachrichtendienstes und des bayrischen Landeskriminalamtes vorausgegangen. Demnach hatte es in Bayern 2023 mehr als 450 Fälle von Love Scamming gegeben. Betrüger gaukelten unter Vortäuschung anderer Identitäten beispielsweise Heiratsabsichten vor und forderten unter verschiedenen Vorwänden immer wieder Geld. "Schließlich wird dieses Geld über Finanzagenten auf verschiedenen Wegen, unter Einbehalt von Provisionen, nach Nigeria transferiert", so die Staatsanwaltschaft München I.

Bei den Festnahmen wurden auch die namensgebenden Äxte der Gruppe gefunden.
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Die Ermittlungen deckten zudem auf, dass "Black Axe" in Deutschland teils über den eingetragenen Verein "Neo Black Movement of Africa" operierte. Vordergründig verfolgte der Verein karitative Zwecke, diente aber tatsächlich als Tarnung. Die Aktivitäten gingen vermutlich bis in die 1990er und 2000er Jahre zurück.
Das bayrische LKA kam danach zu der Einschätzung, dass in Deutschland vermutlich schätzungsweise eine dreistellige Anzahl an Black Axe-Mitgliedern agieren. Die Mitglieder in der Führungsriege heißen laut LKA "Head", also Kopf, "National Chief Priest", Nationaler Chef-Priester oder "National Butcher". Der "Nationalschlachter" ist den Angaben zufolge fürs Grobe zuständig, wie die Sanktionierung von Mitgliedern, die gegen die Regeln der Mafia verstoßen.
In München stehen nun zwölf mutmaßliche Mitglieder vor Gericht, darunter ist nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft der mutmaßliche Deutschland-Chef der Vereinigung. In dem Münchner Prozess geht es um Dutzende Fälle. Rund 235.000 Euro soll allein eine Frau, die mit einer angeblichen Liebesbeziehung getäuscht wurde, gezahlt haben. Die Anklage wirft den Männern im Alter zwischen 33 und 54 Jahren die Bildung krimineller Organisationen vor.
In der Anklage geht es auch um Fälle von Geldwäsche und sexueller Ausbeutung. Nahezu alle Angeklagten schwiegen zu Prozessbeginn, einer ließ die Vorwürfe über seine Anwälte bestreiten. Der Prozess soll voraussichtlich bis kurz vor Weihnachten dauern. Das Urteil könnte demnach am 19. Dezember fallen.
Quelle: ntv.de