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"Hinterher ist man immer klüger" Döpfner äußert sich zu Reichelts Rauswurf

Reichelt habe ihm gegenüber gelogen, sagt Springer-Chef Döpfner.

Reichelt habe ihm gegenüber gelogen, sagt Springer-Chef Döpfner.

(Foto: picture alliance/dpa)

Warum musste Julian Reichelt den "Bild"-Chefposten nicht schon früher räumen? Eine Kritik, der sich Springer-Chef Mathias Döpfner nun ausgesetzt sieht. In einem siebenminütigen Video verteidigt er das Konzernvorgehen. So soll eine Diffamierungskampagne gegen Reichelt eine Rolle gespielt haben.

Nach dem Rauswurf des ehemaligen "Bild"-Chefredakteurs Julian Reichelt hat sich der Vorstandsvorsitzende des Medienkonzerns Axel Springer, Mathias Döpfner, per Videobotschaft an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerichtet. Er möchte darin nach eigenen Angaben transparent machen, was Springer von dem Fall Reichelt wusste und wie sich der Verlag positioniert.

Hat Reichelt Abhängigkeitsverhältnisse missbraucht, indem er Beziehungen mit teils sehr jungen Mitarbeiterinnen einging? Neben eines toxischen Führungsstils wurde dieser Vorwurf gegen den "Bild"-Chef bereits im Frühjahr laut. Vier Fälle angeblicher Beziehungen zwischen Reichelt und "Bild"-Mitarbeiterinnen hatte es laut Döpfner zu Beginn gegeben. Durch das private Verhältnis sollen sich berufliche Vorteile für die Frauen aufgetan haben. Die damaligen Anschuldigungen waren demnach von ehemaligen Mitarbeitern von "Bild" geäußert worden. "Im Hintergrund wirkten Männer, die erkennbar das Vorgehen organisierten", sagt Döpfner. Ihr Motiv sei klar gewesen, sie hätten Reichelt von seinen Posten verdrängen wollen. "Dabei wurde ein sehr drohender, teilweise fast erpresserischer Ton angeschlagen.

Deswegen habe Springer daraufhin die Rechtsanwaltskanzlei Freshfields beauftragt, um die Vorwürfe zu untersuchen. Diese konnte laut Döpfner eine einvernehmliche Beziehung zwischen einer "Bild"-Mitarbeiterin und Reichelt nachweisen. Trotz dieses Fehlers sollte Reichelt "eine zweite Chance bekommen", sagt Döpfner weiter. Nach zwölf Tagen Freistellung war Reichelt wieder zurück auf seinem Posten, allerdings in Doppelspitze mit Alexandra Würzbach.

Die jüngsten Berichte der "New York Times" und die Recherchen des Investigativ-Teams der Verlagsgruppe Ippen zeigen hingegen nichts von einer geänderten Arbeitskultur. Ganz im Gegenteil; zum Fall Reichelt wurden weitere Details zu Machtmissbrauch, Mobbing und Affären mit Mitarbeiterinnen veröffentlicht. Kurz darauf verlor Reichelt seinen Posten. Der späte Rauswurf wird dem Springer-Verlag allerdings angekreidet. Der Autor des "New York Times"-Berichts, Ben Smith, sagte gegenüber der "Zeit", ein US-amerikanischer Manager wäre schon wegen fünf Prozent der bekannten Vorwürfe sofort gefeuert worden. Und wirklich Neues habe in seiner Veröffentlichung nicht gesteckt, vieles hätten die Juristen von Axel Springer schon gewusst. "Sie hatten die Informationen bereits aus einer internen Untersuchung", erklärte Smith.

Zwei Zeugenaussagen hätten zu Reichelts Entlassung geführt

Döpfner streitet in dem knapp sieben Minuten langen Video jedoch ab, Details von den in der "New York Times" zitierten Protokollen von "Freshfields", die Reichelts Verfehlungen belegen, zu kennen. Diese hätte Döpfner und der Konzern nicht einsehen dürfen, "weil das aus persönlichkeitsschutzrechtlichen Gründen nicht zulässig war." Döpfner erklärt, intern habe ein anderer Stein die Entlassung von Reichelt ins Rollen gebracht. Döpfner zufolge habe der Vorstand erst am Montag "zwei sehr glaubwürdige Zeugenberichte bekommen", die eine aktuelle Beziehung zwischen Reichelt und einer "Bild"-Mitarbeiterin bestätigten. Mit diesen Zeugenaussagen konfrontiert habe Reichelt die Beziehung nach anfänglichem Leugnen eingeräumt. "Damit war klar: Erstens, er hat aus den Fällen von damals nichts gelernt. Zweitens, er hat uns nicht die Wahrheit gesagt. Und damit war klar, wir mussten sofort handeln", sagt Döpfner im Video.

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Der Springer-Chef greift die Kritik zum spätem Rauswurf auf und erklärt: "Hinterher ist man immer klüger und es muss im Rechtsstaat das Prinzip der Unschuldsvermutung gelten. Trotzdem ist das alles sehr schlimm." Dabei betont er, dass es sich nicht um ein Kulturproblem des ganzen Springer-Verlags handele. "Es gibt dieses Problem bei 'Bild'". Deswegen müsse sehr schnell noch viel grundlegender an der Modernisierung und Veränderung unserer Kultur im Sinne von Respekt gearbeitet werden. Das gelte nicht für die große Mehrheit der Mitarbeiter; in den meisten Unternehmen des Konzerns herrsche eine vorbildliche Kultur.

In der "New York Times" erscheint auch der Springer-Chef wegen einer älteren Chat-Nachricht an den Schriftsteller und ehemaligen "Welt"-Autoren Benjamin von Stuckrad-Barre in keinem guten Licht. Darin hat Döpfner Reichelt als den letzten und einzigen Journalisten in Deutschland bezeichnet, der noch mutig gegen den "neuen DDR-Obrigkeitsstaat" aufbegehre. Dazu sagte Döpfner in der Videobotschaft unter anderem: "Eine private SMS ist kein Tweet, ist kein Post, ist keine öffentliche Rede. Und wenn man in einer privaten Unterhaltung aus dem Zusammenhang gerissen etwas zitiert, dann unterschlägt man Polemik, Ironie, Übertreibung." Er lege Wert darauf, dass das privat sei und nicht wie ein Zitat behandelt werde. "Das ist doch eine Grenzüberschreitung", sagte der Springer-Chef.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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