Panorama

DDR und Propaganda-Assistenten Mathias Döpfner sollte schnell für Klarheit sorgen

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Mathias Döpfner ist nicht nur Vorstandsvorsitzender von Springer, sondern seit 2016 auch Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Zeitungsverleger.

(Foto: imago images / Future Image)

Dass der Springer-Chef plötzlich zum Anti-Demokraten mutiert ist, steht nicht zu befürchten. Doch seine Chat-Nachrichten lassen die Öffentlichkeit etwas ratlos zurück. Umso wichtiger ist es, dass Döpfner die Irritationen schnell auflöst.

Es war "nur" ein privater Chat. Dass darin unter Umständen Worte fallen, die bei einer Gala des Verbandes der Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) nicht fallen würden, ist nicht der Rede wert. Doch wie es manchmal so ist: Das Private wird zuweilen auch politisch. Angebracht wäre es da gewesen, wenn sich Springer-Chef Mathias Döpfner schnell und eindeutig erklärt hätte. Stattdessen schweigt er. Und der BDZV, der Döpfner vor einem Jahr mit einer Erich Honecker vor Neid hätte erblassen lassenden Quote von 100 Prozent als Verbandspräsident bestätigt hat, schweigt auch. Eigentlich schweigen alle.

Das ist bemerkenswert, denn die nun publik gewordene, mutmaßliche Sichtweise auf den Zustand, vielleicht auch nur ironische Kommentierung des Zustands unseres Landes und auf das Agieren der hiesigen Presse ist mindestens so erklärungsbedürftig, wie das Theater um Julian Reichelt. Während sich die Öffentlichkeit darüber empört, dass der soeben gefeuerte "Bild"-Chef Reichelt seinen Geliebten in nächtlichen Chat-Nachrichten gesteht "Ich will deinen Körper spüren", gesteht der wichtigste und mächtigste Verleger des Landes in seinen Chat-Nachrichten, dass er Deutschland für totalitär und die Presse für Marionetten des Staates hält.

"Alle anderen sind Propaganda-Assistenten geworden"

Ins Rollen gebracht hatte die ganze Sache der Artikel der "New York Times" über Döpfner, Reichelt und die Unternehmenskultur im Hause Springer. In einer dort zitierten Nachricht an seinen Freund, den Schriftsteller und ehemaligen "Welt"-Autoren Benjamin von Stuckrad-Barre, lobt Döpfner einen offenbar am gleichen Tag erschienenen "Bild"-Kommentar von Julian Reichelt, in welchem er die Corona-Maßnahmen als willkürlich kritisiert. Über seinen "Bild"-Chefredakteur schreibt Döpfner: "Er ist halt wirklich der letzte und einzige Journalist in Deutschland, der noch mutig gegen den neuen DDR-Obrigkeitsstaat aufbegehrt." Fast alle anderen seien zu "Propaganda-Assistenten geworden".

Nicht missverstehen. Kritik ist nicht nur erlaubt, sondern erwünscht. Ob an der Finanz-, der Flüchtlings-, der Energie- oder der Corona-Politik. Das ist ja der Witz unseres freien, pluralistischen Landes. Hier darf jeder im Rahmen des rechtlich Zulässigen sagen, was er denkt. Zeitungen dürfen schreiben, was sie wollen. Sie können sich an dem mühsamen Sachverhalt abarbeiten, dass es schwarz und weiß, wahr und falsch in dieser Absolutheit oft nicht gibt. Und Medien dürfen und sollen auf vielfältigste Weise am Meinungsbildungsprozess der Leserinnen und Leser teilhaben und sich beteiligen an der Suche nach dem besseren Argument. Ob die "Bild"-Zeitung mit ihrer Art der selektiven Berichterstattung und gewagten Zuspitzung dazu immer einen angemessenen Beitrag leistet, sei dahingestellt.

Döpfner selbst spricht von einer "Grenzüberschreitung"

Problematisch wird es, wenn Kritik ins Schwurbeln abdriftet. Parallelen zur DDR-Staatsverfassung und ein Schwadronieren über vom System gesteuerte Mainstream-Medien verbieten sich da. Vor allem, wenn man nicht nur dem Springer-Verlag, sondern auch noch dem Presse-Verband vorsteht.

Da reicht es nicht, wenn Mathias Döpfner nun in einer Botschaft an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Zitaten spricht, die "aus dem Zusammenhang gerissen" worden seien und er einräumt, "manches Unsinnige in privaten Unterhaltungen zu sagen oder zu schreiben". Und es reicht nicht, wenn Springers Pressestelle mitteilt, Döpfner halte die Bundesrepublik "selbstverständlich nicht für vergleichbar mit der DDR. Das wäre komplett absurd und sollte für jeden offenkundig sein, der den publizistischen Äußerungen von Döpfner folgt". Zudem gebe es "in privaten Dialogen Mittel der Ironie und bewussten Übertreibung". Ohne Kontext sei eine Bewertung des gemeinten Sinns überhaupt nicht möglich. "Und drittens - und das ist ein Grundsatzthema - sollten private, bilateral ausgetauschte Nachrichten anders als z.B. öffentliche Tweets keinesfalls als quasi-öffentliche Statements interpretiert werden, für die sich der Absender rechtfertigen muss." Döpfner selbst spricht von einer "Grenzüberschreitung".

Da haben Mathias Döpfner und die Springer-Pressestelle grundsätzlich Recht - auch wenn der "Bild"-Kenner beim letzten Argument verwundert schmunzelt. In diesem Falle wäre aber auch keine Rechtfertigung, sondern eine Richtigstellung nötig.

Mathias Döpfner sollte dem BDZV, den vielen Journalistinnen und Journalisten, den Springer-Partnern und der gesamten Öffentlichkeit kurz und knapp mitteilen, dass er natürlich zu Deutschland, seinem Rechtssystem, seinen parlamentarischen Gepflogenheiten und zur freien Presse steht. Auch wenn manchen die Sicht von Döpfner in einzelnen, vielleicht in vielen Sachfragen nicht gefallen mag, besteht an seiner demokratischen Grundhaltung ja kein Zweifel. Daher wäre öffentlich geäußerte Klarheit ein leichtes Mittel, um alle Irritationen auszuräumen.

Quelle: ntv.de

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