Panorama

Versuchter Mord am eigenen Kind?Eltern machen Sexspiele statt Arztbesuch

30.11.2017, 06:11 Uhr
imageVon Diana Sierpinski
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War es versuchter Mord durch Unterlassen? Im Landgericht Regensburg soll heute das Urteil gesprochen werden. (Foto: dpa)

Eine Frau will das Diebesgut ihres Mannes verbrennen, dabei erleidet ihr fünfjähriger Sohn lebensgefährliche Verletzungen. Doch anstatt ihn zum Arzt zu fahren, widmen sich die Eltern lieber ihren Sexspielen. Erst vier Tage später endet sein Martyrium.

Es ist ein warmer Spätsommertag. Die Sonne hat sich bereits gesenkt an jenem letzten Freitag im September 2016, als eine Frau im bayerischen Waldmünchen beschließt, im Garten Diebesgut ihres Mannes zu verbrennen. Dabei entzündet sich der Benzinkanister in der Hand der 37-Jährigen. In Panik schleudert die fünffache Mutter den brennenden Behälter von sich. Der Treibstoff spritzt unkontrolliert umher und trifft ihren Sohn, dessen Körper sofort zu brennen beginnt. Bis dahin wäre es wohl ein tragischer Unfall gewesen.

Nun aber stehen die Eltern vor dem Landgericht Regensburg - angeklagt wegen versuchten Mordes durch Unterlassen an ihrem eigenen Kind. Der Staatsanwaltschaft zufolge überließen sie den Jungen mit seinen schweren Brandverletzungen sich selbst und beschäftigten sich stattdessen mit Sexspielen. Sie brachten ihn tagelang nicht zum Arzt, obwohl sich sein Gesundheitszustand von Tag zu Tag verschlechterte. In der Anklage ist von eitrigen Wunden und Verkrustungen die Rede. Er soll gelitten, geschrien und geweint haben, sagen seine Geschwister später der Polizei.

Erst als eine Tankstellenpächterin auf den im Auto seiner Eltern sitzenden Jungen aufmerksam wird, endet sein tagelanges Martyrium. "Er war apathisch. Er zitterte, wimmerte etwas und reagierte nicht", beschreibt die Jugendamtsangestellte den Zustand des Fünfjährigen. Er wird danach mehrfach operiert. Trotzdem bleiben Nervenschädigungen, Narben und psychische Schäden zurück. Noch heute leide der Junge unter den traumatischen Folgen der Brandverletzungen, sagt Oberstaatsanwältin Ulrike Klein.

Sexspiele, Hundekot, Drogenfahrten

Dass das Leben bereits vor dem Unglück für den Fünfjährigen und seine vier Geschwister alles andere als leicht war, schildert eine Kriminalbeamtin vor Gericht. Sie spricht von schockierenden Bedingungen, unter denen die Kinder im Alter zwischen drei und zwölf Jahren aufwuchsen. Die Wohnung sei vermüllt, ein Raum voll mit Hundekot gewesen. In den Betten der Kinder fehlten die Matratzen, die Hygiene sei mangelhaft gewesen. Ihre Mahlzeiten hätten sich die Geschwister selbst machen müssen. Spielsachen habe es so gut wie nicht gegeben, dafür lag in der Küche Sex-Spielzeug herum. Zudem hätten die arbeitslosen Eltern ihre Kinder zu Diebstählen angestiftet und sie zu Drogenfahrten ins benachbarte Tschechien mitgenommen.

Immer wieder sollen die Angeklagten vor den Kindern Sex gehabt haben. Selbst als der schwer verletzte Junge vor Schmerzen wimmert, sucht das Paar laut Anklage im Internet nach Partnern für Sexspiele. "Meine Eltern haben so viele Kinder, weil sie dafür Kindergeld bekommen", gibt ein Bruder des Opfers zu Protokoll. Seine Mutter beschreibt er als emotionslos. Laut Verteidigung leidet die Mutter an einer Krankheit aus dem Bereich der Schizophrenie. Dies sei der Grund gewesen, weshalb sie keine Hilfe geholt habe.

Die Staatsanwaltschaft forderte am Mittwoch in ihrem Plädoyer für die angeklagte Frau eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Wie Thomas Polnik, Pressesprecher des Landgerichts in Regensburg, n-tv.de bestätigte, sieht der Staatsanwalt bei der Angeklagten Misshandlung eines Schutzbefohlenen durch Unterlassung sowie schwere Körperverletzung durch Unterlassung als erwiesen an, der Vorwurf des versuchten Mordes wegen Unterlassens wurde dagegen nicht aufrechterhalten.

Im Schlussantrag für den Vater des Jungen forderte die Anklage demnach eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten. Die Verteidigung hatte die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft bereits während des Prozesses als "etwas zu hoch aufgehängt" bezeichnet. Beide Verteidiger forderten in den Plädoyers eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten.

Quelle: mit dpa

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