Vorwürfe falsch eingeschätztEssener Bischof räumt Fehler im Fall Hengsbach ein

Er konnte die Missbrauchsvorwürfe gegen Kardinal Hengsbach nicht glauben, schreibt Essens Bischof Overbeck in einem Gemeindebrief. Daher blieb er untätig. Nun entschuldigt er sich und räumt Fehler im Umgang ein. Über persönliche Konsequenzen denkt er offenbar nicht nach.
Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck hat die Gemeinden des Ruhrbistums um Entschuldigung für Fehler im Umgang mit Vorwürfen gegen Kardinal Franz Hengsbach gebeten. Mögliche persönliche Konsequenzen plant er aber nicht. Er habe bereits 2011 von einem ersten Missbrauchsvorwurf gegen Hengsbach erfahren, schrieb er in einem Brief an die Gemeinden. Da er von der Kongregation für Glaubenslehre in Rom die Rückmeldung bekommen habe, dass die Vorwürfe nicht plausibel seien, habe er danach aber nichts weiter unternommen.
"Im Ergebnis muss ich nun eingestehen, dass die Vorwürfe im Jahr 2011 falsch eingeschätzt wurden und den Betroffenen Unrecht geschehen ist", schreibt Overbeck. Er habe auch das Forschungsteam für die Anfang dieses Jahres veröffentlichte Missbrauchsstudie zum Bistum Essen nicht über den Vorwurf gegen den 1991 gestorbenen Kardinal informiert. Dasselbe gelte für die 2011 zuständige Missbrauchsbeauftragte des Bistums. Deshalb habe diese eine Anfrage einer Behörde in einer Versorgungsangelegenheit, ob dem Bistum Missbrauchsvorwürfe gegen Hengsbach bekannt seien, auch verneint. Overbeck sagte, er habe die damalige Bewertung der Missbrauchsvorwürfe nicht infrage gestellt. Das sei ein Fehler gewesen. Er habe damals nicht glauben können, dass ein geschätzter Kardinal Menschen furchtbares Leid zugefügt haben könnte.
Künftig müsse die Perspektive der von sexueller Gewalt betroffenen Menschen im Mittelpunkt stehen. Er werde den ganzen Vorgang unabhängig aufarbeiten lassen und suche dazu unter anderem den Kontakt zum Münchener Institut für Praxisforschung und Projektberatung, das die Essener Missbrauchsstudie erarbeitet hatte.
Missbrauch von 16-Jähriger vorgeworfen
Bischof Overbeck würde als persönliche Konsequenz der Weg offenstehen, Papst Franziskus um seine Entlassung zu bitten. Allerdings ignorierte Franziskus in der Vergangenheit wiederholt Rücktrittsgesuche deutscher Bischöfe im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal.
Das Bistum Essen will zudem die am Essener Domhof errichtete Skulptur des verstorbenen Kardinals Franz Hengsbach entfernen lassen. Eine entsprechende Entscheidung trafen die Domkapitulare einvernehmlich, wie das Bistum nach einer Sondersitzung mitteilte. Dompropst Thomas Zander habe zudem angekündigt, dass sich das Domkapitel dafür ausgesprochen habe, anstelle der Skulptur einen Gedächtnisort für die Opfer sexuellen Missbrauchs zu schaffen.
Das Domkapitel will nun zeitnah Gespräche mit dem Essener Betroffenenbeirat suchen und klären, ob und wie ein solches Projekt auf den Weg gebracht werden könnte. Auch mit der Künstlerin der Hengsbach-Skulptur seien noch einige offene Fragen zu klären. Auch mit den Sponsoren der Skulptur solle Kontakt aufgenommen werden.
Die Bistümer Essen und Paderborn hatten am Dienstag mitgeteilt, dass "gravierende" Missbrauchsvorwürfe gegen Hengsbach vorlägen. Er soll unter anderem im Jahr 1954 als Weihbischof in Paderborn eine damals 16-Jährige missbraucht haben. Außerdem wird er eines weiteren Übergriffs auf eine Frau 1967 in Essen beschuldigt.