Isolierte Täter, wenige Spuren FBI vermutet mehrere Serienkiller unter Fernfahrern


Fernfahrer sind oft wochenlang unterwegs, ohne engen Kontakt zu anderen Menschen zu haben.
(Foto: imago/Danita Delimont)
In den USA gibt es mehrere aktive Serienmörder, die als Trucker unterwegs sind. Das behauptet der ehemalige FBI-Agent Frank Figliuzzi in seinem neuen Buch. Die Taten seien schwer aufzuklären, denn die Opfer verschwinden in einem Bundesstaat, werden in einem anderen getötet und wieder in einem anderen gefunden.
In den USA sorgt ein Buch für Aufregung, das sich mit unaufgeklärten Morden und Vermisstenfällen beschäftigt. Der Autor Frank Figliuzzi war jahrelang beim FBI und arbeitete bis zu seiner Pensionierung 2012 als stellvertretender Direktor für Spionageabwehr. Sein neues Buch, das Ende Mai erschien, heißt "Long Haul: Hunting the Highway Serial Killers" und widmet sich den etwa 850 Morden in den USA, von denen angenommen wird, dass sie mit Fernfahrern in Verbindung stehen.
Für die Recherchen zu dem Buch begleitete er verschiedene Trucker, duschte an Raststätten und schlief in LKW-Kabinen. Und er verbrachte viele Stunden damit, mit Expertinnen und Experten zu sprechen, die versuchen, die Menschen zu fassen, die ihre Opfer an den großen Highways suchen. Figliuzzis These ist, dass sich hinter den aufgedeckten Fällen eine erschreckende Wahrheit verbirgt: Die meisten Serienmörder sind Fernfahrer. Seiner Einschätzung zufolge sind auch derzeit mehrere aktive Serienmörder als LKW-Fahrer unterwegs. Denn obwohl "im Laufe der Jahre mehrere Trucker wegen Serienmordes verurteilt wurden", bleibt etwa ein Viertel der Fälle in einer entsprechenden Datenbank ungelöst, berichtete Figliuzzi in Interviews, die er zu seinem Buch gegeben hat.
Der "Truck Stop Killer"
Einer der schließlich gefassten Mörder ist Robert Ben Rhoades, der von den Medien den Namen "Truck Stop Killer" bekam. Nach seiner unehrenhaften Entlassung aus der Armee arbeitete Rhoades seit den 1970er Jahren als Trucker. Es dauerte Jahrzehnte, bis er schließlich als der Verantwortliche für mehrere Morde und Vermisstenfälle in mehreren US-Bundesstaaten festgenommen und verurteilt wurde.
Rhoades hatte einen Teil seines Lastwagens zu einer mobilen Folterkammer umgebaut, in der er einige Opfer für mehrere Wochen festhielt und immer wieder quälte und missbrauchte. Eines seiner Opfer war die 14-jährige Regina Kay Walters, deren letztes Foto sie in einem schwarzen Etui-Kleid und in High-Heels zeigt, die Haare kurz geschnitten, das Gesicht angsterfüllt und die Hände erhoben, als würde sie um Gnade flehen. Das Foto wurde bei Rhoades gefunden, zusammen mit Bildern anderer Opfer.
Walters war im Februar 1990 zusammen mit ihrem Freund Ricky Jones weggelaufen, als sie von Rhoades mitgenommen wurden. Den Erkenntnissen der Ermittler zufolge musste sie zuschauen, wie der Trucker zunächst ihren Freund ermordete. Anschließend verbrachte sie fast einen Monat in dem Folterraum im Lastwagen, Rhoades vergewaltigte sie immer wieder bei Stopps, durchbohrte sie mit Angelhaken, schnitt ihr Haar und rasierte ihre Schamhaare ab. Am Ende erdrosselte der Trucker das Mädchen in einer Scheune. Anschließend rief er Walters' Vater an.
Der Truck Stop Killer wurde schließlich am 1. April 1990 verhaftet. Als die Polizei seinen Truck untersuchte, fand sie eine Frau in dem Folterraum. Rhoades wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, die Ermittlungsbehörden nehmen an, dass er zwischen 1975 und 1990 bis zu 50 Menschen getötet hat.
"Man kann nicht lösen, was man nicht weiß"
Weil sich im Laufe der Jahre eine signifikante Zahl von Morden an den Highways ereignete, gründete das FBI bereits 2004 eine Spezialeinheit. Die Highway Serial Killings (HSK) Initiative beschäftigt sich ausschließlich mit diesen Taten, die überwiegend von Fernfahrern begangen werden.
Die Opfer sind dem FBI zufolge überwiegend Frauen, viele von ihnen sind drogenabhängig oder prostituieren sich. Viele hätten sexuelle Übergriffe oder Missbrauch erlebt, Todesfälle oder Suizide in der Familie, Drogenkonsum und frühe Prostitutionserfahrungen. Dass inzwischen die meisten Treffen online verabredet werden, erschwere die Arbeit der Ermittler. "Man kann nicht lösen, was man nicht weiß", sagt Figliuzzi.
Die Täter profitieren von der Mobilität, zu der sie für ihre Arbeit gezwungen sind. Lange Zeit wurden Ermittlungen dadurch erschwert, dass die Opfer in einem Bundesstaat verschwanden, in einem anderen getötet und wieder in einem anderen gefunden wurden. Inzwischen werden die Fälle in einer Datenbank gesammelt, die es den Ermittlerinnen und Ermittlern ermöglicht, Zusammenhänge herzustellen. Verknüpft werden Informationen zu sexuellen Übergriffen, vermissten Personen und nicht identifizierten menschlichen Überresten an oder in der Nähe von Raststätten, Autohöfen oder in unmittelbarer Nähe einer Autobahn.
Figliuzzi zufolge bearbeitet die Sondereinheit derzeit 200 aktive Fälle mit etwa 450 Verdächtigen. Auf die vier Millionen Sattelschlepper gerechnet, die in den USA unterwegs sind, sei das nur ein kleiner Prozentsatz, betont der Autor. Dass Fernfahrer trotzdem unter den Serienkillern die führende Berufsgruppe sind, hat seiner Einschätzung zufolge etwas mit der "Isolation des Jobs" zu tun, der für viele Fahrer Wochen und Monate mit wenig menschlichem Kontakt bedeute.
Viele Trucker seien möglicherweise auch schon vor ihrer Berufswahl Einzelgänger, die sich nicht gern sagen ließen, was sie zu tun haben und Kontrolle haben wollen. Eine anonyme Umfrage unter LKW-Fahrern habe ergeben, dass 10 Prozent der Fahrer täglich Alkohol trinken, 20 Prozent sagen, sie konsumieren fünf oder mehr Drinks auf einmal und 44 Prozent leiden unter den Symptomen einer schweren klinischen Depression. "Die Isolation und der Mangel an menschlicher Interaktion können den Wunsch zu töten noch verstärken, wenn - und ich möchte hier vorsichtig sein - diese Veranlagung bereits vorhanden ist", so der Experte.
Quelle: ntv.de