Aufregung in Sachsen-Anhalt Frei laufende Raubkatze im Saalekreis? Was wir wissen und was nicht
17.06.2025, 13:21 Uhr Artikel anhören
Am Geiseltalsee in Sachsen-Anhalt treibt offenbar eine Raubkatze ihr Unwesen, per Warnapps alarmieren die Behörden die Bevölkerung. Videoaufnahmen im Netz sollen das Tier zeigen. Womit haben es die Einsatzkräfte hier zu tun? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Zu sehen ist ein hellbraunes, großes Etwas – es schleicht über ein Feld nahe einem Buschstreifen. Die Aufnahmen davon machen Zeugen in Braunsbedra am Geiseltalsee. Laut einer Sprecherin des Saalekreises gehen die Behörden davon aus, das Video sei echt. Am Montagabend warnt die integrierte Leitstelle Saalekreis per "Nina"-App vor einer Großkatze im Bereich des Hafens. "Nähern Sie sich keinesfalls dem Tier! Vermeiden Sie es, sich in Wiesen und Wäldern aufzuhalten". Der Fall weckt Erinnerungen an vergangene "Sommerloch"-Tiere, von denen sich einige als Irrtümer herausgestellt haben. Und auch im Saalekreis sind derzeit noch viele Fragen offen.
Handelt es sich bei dem Tier auf den Aufnahmen um eine Raubkatze?
Das ist derzeit noch nicht klar. Die Behörden sprechen in ihrer Gefahrenmeldung von einer "Großkatze". Laut International Fund for Animal Welfare (IFAW) gehören Großkatzen zur Gattung Panthera. Das sind: Löwen, Tiger, Leoparden und Jaguare. Laut Sabine Faulstich, Dezernentin des Saalekreises, könnte es sich Experten nach um einen Puma handeln: "Mit 80-prozentiger Sicherheit." Nach Angaben des Landkreises sei in den vergangenen Tagen ein Kalb in der Nähe des Sees gerissen worden, der Kadaver soll nun genauer untersucht werden. Patrick Müller, Pressesprecher der Tierschutzorganisation APP, sagt im Gespräch mit RTL/ntv: "Es handelt sich wahrscheinlich um eine Katze und wahrscheinlich um ein großes Tier." Indikatoren für einen Puma könnten mögliche Fußspuren am See sein, da Pumas gute Schwimmer sind. Diese Spuren gibt es aber nicht. Ein anderer Hinweis könnten Kotspuren sein.
Wie gefährlich wäre eine frei laufende Raubkatze?
Das Wichtigste vorweg: Große Raubkatzen sind sehr viel stärker als Menschen. Wichtig sei laut Müller, den Ursprung des Tieres einzubeziehen. Handele es sich bei der potenziellen Raubkatze um ein Wildtier, sei es wahrscheinlich scheu und würde den menschlichen Kontakt meiden. Stamme es aber aus privater Haltung oder etwa einem Zirkus, könnte das Tier Menschen gegenüber nicht mehr ängstlich sein. "Das heißt, der Kontakt kann dann vielleicht sogar gesucht werden, wenn Futtermittel knapp werden", glaubt Müller. Wichtig ist deshalb: Spaziergänger sollten das Tier auf keinen Fall anfassen und möglichst keine Aufmerksamkeit erregen. "Falls Sie plötzlich diese große Katze sehen, würde ich Ihnen auf jeden Fall empfehlen, die Distanz zu dem Tier zu vergrößern", empfiehlt Müller. Bei einer Sichtung sollen Passanten die Feuerwehr unter der 112 informieren.
Woher könnte die Raubkatze kommen?
Aktuell ist die Herkunft des gesichteten Tieres unklar. Nach MDR-Informationen hat bislang niemand ein infrage kommendes Tier vermisst gemeldet. Heute will der Saalekreis private Halter und Tierparks kontaktieren. Einen Zoo gibt es in Braunsbedra nicht. Und Müller gibt zusätzlich Entwarnung: "Es gibt keinerlei Pumas in freier Wildbahn in Deutschland." Bei einem Tier aus privater Haltung wäre die Herkunft über einen Mikrochip ermittelbar, so der Experte. "Ist dieser Mikrochip nicht vorhanden, dann wissen wir, dass das Tier aus dem illegalen Handel stammt."
Ist es in Deutschland erlaubt, Raubkatzen zu halten?
Grundsätzlich gibt es kein bundesweites Verbot für die Haltung von exotischen Wildtieren. "Stattdessen haben einzelne Bundesländer sogenannte Gefahrentierlisten veröffentlicht. Diese sind aber extrem unterschiedlich und müssen sich zum Beispiel gar nicht decken", sagt Müller. In Nordrhein-Westfalen seien viele giftige Tiere verboten, in Sachsen-Anhalt gebe es keinerlei Regelungen darüber, welche Wildtiere als Haustiere verboten seien. Die Gesetzgebung darüber ist also nicht einheitlich geregelt. Besonders gefährdete Tiere seien aber meldepflichtig bei den lokalen Veterinärämtern oder Naturschutzbehörden.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Suche nach der mutmaßlichen Raubkatze dauert an. Am Montag suchten die Behörden auch mit einem Hubschrauber, außerdem sollen jetzt Drohnen zum Einsatz kommen. Die Polizei überwacht das Gebiet großräumig. Auf einer eigens anberaumten Pressekonferenz sprachen die Behörden von inzwischen fünf bis sechs Sichtungen, die letzte am Dienstag. Sollte sich das Tier als Raubkatze entpuppen, würden Fachleute das Tier betäuben, glaubt Müller. Anschließend würden sie die Raubkatze untersuchen. "Hat das Tier irgendwelche Krankheiten, Verletzungen oder andere Spuren, über die man etwas herausfinden kann?" Danach werde das Tier üblicherweise in eine Zwischenstation gebracht, etwa Zoos oder spezialisierte Tierheime.
Wie wahrscheinlich ist es, dass es sich wirklich um eine gefährliche Raubkatze handelt?
Generell ist die Wahrscheinlichkeit nicht besonders groß. Diese Tiere leben in Deutschland nicht in freier Wildbahn. Eine ähnliche Sichtung vor zwei Jahren in Kleinmachnow stellte sich ebenfalls als Irrtum heraus. Damals gab es den Verdacht, eine Löwin könnte frei herumlaufen. Die Löwin erwies sich dann als Wildschwein.
Quelle: ntv.de