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"Hätte nicht schießen dürfen" Freispruch für auf Obdachlosen schießenden Polizisten

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Der Verteidiger (l.) argumentierte, sein Mandant (M.) habe keine Zeit für lange Überlegungen gehabt.

Der Verteidiger (l.) argumentierte, sein Mandant (M.) habe keine Zeit für lange Überlegungen gehabt.

(Foto: picture alliance/dpa)

Ein Polizist schießt in "einer hochdynamischen Situation" dreimal auf einen Obdachlosen. Eine Kugel trifft den Mann im Rücken und verletzt ihn lebensgefährlich. Die Schüsse sind nicht gerechtfertigt, sagt ein Gericht. Vor einer Strafe braucht sich der Beamte dennoch nicht zu fürchten.

Das Düsseldorfer Landgericht hat einen Polizisten nach einem Schuss in den Rücken eines Flüchtenden freigesprochen. "Er hätte die Schüsse nicht abgeben dürfen", sagte der Vorsitzende Richter. Sie seien nicht verhältnismäßig gewesen, weil keine akute Gefahr für Leib und Leben von Menschen bestanden habe. Dennoch sei die Tat nicht strafbar.

Der Beamte habe am 10. August 2024 unter dem Eindruck einer hochdynamischen Situation eine Fehleinschätzung getroffen. Polizisten müssten in Sekundenbruchteilen entscheiden. Dabei könne es zu Fehlern kommen.

Der Staatsanwalt hatte elf Monate Haft auf Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt gefordert. Es habe keine Rechtfertigung für die Schüsse gegeben. Er sprach von einem stressbedingten Augenblicksversagen.

Der Beamte war mit einer Kollegin nachts in einen Park am Düsseldorfer Hauptbahnhof gerufen worden, weil dort ein Mann ein Pärchen mit einem Butterfly-Messer bedroht haben sollte. Das Messer entpuppte sich aber später als Schlüsselbund.

Taser blieb ohne Wirkung

Als der Polizist mit gezogener Waffe auf den psychisch kranken Obdachlosen zuging, widersetzte dieser sich der Aufforderung, sich auf den Boden zu legen. Dann soll er in seine Hosentasche gegriffen haben, woraufhin der Polizist einen Taser ausgelöst hatte. Die Wirkung des Elektroschocks blieb allerdings gering, der Mann konnte sich schnell wieder aufrappeln und sich dem Anlegen von Handschellen entziehen. Dabei soll er laut Darstellung des Beamten den Taser an sich gerissen haben.

Daraufhin feuerte der 27-jährige Polizist drei Schüsse ab, von denen der dritte den damals 32-Jährigen durch einen Rucksack in den Rücken traf. Er überlebte lebensgefährlich verletzt dank Notoperation. Der Spurenlage zufolge hatte sich der 32-Jährige bereits sechs bis sieben Meter entfernt, als ihn die Kugel von hinten traf.

Der Verteidiger argumentierte, sein Mandant habe schlicht keine Zeit für lange Überlegungen gehabt. Er habe von einem mit Messer und Taser bewaffneten Gefährder ausgehen müssen. "Da ist jemand, der sich gefährlich verhält. Darauf muss er doch reagieren." Im Gummersbach habe sich ein Täter auch zunächst weggedreht und dann plötzlich doch einen Polizisten angegriffen.

"Ich bedauere stark, dass jemand schwer verletzt worden ist", sagte der angeklagte Beamte in seinem Schlusswort. "Die Situation war für mich sehr gefährlich. Ich hatte keine andere Wahl, als die Schusswaffe einzusetzen."

Das inzwischen 33-jährige Opfer ist polizeibekannt und gilt als psychisch auffällig. Ein paar Tage vor den Schüssen hatte er randaliert und war in eine Psychiatrie eingewiesen worden. Seit 2018 war er der Polizei zufolge 13 Mal aufgefallen - und nach der Schussverletzung in Düsseldorf weitere viermal. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft will prüfen, ob sie Revision einlegt.

Quelle: ntv.de

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