Panorama

Wie lieben wir in Zukunft?Für immer und ewig - eher nicht

26.06.2017, 17:14 Uhr
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Die Erotik stirbt auch dadurch, dass man zu viel zusammen ist. (Foto: imago/Ikon Images)

Mitten im Sommer wirft Zukunftsforscher Matthias Horx einen Blick in die Kristallkugel und verrät seinen Jüngern, wohin es in Sachen Liebe geht. Dafür hält er drei Szenarien parat.

Die Liebe ist ein seltsames Spiel. Sie kommt und geht von einem zum andern. Sie nimmt uns alles, doch sie gibt auch viel zu viel. So sang es Connie Francis schon 1964. Über ein halbes Jahrhundert später ist die Liebe immer noch jenes zeitlose Mysterium, von dem die Mehrheit der Menschen nicht genug bekommen kann.

Während die liebeshungrigen Singles früher in direkten Kontakt zueinander traten und sich beim Tanz, an der Bar oder auf Partys begegneten, finden Liebeswillige heutzutage immer häufiger online zueinander. In Zeiten von Tinder, geschützt durch die Mauer der Anonymität, erlebte nicht nur die Polygamie einen Aufschwung, auch die Sologamy scheint auf dem Vormarsch. Ist die Liebe, wie wir sie kennen, also in Gefahr?

Einer, der sich mit den Wandlungsprozessen und der Zukunft von Liebe, Sex und Familie beschäftigt hat, ist Matthias Horx. Der Zukunftsforscher sagt, wir müssen weg davon, aus Liebe ein "Komfortgefühl" zu machen, denn "reale Liebe ist immer auch eine Anstrengung". Glaubt man Horx, werden in Liebesbeziehungen künftig neue Formen der Höflichkeit bedeutsamer. "Ein wichtiges Element, um Romantik halten zu können, ist ein tiefer Respekt vor dem anderen. Deshalb brauchen wir wieder aristokratischere Liebesformen", sagte Horx jüngst der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Die höfische Liebe und Liebesverträge

Respekt bedeute, dass man den Partner "nicht andauernd mit seinen eigenen Gefühlen und Unerlöstheiten" überwältige. Die höfische Liebe habe dagegen "auch die Fähigkeit zur Distanz, also zur Bewunderung aus der Ferne" gehabt, sagte der Trendforscher. Er glaube, dass eine solche Distanz, "in der man den anderen besser idealisieren kann, eine Renaissance erleben" könnte.

Horx entwickelte drei Liebesszenarien für die Zukunft:

  • Die technisch perfektionierte virtuelle Liebe ist laut Horx ist der radikalste Trend. Seiner Meinung wird es Menschen geben, die vereinsamt sind und deshalb Liebes-Roboter brauchen. In Japan findet man heute schon eine ganze Kultur, in der sich die Menschen voneinander abwenden und elektronischen Liebes-Simulationen zuwenden. "Virtual-Reality-Brillen werden erst mal ganz stark für Pornografie eingesetzt werden, und wir wissen, dass der Über-Gebrauch von Pornografie irgendwann die sexuellen Fähigkeiten zerstört. Deshalb gibt es in den USA heute schon eine massive No-Porn-Bewegung", so Horx gegenüber der Osnabrücker Zeitung.

  • Im Liquid-Love-Szenario entwirft Horx eine Partnerschaftswelt, in der wir ehrlich damit umgehen, dass wir vielleicht die lebenslange Liebe gar nicht aushalten können. "Wenn eine Gesellschaft zur Liebesvernunft käme, dann würde sie Lebensabschnitts-Partnerschaften bewusster und vielfältiger gestalten", meint Horx. Dazu könnten künftig Liebesverträge gehören über das, "was man voneinander erhofft und sich gemeinsam vornimmt", die nach einer gewissen Zeit neu verhandelt würden. Die Menschen bleiben laut Horx eher monogam. In Zukunft werden wir aber noch mehr "seriell monogam", haben also im Laufe unseres Lebens noch mehr Beziehungen hintereinander. Polygamie werde eine Seltenheit bleiben. Was sich laut Horx aber ausbreiten kann, ist "Multi-Amorie". Für jedes Bedürfnis hat man einen anderen Partner, aber nicht mit jedem eine sexuelle Beziehung.

  • Bei der koevolutionären Liebe geht es laut Horx darum, zu lernen, uns durch den anderen immer wieder neu zu erfinden. Man "evolutioniert" sich, indem man reifer und weiser wird, und man dem Partner hilft, sich selbst weiterzuentwickeln. "Die Erkenntnisse der Partner-Psychologie zeigen, dass scharfer Sex nur dann über lange Zeit zwischen zwei Menschen funktionieren kann, wenn man sich immer wieder neu, gleichsam als Fremde begegnet", sagt Horx.

Quelle: dsi

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