Für eine Handvoll Dollar Häftlinge kämpfen gegen Kaliforniens Brände
14.10.2017, 10:05 Uhr
Mit den Häftlingen spart Kalifornien Millionen Dollar.
(Foto: AP)
Sie verbüßen langjährige Haftstrafen, doch sie verbringen ihre Tage nicht hinter Gittern: In Kalifornien stehen Strafgefangene Seite an Seite mit Feuerwehrleuten im Kampf gegen die verheerenden Buschbrände.
Im Gefängnis ist er nur ein gewöhnlicher Häftling, draußen aber wird er zum Helden im Kampf gegen die Flammen: Alejandro Rangel ist einer von mehreren Hundert Strafgefangenen, die der US-Bundesstaat Kalifornien als Feuerwehrmann beschäftigt. Seit etwas mehr als zwei Jahren arbeitet Rangel in einem von insgesamt rund 200 Teams, die im Sommer und Herbst gegen die Feuer kämpfen. Derzeit wird der Bundesstaat von den tödlichsten Waldbränden seiner Geschichte heimgesucht - mehr als 30 Menschen fielen den Flammen im Norden bereits zum Opfer.
Im Sommer und im Herbst wird Kalifornien besonders häufig von verheerenden Waldbränden heimgesucht. Dann verbringen Rangel und die anderen Häftlings-Feuerwehrmänner mehr Zeit in den Wäldern als hinter Gittern. Allein diese Woche wurden mehr als 500 Häftlinge nach Nordkalifornien geschickt, um bei der Bekämpfung der Waldbrände zu helfen, die dort seit Sonntag wüten.
Bei ihrer Arbeit tragen die Sträflinge weder Fußfesseln noch Handschellen. Nicht mal mehr von Wärtern werden sie überwacht. Allein der Schriftzug "Häftling" auf ihrer orange-roten Kleidung identifiziert sie als die, die sie vor Recht und Gesetz derzeit sind. Auch das Fahrzeug, mit dem die Häftlinge unterwegs sind, ist ein besonderes - weder mit Leitern noch Feuerwehrschläuchen ausgestattet. Es ist ein schlichter roter Bus mit vergitterten Fenstern. Am Steuer sitzt, abgegrenzt von den anderen, ein hauptberuflicher Feuerwehrmann.
Bruchteil eines Feuerwehrgehalts
Und das extrem niedrige Gehalt der Hilfsfeuerwehrleute aus dem Knast fällt auf. Dafür, dass sie ihr Leben bei der Bekämpfung von Waldbränden riskieren, bekommen sie nur einen Dollar pro Stunde - im Gegensatz zu knapp 18 Dollar (rund 15 Euro) für einen hauptberuflichen Feuerwehrmann.
Eine vehemente Kritikerin des Feuerwehr-Programms ist Gayle McLaughlin, die bei der nächsten Wahl als Gouverneurin für Kalifornien antreten will. "Egal, wie sie es bezeichnen, aber wenn sie Menschen für nichts oder fast nichts arbeiten lassen, dann ist das Sklaverei", schimpft sie.
Rangel hat dieses Jahr 1200 Dollar mit seiner Arbeit als Feuerwehrmann verdient - und hat damit einen der am besten bezahlten Häftlingsjobs ergattert. "Es ist harte Arbeit für wenig Geld. Aber es hilft dir, deinen Charakter zu formen", sagt er. Er träumt davon, nach seiner Entlassung weiter als Feuerwehrmann zu arbeiten. "Ich würde dafür jeder Einheit in Kalifornien beitreten", erklärt Rangel, während er im Oak-Glen-Gefängnis in der Nähe von Los Angeles für seinen nächsten Einsatz übt.
Freiwillig und lebensgefährlich
Der Bundesstaat spart dank der Häftlinge schätzungsweise rund 124 Millionen Dollar im Jahr. Die Hauptaufgabe der Strafgefangenen besteht darin, Feuerschneisen ins Gehölz zu schlagen, damit sich die Waldbrände nicht weiter ausbreiten können. 2017 kamen zwei Häftlinge bei den Einsätzen ums Leben.
Die Mitarbeit in dem Programm ist freiwillig und steht nur Gefangenen offen, die wegen gewaltloser Delikte verurteilt wurden. Bei den meisten von ihnen handelt es sich um junge Männer, die wegen Drogenbesitzes oder Einbruchs hinter Gittern sitzen. Rangel wurde zu acht Jahren Gefängnis wegen Raubs verurteilt.
Seit zwei Jahren sitzt der 25-Jährige nun in Oak Glen, eine Haftanstalt, die nur wenig mit einem normalen Gefängnis zu tun hat: Es gibt keine Zellen, dafür aber einen großen Garten mit vielen Bäumen - und sogar einen Kraftsportraum. Viele Gefangene sagen, dass das Leben hier gar nicht so schlecht sei. Beinahe eine Idylle. Von hier aus geht es derzeit in die Mondlandschaften der zu Asche verbrannten Waldbrandregionen in der Weinbauregion Sonoma, wo etwa 3500 Häuser und Unternehmen zerstört wurden, darunter einige Weingüter. Mit rund 8000 Feuerwehrleuten kämpfen sie dort gegen die Flammen.
Quelle: ntv.de, Javier Tovar, AFP