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"Texas will Gefangene kochen" Hitzewelle verwandelt Haftanstalten in unerträgliche Backöfen

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In den Haftanstalten aus Beton und Stahl staut sich trotz Ventilatoren die Hitze auf mehr als 40 Grad.

In den Haftanstalten aus Beton und Stahl staut sich trotz Ventilatoren die Hitze auf mehr als 40 Grad.

Eine extreme Hitzewelle lastet derzeit auf dem Süden der USA. Das führt unter anderem in den Gefängnissen in Texas zu unmenschlichen Bedingungen. Denn Klimaanlagen gibt es in den Zellen nicht. Mehrere Insassen kollabieren. Andere greifen zu kreativen Mitteln der Abkühlung.

Mehr als 50 Millionen Menschen im Süden der USA leiden derzeit unter einer Hitzewelle. Für viele gibt es kein Entrinnen vor den hohen Temperaturen und das gilt besonders für die Gefängnisinsassen im Bundessaat Texas. In den Haftanstalten aus Beton und Stahl staut sich trotz Ventilatoren die Hitze auf mehr als 40 Grad. Nach Aussage von Insassen, entlassenen Strafgefangenen und Familienmitgliedern greifen die Häftlinge zu extremen Mitteln, um die Hitze zu ertragen. Sie verstopfen die Toiletten in ihren Zellen, damit das Wasser überläuft, und legen sich zum Schlafen auf den nassen Boden. Oder sie machen ihre Kleidung nass, um sich abzukühlen.

In den vergangenen Wochen hatte der 35-jährige Häftling Joseph Martire nach eigener Aussage vier Zusammenbrüche wegen der Hitze im Gefängnis Estelle in Huntsville. Auch am 4. Juli, dem Nationalfeiertag der USA, klappte er zusammen. "Ich bin einfach ohnmächtig geworden", erzählte er seiner Familie am Telefon. "Das Gesundheitspersonal hat sich geweigert, nach mir zu sehen, und ich weiß nicht, was ich tun soll." Seine Familie wandte sich an die Gefängnisverwaltung.

Personalmangel führt zu gefährlichen Situationen

Wenn die Insassen merken, dass jemand in seiner Zelle ohnmächtig geworden ist, rufen sie nach den Wärtern. Wegen Personalmangels dauert es aber oft lange, bis jemand kommt, sagt Martire. Der überhitzte Strafgefangene wird dann in den Verwaltungstrakt der Strafanstalt gebracht, wo er sich bei laufender Klimaanlage abkühlen kann.

Die Sprecherin der texanischen Strafvollzugsbehörde, Amanda Hernandez, sagt, dass im Juni sieben Fälle behandelt wurden, die über Erste Hilfe hinausgingen. In den Gefängnissen in Texas seien im Juni insgesamt 32 Todesfälle verzeichnet worden, mit verschiedenen Todesursachen. Den letzten offiziellen Todesfall infolge von Hitze verzeichnete die Behörde, die für 126.000 Häftlinge zuständig ist, allerdings 2012.

Amite Dominick von der Initiative Advocates for Texas Community Prisons zweifelt an diesen Zahlen. "Der Gerichtsmediziner wird normalerweise so etwas wie Herzstillstand in seinen Bericht schreiben, weil ein Hitzschlag direkt mit Herzstillstand zusammenhängt", sagt sie. Dominick ist überzeugt, dass es sich angesichts der gegenwärtigen Temperaturen um hitzebedingte Todesfälle handelt.

"Unmenschlich, wie die Leute behandelt werden"

In der Strafanstalt Lane Murray habe es im Juni drei Todesfälle gegeben, die mit der Hitze zu tun hatten, sagt Samantha, deren 25 Jahre alte Tochter dort einsitzt. "Es ist unmenschlich, wie die Leute dort behandelt werden." Aktivistin Marci Marie Simmons, die selbst im Gefängnis war, sagt: "In den Sommermonaten siehst du mehrere Krampfanfälle pro Tag, die von der Hitze ausgelöst werden." In Estelle sei ein 36-jähriger Insasse nur Stunden, nachdem er sich bei seiner Mutter über die Hitze beklagt hatte, gestorben.

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"Wenn wir ein Kind oder ein Tier (bei Hitze) im Auto lassen, kommen wir ins Gefängnis. Aber Texas will unsere Gefangenen kochen", sagt Michelle Lively, deren Partner Shawn McMahon im Gefängnis Wynne einsitzt. "Manche, die sterben, haben kurze, überflüssige Strafen für Drogendelikte. Und sie werden zum Tode verurteilt, weil sie die Hitze nicht ertragen können."

Auch Gefängnispersonal hat sich bei Journalisten über die Arbeitsbedingungen beklagt, unter anderem über die Hitze. Ein Gesetzentwurf, der Gefängnisse mit Klimaanlagen ausstatten will, steckt im texanischen Senat fest, wie Dominick sagt. Dort verfügen die Konservativen über die Mehrheit. Dafür habe der Staat jetzt mehr als 750.000 Dollar (etwa 680.000 Euro) für Klimaanlagen für eine Schweinezuchtanlage ausgegeben, in der auch Strafgefangene arbeiten. "Aber für Menschen gibt es keine", sagt Dominick.

Quelle: ntv.de, Moisés Ávila, AFP

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