Infektionswelle in Deutschland Influenza aktuell schlimmer als Corona
21.12.2022, 22:30 Uhr
Schutz vor Ansteckung: Eine dicht sitzende FFP2-Maske hilft nicht nur gegen Corona.
(Foto: picture alliance / Frank May)
Im dritten Winter nach Ausbruch der Coronavirus-Pandemie erlebt Deutschland ein außergewöhnlich starkes Infektionsgeschehen. Die Masse der Atemwegserkrankungen geht jedoch - bisher zumindest - nicht auf den Covid-Erreger Sars-CoV-2 zurück. Welche Viren sind derzeit im Umlauf?
Labordaten aus den Beständen des Robert-Koch-Instituts (RKI) zeichnen ein unerwartet deutliches Bild: In der laufenden Infektwelle zu Beginn des Winters 2022/23 spielen Coronavirus-Infektionen bislang nur eine untergeordnete Rolle. Die überwiegende Mehrheit der aktuell kursierenden Atemwegserkrankungen wird durch andere Viren ausgelöst. Erstmals seit Beginn der Coronavirus-Pandemie ist Sars-CoV-2 nicht mehr das größte Problem im deutschen Gesundheitssystem.
Das außergewöhnlich starke Infektionsgeschehen der vergangenen Wochen hat - bisher zumindest - andere Ursachen: In mehr als der Hälfte der im Rahmen der virologischen Überwachung analysierten Patientenproben lassen sich aktuell Influenzaviren nachweisen, also die Erreger der echten Grippe. Mehr als jede sechste Probe enthält respiratorische Synzytialviren (RSV), die insbesondere Säuglingen und Kleinkindern gefährlich werden können. Coronaviren vom Typ Sars-CoV-2 - verantwortlich für die Covid-19-Pandemie - tauchten dagegen zuletzt nur noch mit Anteilen von weniger als fünf Prozent auf.
Hinweis: Daten und Infografiken werden regelmäßig aktualisiert.
"Die große Zahl an Atemwegserkrankungen ist gemäß den Ergebnissen der virologischen Sentinelsurveillance hauptsächlich auf die starke Zirkulation von Influenzaviren zurückzuführen, gefolgt von RSV", bestätigten die RKI-Experten im jüngsten Wochenbericht zur Corona-Lage den Eindruck. Sars-CoV-2 wurde demnach seit Anfang November nur noch in weniger als jeder zehnten Probe nachgewiesen.
Anlass für Entwarnung liefern die Daten nicht: Die Angaben aus der virologischen Überwachung basieren auf einer vergleichsweise kleinen Stichprobe. Woche für Woche werden im Nationalen Referenzzentrum für Influenzaviren im Schnitt nur rund 250 Abstriche aus dem gesamten Bundesgebiet ausgewertet. Die Corona-Fallzahlen steigen derzeit bundesweit deutlich erkennbar an.
Das laborgestützte Frühwarnsystem funktioniert immerhin unabhängig vom Test- und Meldeverhalten in der Bevölkerung: Die von Ärzten eingesandten Proben werden im Labor per PCR-Test auf ein ganzes Bündel an typischen Erregern von Atemwegserkrankungen geprüft. Daraus ergibt sich ein breites Bild der aktuellen Viruslast in Deutschland. Bei der Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) des RKI fließen die Daten zusammen mit den Erkenntnissen aus weiteren Frühwarnsystemen in die Beurteilung des deutschen Infektionsgeschehens ein.
Die Virennachweise aus der Stichprobe stammen aus sogenannten Sentinelpraxen, also von Hausärztinnen und Hausärzten, die nach einem festgelegten Schema bei zufällig ausgewählte Patienten mit akuten Atemwegserkrankungen Abstriche in der Nase und im Rachenraum vornehmen. Das eingeschickte Material kann dann im Labor umfassend analysiert werden. Nicht selten finden die Experten dabei mehr als nur einen Erreger je Probe.
Die Aussagekraft der gewonnenen Daten ist beschränkt: Aufgrund der geringen Anzahl an vollständig analysierten Patientenproben eignen sich die Labordaten nur für einen groben Überblick zum Infektionsgeschehen. Das RKI bemüht sich daher, die Ergebnisse in den regelmäßig erscheinenden Wochenberichten zur Corona- und Influenza-Lage ausführlich einzuordnen. Abgeglichen werden die Angaben zum Beispiel mit den Corona-Positivraten, der Häufigkeit von Arztbesuchen und den entsprechenden Diagnosen aus den Krankenhäusern.
Zusammen ermöglichen die Daten aus den verschiedenen Frühwarnsystemen auch für Laien einen brauchbaren Überblick zur Pandemiesituation. Das RKI rät mit Blick auf den anhaltend hohen "Infektionsdruck" dringend zur Impfprävention (Covid und Influenza) und zur Einhaltung der bekannten Vorsichtsmaßnahmen, also regelmäßiges Lüften, Händewaschen und Isolierung im Krankheitsfall. Neue Daten stehen am 21. Dezember zur Veröffentlichung an. Dann wird sich auch zeigen, wie stark sich die steigende Zahl der gemeldeten Coronavirus-Infektionen auch in der Laborstichprobe widerspiegelt.
Quelle: ntv.de