"Tickende Zeitbombe"Jan G. wegen dreifachen Mordes vor Gericht

Ein junger Mann ersticht seine 79 Jahre alte Großmutter und überfährt auf seiner Flucht zwei Polizisten. Der Tod dreier Menschen hätte wohl verhindert werden können, denn Jan G. galt als tickende Bombe. Nun wird ihm der Prozess gemacht.
Nur drei Monate nachdem die Staatsanwaltschaft Jan G. als "tickende Zeitbombe" bezeichnet hatte, bestätigt sich diese Befürchtung. Der 24-Jährige tötet in einer brandenburgischen Kleinstadt zunächst seine Großmutter, um dann auf der Flucht in seinem Auto mit Tempo 150 zwei Polizisten buchstäblich zu zerfetzen. Die beiden Familienväter sind sofort tot. Die Verfolgungsjagd mit ihrem dramatischen Ende löst im Februar bundesweit Entsetzen aus.
Ab dem heutigen Dienstag muss sich G. vor dem Landgericht Frankfurt an der Oder wegen dreifachen Mordes verantworten. Der als gefährlich geltende Angeklagte könnte für den Rest seines Lebens hinter Gitter kommen.
Bereits zwei Tage nach der Bluttat hatten sich die Brandenburger Justizbehörden schwere Versäumnisse vorwerfen lassen müssen, denn der junge Mann hätte sich längst in der Psychiatrie befinden müssen. G.war bei den Behörden schon längere Zeit kein Unbekannter. Er galt als Gewalttäter und Drogenkonsument. Sechs Eintragungen finden sich im Bundeszentralregister, mehrfach stand er vor Gericht. Seine kriminelle Karriere reichte über Drogendelikte, Diebstahl und Fahren ohne Fahrerlaubnis bis zu Raub und versuchter Nötigung. Von Februar 2013 bis Juli 2014 saß G. wegen gefährlicher Körperverletzung und Drogenbesitz im Gefängnis, weil er trotz Bewährung erneut straffällig wurde.
Fatale Fehleinschätzung
Zuletzt musste er sich im November 2016 vor dem Landgericht Frankfurt/Oder wegen mehrerer Straftaten verantworten. Der Staatsanwaltschaft wollte gegen G. eine Maßregel verhängen lassen. Doch ein Gutachter befand, dass G., der wegen einer schweren psychischen Erkrankung (undifferenzierte Schizophrenie) nicht schuldfähig war, auch in Freiheit behandelt werden könnte.
Obwohl die Staatsanwaltschaft G. als tickende Zeitbombe einstufte, wurde seine Unterbringung in einer Psychiatrie auf fünf Jahre zur Bewährung ausgesetzt - unter mehreren Bedingungen: weder Drogen noch Alkohol zu konsumieren. Er sollte sich regelmäßig Drogentests unterziehen und eine ambulante Therapie besuchen.
Selbst als G. nach seinem Freispruch im November wiederholt ohne Führerschein Auto fuhr und Drogen nahm, schritt das Landgericht nicht ein. G. kam nicht in die Psychiatrie und blieb auf freiem Fuß.
Ist G. schuldfähig?
Die Befürchtungen der Staatsanwaltschaft bestätigten sich an jenem 28. Februar. In Freiheit tötete G. drei Menschen. Die Taten hat er bei seiner Vernehmung bereits gestanden. Als Motiv für den Mord an seiner Großmutter nannte G. einen Streit. Er habe Geld von der alten Dame gefordert, "was sie ihm jedoch verwehrt habe", sagte Staatsanwältin Ricarda Böhme. Die Frau sei in ihrer Wohnung in Müllrose im Landkreis Oder-Spree verblutet, nachdem der Enkel ihr einen Schnitt am Hals zugefügt hatte. Danach gestand G. auch, die beiden Polizisten an einer Kontrollstelle im Beeskower Ortsteil Oegeln überfahren zu haben. Er habe Angst gehabt, selbst erschossen zu werden, so Böhme.
In dem auf 18 Verhandlungstage angesetzten Prozess wird es voraussichtlich ganz wesentlich um G.s Schuldfähigkeit gehen. Die Anklage geht von einer verminderten Schuldfähigkeit aus. Die Staatsanwaltschaft erwägt, bei einer Verurteilung eine Sicherungsverwahrung zu beantragen, um die Öffentlichkeit vor ihm zu schützen. Ein Urteil ist erst zu Beginn des neuen Jahres zu erwarten.