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Neugeborenen Luft injiziert? Krankenschwester soll sieben Babys getötet haben

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Lucie L. war Krankenschwester im Countess of Chester Krankenhaus im britischen Chester.

Lucie L. war Krankenschwester im Countess of Chester Krankenhaus im britischen Chester.

(Foto: imago/PA Images)

Innerhalb eines Jahres sterben sieben Säuglinge in einer britischen Klinik unter ungewöhnlichen Umständen. Das Personal beschleicht ein Verdacht, denn bei fast jedem Todesfall ist Lucie L. im Dienst. Nach und nach erhärten sich die Indizien, bis die 33-Jährige schließlich vor Gericht landet.

Stephen Brearey ist besorgt, als die Krankenschwester Lucy L. im Juni 2016 zum Dienst auf seiner Neugeborenenstation erscheint. Zwei kleine Jungen eines Drillingspaares sind verstorben - "aus heiterem Himmel", wie der britische Arzt laut der "BBC" später vor Gericht aussagen wird. Brearey beschleicht der Verdacht, L. könnte etwas mit dem Tod der Neugeborenen zu tun haben. Seine Befürchtung schildert er der Krankenhausleitung, bittet um die Entlassung der 33-Jährigen. Doch diese lehnt ab. Es gebe "keine Beweise" gegen L., entgegnet ihm auch die leitende Krankenschwester. Lucie L. bleibt also im Dienst - vorerst.

Es dauert nicht lange, bis aus einer Vorahnung Breareys Indizien gegen die Krankenschwester werden. L. wird von der Pflege in die Verwaltung der britischen Klinik zwangsversetzt, das ist noch im Jahr 2016. Heute sitzt L. auf der Anklagebank eines Gerichts in Manchester. Die Krankenschwester soll Babys auf der Neugeborenenstation der Countess of Chester Klinik Luft injiziert haben, woran diese schließlich starben. Auf diesem Wege soll L. innerhalb eines Jahres, zwischen Juni 2015 und Juni 2016, sieben Babys ermordet haben. Zudem habe sie versucht, zehn weitere Neugeborene zu töten, so die Anklage.

Die kleinen Jungen des Drillingspaares mussten sterben, so nimmt es die Staatsanwaltschaft an, weil L. es so wollte. Gemeinsam mit ihrem Bruder kommen sie im Juni 2016 zur Welt - sie werden im Abstand von einer Minute geboren, wiegen 1,8 Kilogramm, sind gesund, wie es Brearey vor Gericht schildert. "Alle drei Drillinge wurden in einem so guten Zustand geboren, sie waren auf einem gesunden Weg zu wachsen", erläutert der Arzt dem Gericht.

Verdacht gegen L. wird stärker

Dies ändert sich am Nachmittag des 23. Juni 2016 jedoch schlagartig. Plötzlich sei eine "bemerkenswerte Verschlechterung" des Zustandes von O. eingetreten. Das Kind sei zusammengebrochen und habe einen Ausschlag auf der Brust gehabt, den Brearey "weder vorher noch nachher gesehen" habe. Der Bauch des kleinen Jungen habe "wie ET" ausgesehen, beschreibt es der Vater des Kleinen im Gespräch mit der "BBC". Auf der Station sei Panik ausgebrochen, die Ärzte taten ihr Möglichstes, erinnern sich die Eltern an die Situation. Doch der kleine Junge überlebt diesen Tag nicht, sondern stirbt noch am selben Abend.

Fast genau 24 Stunden später ereilt sie ein "Déjà-vu", sagt die Mutter dem Sender. Auch das kleine Baby P. bricht plötzlich zusammen, hat ähnliche Verfärbungen wie sein verstorbener Bruder sowie hervortretende Venen, heißt es laut "Sky News" vor Gericht. Die Ärzte finden Blut in seinem Rachen, viermal versuchen sie, den kleinen Jungen wiederzubeleben - ohne Erfolg. Auch P. stirbt auf der Neugeborenenstation der Klinik. Die Eltern seien nun alarmiert gewesen, sagen sie vor Gericht. Sie entscheiden, ihren dritten Drilling in ein anderes Krankenhaus verlegen zu lassen.

Beide Todesfälle fallen in die Dienstzeiten von L. "Niemand wollte in Betracht ziehen, dass ein Mitglied des Personals Babys schadet", sagt Brearey vor Gericht. Und doch sind es nicht die ersten Todesfälle auf seiner Station, die mit der Krankenschwester in Verbindung gebracht werden. Vor Gericht werden die Todesfälle der anderen fünf Babys sowie die Krankengeschichte jener Kinder geschildert, die den mutmaßlichen Angriff von L. überlebten. Alle hätten ähnliche Symptome gehabt, fast immer sei L. im Dienst gewesen. "Mit jedem ungewöhnlichen Zusammenbruch eines Babys seit 2015 sei der Verdacht auf L. gefallen", berichtet Brearey dem Gericht.

Kollegen hatten "seltsames Gefühl"

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Tatsächlich bestätigen auch Kollegen des Arztes, dass sie ihre Zweifel an der Krankenschwester bereits im Oktober 2015 äußerten, wie die "BBC" berichtet. Ravi Jayaram berichtet etwa, er habe ein "seltsames" Gefühl gehabt, L. mit Neugeborenen alleine zu lassen. Im Februar 2016 sei schließlich der Direktor des Krankenhauses informiert worden, sagt der Arzt vor Gericht. Unternommen wurde jedoch nichts. Im Gegenteil: "Wir wurden von der Krankenhausleitung ziemlich unter Druck gesetzt, kein Aufsehen zu erregen", erklärt Jayaram. Nun wünsche er sich, er wäre direkt zur Polizei gegangen. Auch Brearey versucht den Richtern zu verdeutlichen, dass er "angemessen eskalieren" wollte, weswegen er die Krankenhausleitung zunächst um eine Entlassung bat.

Dieses Zögern der Klinik, das späte Einschalten der Ermittlungsbehörden, spielt der Verteidigung von L. nun in die Karten. Warum niemand zur Polizei gegangen sei, wenn es doch eine echte Grundlage für eine Verdächtigung gegeben habe, möchte L.s Strafverteidiger Ben Myers von Brearey vor Gericht wissen. Für eine optimale Betreuung seiner Patienten, so der Anwalt, hätte Brearey den Fall bereits 2015 untersuchen müssen, wenn er tatsächliche Beweise gegen seine Mandantin gehabt hätte. Ob die Indizien gegen L. für eine Verurteilung ausreichen, muss das Gericht entscheiden. L. selbst bestreitet alle Taten.

Quelle: ntv.de, spl

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