Ignoranz in Hochwassergebieten Leichtsinnige Anwohner und Schaulustige stören Einsatzkräfte
31.12.2023, 20:00 Uhr Artikel anhören
Die Feuerwehr habe bereits mehrere Schaulustige retten müssen, klagen die Einsatzkräfte.
(Foto: picture alliance/dpa)
Bei einem Besuch in den niedersächsischen Hochwassergebieten lobt Bundeskanzler Scholz den Zusammenhalt der Menschen. Doch das trifft nicht auf alle zu: Einsatzkräfte müssen Katastrophen-Touristen aus den Fluten retten und auch leichtsinnige Anwohner. Schutzvorkehrungen gehen zu Bruch.
In den niedersächsischen Hochwassergebieten mehren sich die Beschwerden über Schaulustige sowie leichtsinnige und ignorante Anwohner, die die Arbeit der Einsatzkräfte stören. "Viele reisen extra an, um sich die Wassermassen anzusehen. Sie ignorieren die Absperrungen", beklagte sich Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens verärgert über Katastrophen-Touristen. Es habe bereits mehrere Fälle gegeben, bei denen die Feuerwehr Schaulustige habe retten müssen.
Zu einem Einsatz kam es beispielsweise im Hochwassergebiet bei Hemmingen in der Region Hannover. Nach Angaben der Feuerwehr hatte ein deutlich über 70 Jahre alter Mann einen Wall aus Sandsäcken umfahren und war anschließend im hoch stehenden Wasser gestürzt. Wegen der starken Strömung konnte er sich nicht selbst aus den Wassermassen befreien, sondern musste von der Feuerwehr gerettet werden. Auch Rettungstaucher wurde angefordert, mussten aber nicht eingreifen. Nach der Rettung wurde der 70-Jährige in Begleitung eines Notarztes in ein Krankenhaus gebracht.
Autofahrer zerstört Wassersperre
Ein unnötiger Vorfall ereignete sich auch in Celle: Nach Angaben der Stadt fuhr ein Autofahrer vorsätzlich in eine wegen des Hochwassers gesperrte Straße und beschädigte dabei eine mobile Wassersperre. Wie die Stadt mitteilte, überfuhr der Fahrer einen speziellen Schlauch zur Dämmung der Wassermengen. Der Schlauch sei dabei so stark beschädigt worden, dass er von Einsatzkräften unverzüglich ausgetauscht werden musste.
Eine Sprecherin der Stadt erklärte, der Vorfall werde für den Fahrer Konsequenzen haben. In der kommenden Woche werde die Stadtverwaltung entsprechende Maßnahmen einleiten. "Aktuell fahren wir im Hochwasser-Krisenmodus", sagte sie. Die Stadt appellierte erneut, sämtliche Sperrungen ernst zu nehmen. "Mit eigenmächtigem Verhalten gefährdet man nicht nur sich, sondern auch andere und behindert zudem die Einsatzkräfte, die derzeit alle Hände voll zu tun haben, um die Menschen und unsere Stadt zu schützen", sagte Oberbürgermeister Jörg Nigge.
Evakuierung in Oldenburg
In weiten Teilen Niedersachsen ist die Hochwasserlage nach wie vor akut. Im Oldenburg müssen sich weitere rund 600 Menschen auf eine Evakuierung vorbereiten. Im Bereich der Sandkruger Straße seien die Deiche stark belastet, ein Deichbruch könne an dieser Stelle nicht ausgeschlossen werden, teilte die Stadt am Nachmittag mit. Sollte es dazu kommen, werde die Feuerwehr mit Lautsprecherdurchsagen auf die Evakuierung hinweisen. Betroffene sollten nur das Nötigste sowie wichtige Unterlagen mitnehmen. Als Übergangsquartier sind Räume in einem Gymnasium vorgesehen.
Zuvor war Bundeskanzler Olaf Scholz in den niedersächsischen Hochwassergebieten zu Besuch und lobte den Zusammenhalt der Menschen. "Das Wetter, die Natur fordern uns heraus", sagte der SPD-Politiker am Nachmittag in Verden. "Deshalb ist es wichtig, dass wir im Land zusammenhalten. Überall geschieht das auch durch die zuständigen Organisationen, die Polizei, die Feuerwehr, das Technische Hilfswerk, auch die Bundeswehr hat ihre Unterstützung zur Verfügung gestellt." Auch viele Freiwillige täten alles dafür, die Konsequenzen kleinzuhalten und Menschen und Häuser zu schützen.
"Ich sehe, dass die Bereitschaft weit über diejenigen hinausgeht, die jetzt beruflich oder ehrenamtlich in den Hilfsorganisationen tätig sind. Da helfen auch Bürgerinnen und Bürger vor Ort ganz konkret mit und fragen, was sie tun können", sagte Scholz. "Das ist wichtig. Ich glaube, dass das zeigt, dass in unserem Land Solidarität existiert und die Bereitschaft, zusammenzuhalten." Scholz versicherte, auch der Bund stehe den betroffenen Ländern und Kommunen bei der Bewältigung "mit seinen Möglichkeiten" zur Seite.
Quelle: ntv.de, chr/dpa