Bis zu 20.000 Tote in Libyen? Bürgermeister geht von hoher Opferzahl in Derna aus
14.09.2023, 05:33 Uhr Artikel anhören
Die internationale Hilfe rollt an. Nach und nach werden die Auswirkungen der verheerenden Überschwemmungen in Libyen deutlich. Es könnten noch viel mehr Todesopfer zu beklagen sein, als bislang offiziell bestätigt. In der besonders schwer betroffenen Stadt Derna werden noch etliche Menschen vermisst.
In Libyen schwindet nach den furchtbaren Überschwemmungen die Hoffnung auf Überlebende. Während Rettungsteams weiter in den Trümmern eingestürzter Gebäude suchen, müssen in Leichensäcke gehüllte Opfer in Massengräbern verscharrt werden. Nach Angaben der Verwaltung im Osten des Landes kamen mehr als 5000 Menschen ums Leben. Die genaue Zahl ist nur schwer unabhängig zu beziffern. Es wird aber befürchtet, dass noch weit mehr Tote geborgen werden.
Der Bürgermeister der vom Unwetter besonders schwer getroffenen Küstenstadt Derna geht davon aus, dass sich die Zahl der Toten auf 18.000 bis 20.000 erhöhen könnte. Dies ergebe sich auf Grundlage der Teile der Stadt, die zerstört worden seien, sagte Abdulmenam Al-Ghaithi am Mittwoch dem Sender al-Arabija. Nahe Derna waren zwei Dämme gebrochen, ganze Viertel der Hafenstadt mit ihren rund 100.000 Einwohnern wurden ins Meer gespült.
Das deutsche Technische Hilfswerk (THW) brachte derweil Hilfslieferungen auf den Weg. Es handelt sich nach Angaben der Organisation um 100 Zelte mit Beleuchtung, 1000 Feldbetten, 1000 Decken, 1000 Isomatten und 80 Stromgeneratoren. Einem Sprecher zufolge brachen acht Lastwagen noch am Mittwochabend in Richtung Wunstorf bei Hannover auf. Vom dortigen Bundeswehrstandort sollte die Fracht am heutigen Donnerstag nach Libyen gebracht werden.
Auch die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen kündigte die Ankunft eines Notfallteams in Derna an. Es bestehe aus Logistikern und medizinischem Personal, gab die Organisation auf der Plattform X (vormals Twitter) bekannt. Man bringe zudem Notfallausrüstung mit zur Behandlung von Verletzten und Leichensäcke für Libyens Wohlfahrtsorganisation Roter Halbmond. Die Sorge gelte auch den Hunderttausenden von Flüchtlingen und anderen Migranten aus mehr als 40 Ländern, für die Libyen das Sprungbrett nach Europa sei, berichtete die englischsprachige Zeitung "Arab News" mit Sitz in Saudi-Arabien. Auch unter diesen Menschen dürfte es Opfer geben, die von den Überschwemmungen mitgerissen wurden, hieß es.
"Brauchen einfach Leute, die die Situation verstehen"
Derweil hat die Europäische Union ihr Katastrophenschutzverfahren aktiviert und koordiniert Hilfsangebote aus verschiedenen EU-Ländern. Auch die Vereinten Nationen haben ein Team vor Ort. Libyen hatte ein internationales Hilfeersuchen gestellt. Allein in Derna sind mehr als 30.000 Menschen obdachlos geworden, wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) auf X mitteilte. Rund 10.000 Menschen gelten als vermisst. Videos in sozialen Medien zeigten Fahrzeugkolonnen, die Tote abtransportierten, auf anderen Aufnahmen trieben Leichen im Meer. Ganze Straßenzüge sind in Schlamm versunken.
Neben Derna sind auch andere Städte wie Al-Baida, Al-Mardsch, Susa und Schahat betroffen. "Wir brauchen einfach Leute, die die Situation verstehen - logistische Hilfe, Hunde, die Menschen riechen können und sie aus dem Boden holen. Wir brauchen einfach humanitäre Hilfe, Leute, die wirklich wissen, was sie tun", sagte ein libyscher Arzt, der in einer Klinik nahe Derna arbeitet, dem britischen Sender BBC. Der Sturm "Daniel", der zuvor auch in Griechenland gewütet hatte, erfasste Libyen am Sonntag.
Quelle: ntv.de, fzö/dpa/rts