Panorama

Fünf Minuten für 100.000 Euro Mammut-Prozess gegen Automatensprenger-Bande beginnt

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Die Zerstörungen sind erheblich und übersteigen oftmals die unmittelbaren Geldverluste.

Die Zerstörungen sind erheblich und übersteigen oftmals die unmittelbaren Geldverluste.

(Foto: picture alliance/dpa)

Eine Bande von Geldautomatensprengern wird in den Niederlanden gefasst. Ab heute wird ihnen in Bamberg der Prozess gemacht. Es ist ein Ermittlungserfolg gegen eine Form der Kriminalität, die in den vergangenen Jahren immer erschreckendere Ausmaße angenommen hat.

Vor dem Landgericht Bamberg beginnt heute ein Prozess, wie ihn die fränkische Stadt noch nicht erlebt hat. Vor Gericht stehen 15 Angeklagte aus den Niederlanden und einer aus Belgien, die von 2021 bis 2023 bei verschiedenen Banken Geldautomaten gesprengt haben sollen, um an Bargeld zu kommen.

Insgesamt sollen sie dabei mehr als drei Millionen Euro erbeutet haben. Der Sachschaden liegt bei mehr als 5,5 Millionen Euro. Die 27 Taten verübten sie nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft im gesamten Bundesgebiet, mit Schwerpunkten in Bayern und Baden-Württemberg. Die Tatvorwürfe lauten schwerer Bandendiebstahl, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und Zerstörung von Bauwerken. Die Organisation der Hauptverhandlung ist aufwendig: Weil zu den 16 Angeklagten noch die Verteidiger sowie Dolmetscher kommen, wurde die Hauptverhandlung in eine Halle auf das Gelände des Bundespolizeiaus- und fortbildungszentrums in Bamberg verlegt.

Der Prozess dürfte ein Schlaglicht auf eine Form der Organisierten Kriminalität werfen, die in den vergangenen Jahren massiv zugenommen hat. Nach Angaben der Polizei haben niederländische Automatensprenger ihre Aktivitäten fast vollständig nach Deutschland verlegt. Laut dem Bundeslagebild des BKA zu Angriffen auf Geldautomaten wurden 2022 in Deutschland 496 Geldautomaten gesprengt, die meisten Taten wurden in NRW (182) gezählt, darauf folgen Niedersachsen (68) und Rheinland-Pfalz (56).

Wer sind die Automatensprenger?

Die BKA-Experten stellen in ihrer vorläufig letzten Erfassung des Phänomens fest: "Auffällig bleibt, dass insbesondere die westdeutschen Länder mit Nähe zu den Niederlanden insgesamt deutlich stärker betroffen waren als das restliche Bundesgebiet. Dies dürfte vor allem daran liegen, dass viele Tatverdächtige aus den Niederlanden zur Tatbegehung nach Deutschland einreisen."

In der RTL-Doku "Bankraub 2.0 - Jagd auf die Automatensprenger" wird die hochprofessionelle Organisation der niederländischen Automatensprengerbanden offengelegt. Laut einem bayrischen LKA-Experten bestehen die Überfallkommandos meist aus vier Personen: zwei Personen, die den Sprengsatz platzieren, einer Person, die die Sprengung auslöst und einem Fluchtfahrer. Eine Sprengung und der anschließende Raub dauern demnach im Durchschnitt nicht länger als fünf Minuten. Die durchschnittliche Beute liegt bei 100.000 Euro pro Geldautomat. Die Doku läuft am Donnerstagabend ab 22:35 Uhr bei RTL oder auf Abruf auf RTL+.

Obwohl die Banden dem BKA zufolge Geldautomaten für die Überfälle auswählen, an denen kaum Publikumsverkehr zu erwarten ist, nehmen sie in Kauf, dass auch Menschen zu Schaden kommen. Ein Problem sind die häufig aus illegalen Feuerwerkskörpern gebauten Sprengsätze, die die Gaseinleitungen weitgehend abgelöst haben. Die "schlagartig verbreiteten Trümmerteile und Splitter bergen hohe Risiken, die von den Tätern nicht abgeschätzt werden können", so das BKA. Das gefährdet zunehmend Anwohner oder Passantinnen in der unmittelbaren Umgebung, aber auch Einsatzkräfte an den Tatorten. Eine erhebliche Gefahr geht zudem vom Fluchtgeschehen aus. Die Täter nutzen hochmotorisierte Autos, die häufig noch technisch verändert werden, damit sie Geschwindigkeiten von mehr als 300 Kilometer pro Stunde erreichen. Die rücksichtslose Fahrweise unter Stress und Fluchtdruck stellt ein erhebliches Risiko für Unbeteiligte dar.

Trendwende zeichnet sich ab

Dass die niederländischen Banden vor allem in Deutschland agieren und inzwischen immer weitere Wege, auch in andere Bundesländer in Kauf nehmen, hat auch mit den deutlich geringeren Sicherheitsmaßnahmen der Banken hierzulande zu tun. In den Niederlanden ist nicht nur die Zahl der Automaten geringer, weil Bargeld weniger gebräuchlich ist. Im Fall einer Sprengung werden die erbeuteten Scheine auch zu Blöcken miteinander verklebt, damit sind sie wertlos. Inzwischen rüsten sich auch deutsche Banken zunehmend besser, indem sie in den Automaten Farbmarkierungssysteme verbauen oder Automaten an besonders gefährdeten Orten entfernen.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul zeigte sich Anfang März optimistisch, dass sich eine Trendwende abzeichne. Bis zu diesem Zeitpunkt waren in NRW erst sieben Geldautomaten gesprengt worden. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es da schon 35 Sprengungen, so der CDU-Politiker. Experten vermuten jedoch, dass sich auch die Automatensprenger anpassen. So steigen die Überfallzahlen in Bundesländern, die bisher nicht verstärkt im Fokus lagen. Möglicherweise nehmen die Täter längere Anreisen in Kauf.

Mehr zum Thema

Mithilfe von Störsendern verwischen sie zudem zunehmend ihre digitalen Spuren. Dadurch gelinge es nicht mehr, die Täter über ihre Mobiltelefone und deren Anwesenheit in den Mobilfunkzellen zu ermitteln. Und auch bei der Wahl der Fluchtfahrzeuge berücksichtigen die Täter das Polizeiwissen. Statt eines hochmotorisierten Audi wurde auch schon ein VW Caddy beobachtet.

Zum Gesamtkonzept der Behörden gegen das Phänomen gehört auch die konsequente Strafverfolgung. In Bamberg sind vorläufig 74 Verhandlungstermine angesetzt worden. Die Urteile sollen möglicherweise schon zum Jahresende fallen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen