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Delta grassiert in Russland Moskau führt hartes Impfregime ein

Militärzeremonie in Moskau: Ohne Impfung geht in der russischen Hauptstadt bald nichts mehr.

Militärzeremonie in Moskau: Ohne Impfung geht in der russischen Hauptstadt bald nichts mehr.

(Foto: imago images/ITAR-TASS)

Russlands Präsident Putin hat eine Impfpflicht für Russen lange ausgeschlossen. Nun kommt sie doch durch die Hintertür. Während Moskau und St. Petersburg die höchste Zahl von Todesfällen seit Pandemiebeginn melden und sich die Delta-Variante weiter ausbreitet, dürfen viele Bürger nur noch mit Impfpass ausgehen.

In Russland setzt sich der dramatische Anstieg der Infektionen mit der Delta-Variante des Coronavirus fort: Die Hauptstadt Moskau registrierte mit 144 Todesfällen die höchste Zahl an Corona-Toten in einer russischen Stadt seit Beginn der Pandemie. Die zweitgrößte Stadt des Landes, die EM-Austragungsstätte St. Petersburg, hatte erst am Samstag mit 107 Todesfällen einen Höchststand verzeichnet.

In ganz Russland wurden am Sonntag 599 Todesfälle registriert; die Behörden meldeten zudem 20.538 Neuinfektionen. Vor allem aufgrund der Ausbreitung der besonders ansteckenden Delta-Variante steigen die Infektionszahlen seit Anfang Juni wieder stark an. Die Bundesregierung hat Russland deshalb am Freitagabend als Virusvariantengebiet eingestuft: Ab Dienstag gelten bei der Wiedereinreise nach Deutschland besonders strenge Regeln.

Impfpflicht für Unternehmen

Angesichts der anhaltenden Corona-Krise in Russland hatte Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin in der vergangenen Woche eine Impfpflicht für Beschäftigte des Dienstleistungssektors angeordnet. "Wir müssen einfach alles tun, um so schnell wie möglich Massenimpfungen durchzuführen und diese schreckliche Krankheit zu stoppen", teilte Sobjanin mit. Er verwies auf einen "dramatischen" Anstieg der Neuinfektionen.

Weitere Regionen in Russland folgten dem Beispiel der Hauptstadt mit ähnlichen Anordnungen. Danach sind Unternehmen verpflichtet, für eine Impfung von 60 Prozent ihrer Angestellten zu sorgen. Kritiker bemängeln, dass für eine solche Impfanweisung durch Arbeitgeber die gesetzliche Grundlage fehle. Weil diesen aber Strafen drohen, wenn ihre Unternehmen die Quote nicht erfüllen, sei vorprogrammiert, dass sie ihre Angestellten "mit legalen und illegalen Maßnahmen" zum Impfen bewegen würden, sagte etwa eine Rechtsanwältin dem kremlkritischen Portal Meduza.

Die Stadt führt ab Montag auch einen "Anti-Covid-Pass" für das Ausgehen ein, der nur Bewohnern den Zutritt zu Restaurants erlaubt, die geimpft wurden, in den vergangenen sechs Monaten krank waren oder einen aktuellen negativen PCR-Test vorweisen können.

Täglich kommen 2000 Moskauer ins Krankenhaus

Sobjanin warnte am Samstagabend im Fernsehen, täglich würden in der Hauptstadt knapp rund 2000 Infizierte ins Krankenhaus eingeliefert. Er rief alle Einwohner eindringlich dazu auf, sich impfen zu lassen. Die Pandemie lasse sich nur mit einer raschen, großangelegten Impfkampagne stoppen. "Niemand hat eine andere Lösung gefunden." Es gebe nur die Möglichkeit, sich impfen zu lassen oder einen erneuten Lockdown hinzunehmen.

Bereits vor einigen Tagen hatte Sobjanin verkündet, dass rund 90 Prozent der Neu-Infektionen auf die zuerst in Indien aufgetretene Delta-Variante zurückzuführen seien. Moskau verschärft daher die Beschränkungen wieder. Ab Montag müssen Unternehmen die Anzahl ihrer Mitarbeiter im Büro um 30 Prozent reduzieren. Geimpfte Mitarbeiter sind davon ausgenommen. Zudem müssen alle Arbeitnehmer über 65 Jahre sowie diejenigen mit Vorerkrankungen von zu Hause aus arbeiten.

Weit verbreitete Impfskepsis

In Russland, das mit Sputnik V schon früh einen eigenen Impfstoff hatte, ist die Impfskepsis besonders verbreitet. Bis Samstag hatten erst 21,2 Millionen der 146 Millionen Russen mindestens eine Dosis erhalten. Dabei ist Russland das europäische Land, das am schlimmsten von der Corona-Pandemie betroffen wurde. Nach Regierungsangaben gab es dort bislang 133.282 Tote. Die Statistik-Agentur Rosstat, die andere Maßstäbe anlegt, kam Ende April bereits auf eine Gesamtzahl der Corona-Toten von mindestens 270.000.

St. Petersburg, das für sieben Europameisterschaftsspiele ausgewählt wurde, ist nach Moskau am zweitstärksten von der Pandemie betroffen. Am Sonntag wurden dort 106 Tote und 1298 Neuinfektionen gezählt. Das letzte EM-Spiel in der Stadt findet am kommenden Freitag statt. Beim Match Finnland gegen Belgien am vergangenen Montag steckten sich dutzende finnische Fans an und trugen den Erreger zurück in die Heimat.

Quelle: ntv.de, mau/AFP

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