"Ausdruck von Holocaustleugnung" NDR veröffentlicht gefälschte Hitler-Tagebücher
23.02.2023, 11:27 Uhr
Konrad Kujau würde sich in den Tagebüchern um eine positive Darstellung Hitlers bemühen, erklärt die Historikerin Heike Görtemaker.
(Foto: picture alliance/dpa)
1983 verkauft der Kunstfälscher Konrad Kujau dem "Stern" angebliche Tagebücher Adolf Hitlers. Was folgt, ist einer der größten Presseskandale der Nachkriegsgeschichte. Nun will der NDR alle 60 Bände der Fälschung mit kritischer Einordnung veröffentlichen.
40 Jahre nach dem Skandal um die gefälschten Hitler-Tagebücher veröffentlicht der Norddeutsche Rundfunk (NDR) die kompletten 60 Bände der Fälschung in einer kritischen Ausgabe im Internet. Den Text begleite zudem ein wissenschaftlicher Kommentar des Berliner Historikers Hajo Funke, teilte der NDR in Hamburg mit. Erstmals werde dadurch in vollem Umfang die Absicht der Fälschung deutlich, die NS-Geschichte neu zu deuten und zu verharmlosen. Der "Stern" hatte im April 1983 die angeblichen Tagebücher Adolf Hitlers als vermeintliche Sensation veröffentlicht. Wenige Tage später stellten sie sich als Fälschung heraus. Es war einer der größten deutschen Presseskandale.
Angefertigt hatte die Bücher der Kunstfälscher Konrad Kujau, der laut NDR-Recherchen tiefer in ein neonazistisches Umfeld verstrickt gewesen sein soll, als dies bislang bekannt war. Ein "Stern"-Reporter kaufte die Aufzeichnungen im Auftrag seines Verlags auf. Sie sollten nach und nach veröffentlicht werden. "Diese Tagebücher sind Ausdruck von Holocaustleugnung", erklärte Funke nun. "Sie wollten Hitler von den schlimmsten Verbrechen der Nazis freisprechen." Die zentrale Erzählung der gefälschten Tagebücher sei, dass Hitler angeblich nichts vom Holocaust wusste. Die Historikerin Heike Görtemaker erklärte, der "fiktive Hitler" der Tagebücher habe mit den "nationalsozialistischen Gewaltverbrechen" nichts zu tun. "Kujau erfindet hier eine positive Hitler-Figur."
Begriffe wie "Endlösung" und "Gaskammer" fehlen vollständig
An zahlreichen Stellen erzählt die Fälschung demnach, wie sich ein vermeintlicher Hitler um eine wohlwollende Lösung für die Juden einsetzt. Zu einem Zeitpunkt, an dem der Holocaust längst entfesselt war, schreibt der fiktive Hitler, die Juden sollten zur schnellen Auswanderung bewegt werden - oder ihnen ein "sicherer Landstrich in den besetzten Gebieten" gesucht werden. Nach NDR-Angaben konnte die Handschrift der gefälschten Tagebücher mithilfe einer künstlichen Intelligenz lesbar und recherchierbar gemacht werden. Dabei zeige sich, dass sämtliche Begriffe des Holocausts nicht vorkommen. Schlagwörter wie "Endlösung" oder "Gaskammer" fehlen vollständig.
Nach NDR-Angaben liegen die Originalbände der gefälschten Tagebücher gesperrt in einem Safe des Hamburger Verlags Gruner + Jahr. Dem NDR-Projekt liegen Kopien der Tagebücher zugrunde. Eine 2013 vom Stern zugesagte Freigabe der Originale an das Bundesarchiv sei bis heute nicht erfolgt. Die Tagebücher sollen ab dem frühen Donnerstagabend auf der NDR-Webseite zugänglich sein.
Quelle: ntv.de, lar/AFP