Wegen Mordes verurteilt Pfleger-Geständnis lässt Beobachter schaudern
15.05.2023, 13:44 Uhr
Der Angeklagte hätte vermutlich nicht mit dem Morden aufgehört, wenn er nicht erwischt worden wäre.
(Foto: dpa)
Ein Pfleger, den seine Patientinnen und Patienten nur stören, und der sie deshalb tötet. Der Prozess in München gegen einen 27-Jährigen ist für die Beteiligten extrem belastend. Auch, weil der nun Verurteilte deutlich macht, dass er freiwillig nicht mit dem Morden aufgehört hätte.
"Man denkt in keiner Sekunde sicherlich dran, dass ein Pfleger, der dafür zuständig ist, für die Heilung zu sorgen, dass der einen angreift", sagt der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann. "Es war sein Job, bei der Heilung zu helfen, und er macht genau das Gegenteil und das auch noch im Krankenhaus."
Das Landgericht München hat einen Krankenpfleger wegen zweifachen Mordes und sechsfachen Mordversuchs zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht stellt auch die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren so gut wie ausgeschlossen. Der inzwischen 27 Jahre alte Deutsche habe "seine Ruhe, seine Bequemlichkeit über das Lebensrecht der Patienten gestellt", heißt es in der Urteilsbegründung.
Der gelernte Altenpfleger, der als Krankenpfleger auf der Wachstation des Münchner Klinikums rechts der Isar gearbeitet hatte, hatte zu Prozessbeginn unumwunden eingeräumt, zwei 80 und 89 Jahre alte Patienten getötet und es bei drei weiteren versucht zu haben - bei zwei von ihnen mehrmals.
"Ich hätte weitergemacht"
Das Motiv, das er angab, klang erschreckend banal: Er habe einen Kater gehabt und seine Ruhe gewollt. "Um seine Ruhe zu haben und nicht arbeiten zu müssen", habe er die Patienten ruhiggestellt, sagt Riedmann. Um "Zeit zu haben fürs Schlafen oder fürs Handyspielen". Kaum eine seiner Pflegeaufgaben habe er wirklich erledigt, Patienten weder gewaschen noch Vitalwerte überwacht. Erst am Morgen habe er die Patienten aufgesetzt - zur Visite. Der Anklage zufolge wollte er nicht nur seine Ruhe, sondern genoss auch die Machtgefühle, wenn die Ärzte ratlos waren, weil es Patienten plötzlich wieder so schlecht ging.
Riedmann spricht von einem "Geständnis, das allerdings schon fast ein bisschen schaudern lässt". Und schaudern musste er auch an anderer Stelle, wie er sagt, und gibt ein Zitat des Angeklagten wieder: Denn auf die Frage, wie es weitergegangen wäre, wären seine Taten nicht aufgeflogen, sagte der: "Ich hätte weitergemacht."
Eine an die Haft anschließende Sicherungsverwahrung, die die Staatsanwaltschaft gefordert hatte, verhängte das Gericht allerdings dennoch nicht. Riedmann begründet das unter anderem damit, dass der Angeklagte noch sehr jung sei, seine Taten bereue, keine Vorstrafen und eine lange Zeit im Gefängnis vor sich habe. Das Gericht schließe sich dem angehörten Sachverständigen an, der "zwar eine große Gefahr, aber keine sehr große Gefahr gesehen hat", die künftig vom Angeklagten ausgehen könne.
Die Kammer beschränkt sich somit auf ein lebenslanges Berufsverbot für alle Pflegeberufe. Als Alten- und Krankenpfleger wird der Mann, der im Prozess betonte, das auch gar nicht mehr zu wollen, nie wieder arbeiten dürfen: "An dem Verbot führt kein Weg vorbei." Innerhalb der Kammer sei die Frage der Sicherungsverwahrung ein "Problem" gewesen, "das zu einigen Diskussionen geführt hat", räumt Riedmann ein. Eine Zeitarbeitsfirma aus Österreich hatte ihn an das Krankenhaus vermittelt, in Österreich habe er dem Bayrischen Rundfunk zufolge zu dieser Zeit nicht arbeiten dürfen.
Nicht betrunken, nur verkatert
Der Forderung der Verteidiger nach der Unterbringung ihres Mandanten in einer Entziehungsanstalt kommt das Gericht nicht nach. Der Mann habe zwar in der Freizeit viel getrunken, zeige aber in Haft "keine Entzugssymptomatik".
Außerdem sei der Mann, der im Krankenhaus auffiel, weil er sehr viel Parfüm benutzte, um seine Alkoholfahne zu überdecken, bei der Arbeit nicht völlig betrunken, sondern in erster Linie verkatert gewesen. "Es war möglicherweise häufig so, dass er noch einen Kater hatte", sagt Riedmann. Aber: "Das Handeln im Katerzustand sehen wir nicht als Symptomtat an." Ausgesagt hatte der 27-jährige, dass er mit dem Taxi zur Nachtschicht fuhr, weil er zu betrunken für die U-Bahn gewesen sei. Elf, zwölf Flaschen Bier habe er schon morgens an der Tankstelle nach der Nachtschicht getrunken. Dazu noch Schnaps und Beruhigungsmittel, die er nach eigenen Angaben aus von ihm selbst aufgegebenen Bestellungen für das Klinikum rechts der Isar abzweigte.
Sein Mandant sei "relativ zufrieden", dass er keine Sicherungsverwahrung bekommen habe, sagt Verteidiger Benedikt Stehle nach dem Urteil und kündigt an, "erstmal pro forma" Revision einlegen zu wollen. Der Angeklagte bereue die Taten, betont der Anwalt. "Es hat ihn die ganze Zeit schon sehr belastet, was er da getan hat."
Quelle: ntv.de, Sabina Crisan und Britta Schultejans, dpa