Panorama

Aus der Schmoll-EckePolitisch korrekter und ach so feministischer Mozart-Stuss

21.12.2025, 07:11 Uhr schmollEine Kolumne von Thomas Schmoll
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Amadeus Mozart (Eren M. Güvercin) verbeugt sich in einer Szene in "Mozart/Mozart". (Foto: picture alliance/dpa/WDR/Story House Pictures GmbH)

Die ARD bringt eine "High-End-Serie" zur Familie Mozart raus. Die dünne Botschaft, divers verpackt, lautet: Frauengleichstellung wäre auch damals gut gewesen. Absurd ist: Ausgerechnet "Die Entführung aus dem Serail" steht im Mittelpunkt. Sie ist nach heutigen Maßstäben Mozarts politisch unkorrekteste Oper.

Kirchen-Bashing geht immer. Das ist erlaubt, auch in der ARD. Es trifft ja nur Christen. Deshalb erleben wir gleich am Anfang der sogenannten "Event-Serie" mit dem Titel "Mozart / Mozart" zwei Pfaffen und einen ihrer Komplizen, Pralinés in sich stopfend, gelangweilt und kein Stück an der Musik von Wolfgang Amadeus Mozart interessiert. "Er ist ein Heuchler, der sich kein Stück für meine Musik interessiert", klagt der Mozart-Darsteller unmittelbar vor der Darbietung einer "Missa brevis". Seine Schwester Maria Anna, von ihrer Familie und Freunden "Nannerl" genannt, hilft ihm, seinen Widerwillen zu überwinden. "Dafür fehlen noch die Noten für die Harfe." Der Mozart-Darsteller sagt: "Ich hasse die Harfe."

Die Harfe ist in der "Missa brevis" überhaupt nicht vorgesehen. Egal. In der allerersten Szene spielen die Geschwister als "Wunderkinder" vierhändig den Beginn von Mozarts Klaviersonate Nr. 16 für zwei Hände - er schuf sie 1788, drei Jahre vor seinem Tod. Auch egal. All das interessiert nicht in einer Serie über einen Komponisten, in der es nicht um Musik geht, sondern um Feminismus und gesellschaftlichen Fortschritt, wie wir ihn heute verstehen. Der Salzburger Fürsterzbischof von Colloredo, mit dem sich der reale Mozart überwarf, pennt - man lässt kein Klischee aus - sofort ein. Schnarch. Das ärgert den Mozart-Darsteller, was er dem Publikum mittels kräftigem Schlag auf die Tastatur eines Cembalos kundtut: Es erklingt ein lauter Ton eines modernen Flügels, was zeigt, dass Mozart wahrhaft musikalische Wunder vollbringen konnte.

Danach erfüllt unsäglicher Synthesizer-Pop (oder so was in der Art) die Kirche. Der Erzbischof ist empört, die Kirchenbesucher jubeln aus unerfindlichen Gründen. Ich war entsetzt. Doch ich war krank, lag im Bett, hatte nichts zu tun und dachte: Ach, ich guck mir das an und schreib eine Kolumne darüber. Ich, ein bekennender Befürworter des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks, möchte wissen, was ich mit meinen Gebühren finanziere. In dem Falle fällt das Urteil leicht: Stuss. Ich kann mich nicht erinnern, dass mich eine Serie so sehr in Rage versetzt hat wie diese. Was natürlich damit zu tun hat, dass ich alle sechs Folgen sehen musste, um darüber zu schreiben. Normalerweise hätte ich nach 15 Minuten ausgemacht.

Mit dem Genie Mozart und seiner Familie hat der Unsinn so viel zu tun wie Harry Potter mit der Realität. Die sogenannte "Event-Serie" dreht sich um eine frei erfundene Auseinandersetzung zwischen Bruder und Schwester. Beide rangeln obendrein mit ihrem ach so fiesen Vater Leopold Mozart, der seine Tochter, wie das damals so üblich war, verheiraten will, was unser Film-"Nannerl", deren feministisches Herz von Folge zu Folge lauter schlägt, nicht will. "Papa, bitte nicht." Ihre Auflehnung richtet sich selbst gegen ihren Kosenamen. "Maria Anna, nicht mehr Nannerl, Vater." Der Bruder wird ebenso konsequent "Amadeus" gerufen, auch wenn er selbst "Amadé" bevorzugte und im Familienkreis "Wolferl" war.

Vorstellungskraft schlägt Fakten

Alles wurscht. Die Macher der sechs Folgen, die - wenigstens hier zeigt sich ihr Humor - "von einer High-End-Serie" sprechen, blenden im Vorspann einen Hinweis ein, der sie unangreifbar macht. Zu sehen sei "die Geschichte der Geschwister Mozart, nicht wie die historische Überlieferung sie schreibt, sondern die Vorstellungskraft". Mit diesem Freifahrtschein in eigener Sache erlauben sie sich alles. Mozart war ein bösartiger Säufer, landete im Entzug und - jetzt wird es noch irrer - konnte nicht so wirklich komponieren. Das Genie war seine Schwester. Aber leider war es damals um die Frauengleichstellung extrem schlecht bestellt, worunter unser Nicht-Nannerl leidet. Unser Nicht-Wolferl weiß das: "Ohne dich, Schwesterherz, würde all meine Musik in Vergessenheit geraten."

Das wäre alles irgendwie noch zu ertragen, wäre es nur nicht so bierernst gemeint. Frauen nach vorn! Frauen halten zusammen! "Jetzt nimmst du Anna Maria alles, wofür sie so hart gearbeitet hat." So sagt es die Gattin des Nicht-Wolferls ihrem Ehemann. Die Dialoge könnten weitgehend aus einer Daily Soap sein. Die zwei Hauptdarsteller treten zudem den Beweis an, dass man die hohe Kunst der Schauspielerei nicht wirklich beherrschen muss, um in einer "High-End-Serie" für die ARD mitzuwirken. Nicht-Wolferl drückt seine ewige Wut und Boshaftigkeit mit geweiteten Nasenflügeln aus oder schmeißt Notenständer um, wenn er nicht gerade säuft oder vögelt. Nicht-Nannerl präsentiert sich bevorzugt mit offenem Mund, als wäre sie Bambi, das den Tod von Mutti beobachtet.

Allein der "Spiegel" trat ein wenig als Verteidiger auf und stellte die Frage, ob "Mozart / Mozart" nicht doch ein "blasphemischer Geniestreich" sei. Nö. Garantiert nicht. Das wäre die Serie vielleicht geworden, wenn sie das Hofleben konsequent verarscht hätte - und Mozart nur Randfigur wäre. In Ansätzen passiert das, wenn sich der österreichische Kaiser Joseph II. und seine Schwester, die französische Königin Marie-Antoinette, darüber kabbeln, wie sehr man beim Geldausgeben auf "das Volk" Rücksicht nehmen müsse. Sie war berühmt für Ausschweifungen aller Art, was ihr während der französischen Revolution den Kopf kostete, obwohl viele Behauptungen über sie erfunden oder aufgebauscht worden waren.

Marie-Antoinette war als Erwachsene nie in Wien. Aber die "Vorstellungskraft" überwindet ja bekanntlich alle Grenzen. Schließlich brauchten die Erzeuger von "Mozart / Mozart" eine Königin, die ebenfalls ihre feministische Ader entdeckt und mit ihrer dynastisch auferlegten Aufgabe hadert, möglichst einen Thronfolger zu gebären. "Natürlich verstehst du das nicht", sagt sie dem Kaiser. "Um deinen Körper schert sich ja niemand." Ach Gottchen, das Leben muss für Königinnen in Versailles die Hölle gewesen sein.

Einige Sekunden Requiem

Die dünne Botschaft wird selbstverständlich divers verpackt. Ein Instrumentenbauer und die frühere Geliebte von Leopold Mozart sind Schwarze. Sie stehen für das Gute und Kluge auf allerhöchstem Niveau. Die Ex beklagt Rassismus und Unterdrückung: "Wie viele Opernhäuser kennst du, die eine allein erziehende Mutter anstellen?" Sie, die Weise mit migrantischen Wurzeln, liest Leopold die Leviten, spricht über "die erdrückende Last, die du deinen Kindern auferlegt hast". Da jubelt die Generation Z, falls sie den Quatsch schaut, was sein kann, weil die Hauptdarsteller auf Influencer-Niveau agieren. Das überfordert nicht. Und der psychologische Überbau eines Familienkonflikts passt zum Zeitgeist. "Du hast mich nie als ebenbürtig gesehen", sagt Nicht-Nannerl zum Bruder. Oder zum Vater? Egal. Der sagt, er habe alles "für euch" getan. Na klar.

In den sechs Folgen gibt es immerhin einige Sekunden, die einen tief berühren. Nämlich als ein kleiner Ausschnitt aus Mozarts Requiem zu hören ist - und man die Augen schließt. Ansonsten hat die Musik nichts mit Mozart zu tun. Zu vernehmen ist ein Mix aus irischen Folkklängen, New Age, Fahrstuhlmucke, afrikanischen Rhythmen, teils vorgebracht von einer fahrenden Künstlertruppe, natürlich multikulturell aufgestellt und sexuell tolerant.

Die Tragik des Ganzen ist: Das Thema "Frauen in der Musik", warum sie jahrhundertlang so gut wie überhaupt keine Chance hatten, gehört und anerkannt zu werden, wäre eine Serie wert gewesen. Das Absurdeste unter all den Absurditäten ist: Nicht-Nannerl komponiert (angeblich) "Die Entführung aus dem Serail" - nach heutigen Maßstäben ist es die politisch unkorrekteste Oper des realen Mozart. Allein dass eine Hauptfigur "Blondchen" genannt wird, sollte die feministische Maria Anna zusammenzucken lassen. Der Islam kommt nicht gut weg. Ein Konvertit besinnt sich auf seine christlichen Wurzeln und zeigt Gnade.

Das alles spielt in der High-End-Serie keine Rolle. Wozu auch? Natürlich endet alles gut. Die Geschwister sind wieder dicke, das Nicht-Nannerl heiratet nicht, Papa steht allein und dumm da, die Schwarze erobert die Opernbühne zurück, der Kaiser bejubelt den von Fräulein Mozart komponierten Etnopop. Ende gut, alles gut. Wie zu Mozarts Zeiten, in der jede Oper zwingend ein happy end haben musste. Zumindest das stimmt historisch.

Quelle: ntv.de

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