Panorama

BBC-Bericht über Propaganda Verwandte in Russland glauben nicht an Krieg in Ukraine

Die Schäden in Charkiw sind groß.

Die Schäden in Charkiw sind groß.

(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)

Während die Ukraine sich des russischen Angriffs erwehrt, verzweifeln Menschen in der Ukraine offenbar auch an ihren Familien. Ein Bericht schildert, wie eine Frau aus der Ukraine vergeblich versucht, ihre in Russland lebende Mutter davon zu überzeugen, dass sie mitten im Kriegsgebiet lebt.

Seit Tagen steht Charkiw unter Beschuss. Die Metropole im Nordosten der Ukraine ist nach Kiew die zweitgrößte Stadt des Landes, rund 1,5 Millionen Menschen leben eigentlich dort. Eigentlich, weil Charkiw bislang eines der zentralen Ziele des russischen Angriffskrieges ist und die Zahl derer, die flüchten, steigt täglich. Seit dem russischen Einmarsch häufen sich die Bilder und Videos, die die militärischen Attacken dokumentieren. Ausgebombte Gebäude, eingestürzte Wände, Trümmerhaufen auf den Straßen. "Als ich die ersten Explosionen gehört habe, bin ich aus dem Haus gerannt, um meine Hunde zu holen", berichtet die 25-jährige Oleksandra der britischen BBC. Und erzählt dann, dass ihre eigene Mutter ihr nicht glaubt, inmitten eines Kriegsgebiets um ihr eigenes Leben zu fürchten.

"Ich habe unmittelbar erzählt, dass hier Zivilisten sterben, dass Kinder sterben", sagt Oleksandra. Sie schickt Videos aus dem bombardierten, beschossenen Charkiw nach Moskau, wo ihre Mutter wohnt. Doch obwohl sich ihre Eltern um sie sorgen würden, "sagen sie, dass das wahrscheinlich nur aus Versehen passiert, dass die russische Armee niemals Zivilisten angreifen würde. Dass es Ukrainer sind, die ihr eigenes Volk umbringen."

Oleksandra berichtet der BBC, sie spreche regelmäßig mit ihrer Mutter. Diese schenke jedoch ihrer eigenen Tochter weniger Glauben als dem russischen Staatsfernsehen. "Da wird den Leuten eine Gehirnwäsche verpasst", sagt die 25-Jährige: "Und die Leute glauben das, was da erzählt wird." Zwar wüssten sie von einer "militärischen Unternehmung", so Oleksandra weiter, aber: "Ihnen wird erzählt, dass die Russen kommen würden, um uns zu befreien" und dafür nur militärische Ziele ins Visier nähmen. Dabei gibt es vielfältige Berichte darüber, dass auch zivile Infrastruktur durch russische Angriffe zerstört wird.

Zugang zu freien Medien weiter eingeschränkt

In den streng kontrollierten russischen Medien ist es derweil verboten, Worte wie "Angriff", "Invasion" oder "Kriegserklärung" zu verwenden. Seit dieser Woche steht die Verbreitung angeblicher Falschinformationen unter Strafe, es drohen hohe Geldstrafen oder sogar bis zu 15 Jahre Haft. Kritische Medien wurden in den vergangenen Tagen mehrfach blockiert und geschlossen, der Zugang zu unabhängigen Informationen aus dem Ausland ist stark eingeschränkt. Auch Präsident Wladimir Putin bezeichnet den russischen Angriffskrieg nur als "militärische Spezial-Operation".

Dem BBC-Bericht zufolge ist Oleksandra in ihrem Schicksal nicht allein. Viele Menschen in der Ukraine haben demnach Verwandtschaft, die in Russland lebt. "Es hat mir wirklich Angst gemacht", sagt sie, "als meine Mutter das russische Fernsehen exakt zitiert hat." Dass die eigene Familie eher den staatlich gesteuerten Medien vertraut als den Augenzeugenberichten, den selbst gedrehten Videos, die das Gegenteil belegen. Dafür ist selbst das Gespräch mit der britischen Rundfunkanstalt offenbar ein Beleg. Denn das offenbar per Video-Telefonat begonnene Interview musste während des Beschusses unterbrochen und per Sprachnachricht zu Ende geführt werden.

Dass Oleksandras Familie in Russland auf den BBC-Bericht stößt und ihre Sicht auf die Ereignisse in Charkiw und der Ukraine überdenkt, ist am heutigen Freitag noch unwahrscheinlicher geworden. Die russische Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor teilte am Morgen mit, dass der Zugang zu mehreren ausländischen Medien eingeschränkt worden sei. Zu den Betroffenen zählt neben der Deutschen Welle auch die BBC.

(Dieser Artikel wurde am Freitag, 04. März 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de, tsi

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen