Eine Folge der Pandemie? Raucheranteil steigt während Corona-Krise
27.12.2021, 08:54 Uhr
Die Langzeitstudie "Deutsche Befragung zum Rauchverhalten" hat ihre Ergebnisse für das Jahr 2021 veröffentlicht.
(Foto: imago images/Silas Stein)
Die lange Zeit im Homeoffice könnte einer der Gründe sein, warum in Deutschland wieder mehr Menschen zur Zigarette greifen. Ob ein direkter Zusammenhang mit der Pandemie besteht, ist aber noch unklar. Sicher ist, dass schon bald zum ersten Mal seit sieben Jahren die Tabaksteuer erhöht wird.
Der Anteil der Raucher in Deutschland steigt wieder. Er liegt derzeit bei fast 31 Prozent unter den Menschen ab 14 Jahren, wie aus der repräsentativen Langzeitstudie "Deutsche Befragung zum Rauchverhalten" (Debra) hervorgeht. Ende 2019 - vor der Corona-Pandemie - lag der Anteil der Raucherinnen und Raucher in der Bevölkerung ab 14 noch bei etwa 27 Prozent, vor einem Jahr bei etwa 27,5 Prozent.
Wahrscheinlich seien im vergangenen Jahr mehr frische Ex-Raucher rückfällig geworden, sagt der Suchtforscher und Debra-Leiter Daniel Kotz. "Ob Corona-Stress oder allgemein Auswirkungen der Pandemie da jetzt hineinspielen, ist ein bisschen spekulativ, kann aber sein." Denkbar ist etwa auch, dass Leute im Homeoffice ungehemmter zur Zigarette greifen als im normalen Büro.
Schon vor Corona habe man eine rückläufige Motivation in Deutschland beobachten können, mit dem Rauchen aufzuhören, erläutert Epidemiologe Kotz, der ebenfalls den Sucht-Forschungsschwerpunkt am Centre for Health and Society (CHS) der Uni-Klinik Düsseldorf leitet. Auch die sogenannte Rauchstoppversuchsrate sei rückläufig. Allerdings gebe es einen klaren Trend bei Jugendlichen, gar nicht erst anzufangen.
Zur Einordnung der deutschen Raucherquote verweist Kotz auf Großbritannien, wo es eine gut vergleichbare Studie gebe. Dort sinke der Raucheranteil seit Jahren kontinuierlich, er liege derzeit bei etwa 15 Prozent. Zum Vergleich: In England kostet eine Schachtel Markenzigaretten umgerechnet etwa 13 Euro und damit fast doppelt so viel wie in Deutschland.
Höhere Steuern auch für erhitzten Tabak
Deutschland kann ob seines Raucheranteils und vergleichsweise niedriger Preise für Zigaretten nach wie vor als Raucherparadies und Tabakland bezeichnet werden. In Nachbarländern wie der Schweiz, in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Dänemark sind Zigaretten teurer. Allerdings sind sie in vielen EU-Ländern auch billiger, darunter Österreich, Spanien, Italien, Polen und Tschechien.
Am 1. Januar 2022 gibt es erstmals seit sieben Jahren wieder eine Tabaksteuererhöhung in der Bundesrepublik. Die Steuer für eine Packung mit 20 Zigaretten steigt im neuen Jahr um durchschnittlich 10 Cent. 2023 werden weitere 10 Cent aufgeschlagen, in den Jahren 2025 und 2026 kommen noch einmal jeweils 15 Cent pro Packung hinzu.
Ebenso tritt das Tabaksteuermodernisierungsgesetz in Kraft. Auch Wasserpfeifentabak und erhitzter Tabak, die beide bislang niedriger - nämlich wie Pfeifentabak - besteuert worden sind, werden damit höher besteuert. Bei den Liquids für E-Zigaretten wird ebenfalls an der Steuerschraube gedreht - jedoch erst ab 1. Juli 2022.
15 Milliarden Euro durch Tabaksteuer
Die Tabaksteuer ist für den Staat eine wichtige Geldquelle: Im vergangenen Jahr nahm der Fiskus damit fast 15 Milliarden Euro ein. Dass der Staat auch beim erhitzten Tabak stärker zur Kasse bitten will, überrascht nicht. Der Markt wächst. Bei sogenannten Heat-not-Burn-Produkten handelt es sich um elektronische Heizstifte, in denen speziell verarbeiteter Tabak auf ein paar Hundert Grad erhitzt wird, ohne dass Asche und Zigarettenrauchgeruch entstehen. Nutzer ziehen an den Geräten wie an einer herkömmlichen Zigarette.
Den Anfang auf diesem neuen Markt machte hierzulande vor einigen Jahren der Konzern Philip Morris (Marlboro, L&M, Chesterfield) mit seinem System "Iqos" und den dazugehörenden "Heets". Inzwischen sind vergleichbare Produkte wie beispielsweise "Glo" von British American Tobacco (Lucky Strike, Pall Mall, HB, Dunhill) auf dem Markt. Nach Zahlen der Debra-Studie haben bislang mehr als 5 Prozent der Menschen in Deutschland Heat-not-burn-Produkte ausprobiert. Angaben eines Sprechers von Philip Morris zufolge gibt es allein in Deutschland inzwischen etwa 500.000 Iqos-Nutzer bei insgesamt etwa 22 Millionen Rauchern. Der Anteil im kombinierten Markt von Zigaretten und Erhitzter-Tabak-Produkten liege inzwischen bei 3 Prozent (Anteil gemessen nach Absatz in Stück).
125.000 Tote pro Jahr wegen Tabakkonsums
Bei Tabakerhitzern entstehen Aerosole mit weniger schädlichen Schadstoffen als im Rauch normaler Zigaretten. Das zeigen Studien, darunter viele anbieterfinanzierte. Der Konzern Philip Morris wünscht sich von Staats wegen mehr steuerliche Lenkungswirkung auf seine Zigaretten-Alternative. Andere EU-Länder machten dies, Deutschland weniger. Gemessen an Zigaretten werde erhitzter Tabak "im EU-Durchschnitt mit circa 30 Prozent besteuert und in Deutschland mit 80 Prozent", sagt Deutschlandchef Markus Essing.
Studien zufolge gehen nach wie vor etwa 13 Prozent der Mortalität in Deutschland auf das Tabakrauchen zurück, wobei sich ein gutes Viertel dieser Todesfälle noch im Erwerbsalter ereignet. Jährlich sterben in Deutschland ungefähr 125.000 Menschen an den Folgen von Tabakkonsum. Das sind mehr Rauchertote in einem Jahr als Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus nach fast zwei Jahren.
Quelle: ntv.de, mbe/dpa