Entscheidung "in wenigen Wochen" STIKO prüft Booster-Impfung für alle
02.11.2021, 03:48 Uhr
Experten fordern eine gezielte Booster-Kampagne, um die Verbreitung des Coronavirus zu bremsen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Bislang empfiehlt die Ständige Impfkommission Auffrischungsimpfungen gegen das Coronavirus für Menschen ab 70 Jahren. Ob die Empfehlung auf alle Altersgruppen ausgeweitet wird, will die STIKO bald entscheiden. Ein Pharmazieprofessor fordert indes eine Bedingung für die Booster-Spritze.
Die Ständige Impfkommission (STIKO) will kurzfristig entscheiden, ob Auffrischungsimpfungen gegen das Coronavirus in Deutschland für alle empfohlen werden. "Die Ständige Impfkommission prüft im Moment sehr intensiv, ob sie Auffrischungsimpfungen für alle Bevölkerungsgruppen empfehlen wird", sagte der STIKO-Vorsitzende Thomas Mertens den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Es gebe Daten aus internationalen Studien, die dafür sprechen, wobei geprüft werden müsse, inwieweit diese Ergebnisse auf Deutschland übertragbar seien. "Eine Entscheidung darüber wird in wenigen Wochen fallen."
Bei einer solchen allgemeinen Empfehlung für Booster-Impfungen sei die Frage entscheidend, ob damit die Weiterverbreitung des Virus gebremst werden könne, so Mertens. Nach den bisherigen Daten sei davon auszugehen, dass bei Jüngeren und Gesunden der Schutz vor einer Infektion ohne erhebliche Krankheitssymptome früher abnehme als der Schutz vor einer schweren Erkrankung nach Infektion. "Bei Jüngeren und Gesunden ginge es also sechs Monate nach der Grundimmunisierung vor allem darum, Infektionen zu verhindern um eine Weitergabe des Virus zu vermindern", so Mertens.
Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, forderte indes eine möglichst breite Nutzung der Auffrischungsimpfungen. "Jeder, dessen vollständige Impfung sechs Monate zurückliegt, sollte sich bald eine Auffrischungsimpfung holen", sagte Montgomery den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Nötig sei in diesem Herbst eine neue, zentrale Impfkampagne, die sich nicht nur an die Ungeimpften richte, sondern auch für allgemeine Booster-Impfungen wirbt". "Weil der Immunschutz nach einem halben Jahr abnimmt, müssen wir als Gesellschaft ein Interesse daran haben, dass der Schutz stabil bleibt", mahnte der Mediziner.
Antikörper-Test als Voraussetzung
Montgomery forderte, die Booster-Impfungen bei den niedergelassenen Ärzten zu machen. Sie hätten dafür die Erfahrung und auch die Kapazitäten. "Falsch dagegen wäre es, jetzt wieder auf Impfzentren zu setzen: Impfzentren waren am Anfang nötig, weil es zu wenig Impfstoff gab und die Lagerung der Dosen kompliziert war. Das ist heute anders." Impfzentren seien zehnmal so teuer wie das Impfen in den Arztpraxen, außerdem sei die Hemmschwelle für viele Menschen beim Hausarzt viel niedriger. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte die Länder dazu aufgerufen, für die Booster-Impfungen die Impfzentren zu reaktivieren.
Der Frankfurter Pharmazieprofessor Theodor Dingermann forderte Antikörper-Tests als Voraussetzung für Booster-Impfungen. "Wir sollten das Ergebnis der Impfung bei Jüngeren in Form von Antikörper-Tests kontrollieren - um zumindest einen Anhaltspunkt zu haben", sagte Dingermann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Er schlage dies vor, obwohl es bei der Antikörper-Konzentration keine klaren Grenzwerte gebe und die zelluläre Immunantwort nicht erfasst werde, denn "eine halbfertige Erfolgskontrolle der Impfung ist besser als gar keine", so der ehemalige Präsident der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG). Für über 60-Jährige sei dies nicht nötig, denn "hier zeigen die Daten eindeutig, dass es eine dritte Impfung braucht."
Das Ziel müsse eine "großzügige Booster-Kampagne" sein, in der "wir aber differenzieren und mitdenken, dass die Impfstoffe global weiter knapp sind." Die Zurückhaltung der STIKO, die flächendeckende Booster-Impfungen erst für Menschen ab 70 Jahren empfiehlt, sei "nicht ausschließlich medizinisch-pharmazeutisch" zu begründen, sondern auch vor dem Hintergrund der globalen Impfstoffknappheit zu verstehen. "Mit Blick auf die Daten ist eine Booster-Impfung für alle Geimpften positiv oder jedenfalls nicht schädlich, das ist aus meiner Sicht eindeutig", so Dingermann weiter. "Die bestmögliche Booster-Kampagne ist aktuell das wichtigste Instrument im Kampf gegen Corona", sagt der Mediziner. Er rechne damit, dass "man in zwei Jahren eine Drittimpfung braucht, um eine gültige Grundimmunisierung zu haben."
Quelle: ntv.de, chf