Panorama

Klub in Camp gibt Hoffnung Geflüchtete Kinder im Kongo spielen Schach statt Krieg

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Schachspielen soll den Kindern helfen, ihre traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten.

Schachspielen soll den Kindern helfen, ihre traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten.

(Foto: AP)

Seit Jahrzehnten toben im Kongo gewalttätige Konflikte. Mehr als fünf Millionen Menschen wurden innerhalb des afrikanischen Landes vertrieben, darunter auch viele Kinder. In einem der Flüchtlingscamps bewirkt ein Schachklub nun große Veränderungen. Dabei geht es für die Kinder um mehr als das Spiel.

Kinder sitzen auf der bloßen Erde, ihre Kleidung zerrissen und zerlumpt, ihre Schuhe voller Löcher. Aber ihre Augen glänzen und sind gebannt auf das gerichtet, was vor ihnen passiert. Dort, in einer Ecke in einem Flüchtlingslager im von Konflikt zerrütteten östlichen Kongo, sind ein Dutzend Schachspiele im Gange, jedes von ihnen mit einem eigenen faszinierten Publikum.

Überall auf dem Platz im Flüchtlingscamp sitzen Kinder vor Schachbrettern.

Überall auf dem Platz im Flüchtlingscamp sitzen Kinder vor Schachbrettern.

(Foto: AP)

Der Soga-Schachklub für Kinder verfügt zwar nicht über genügend Tische und Stühle. Die "Bretter" sind Vierecke aus Papier, markiert mit grünen und weißen Blöcken und auf der Unterseite mit Plastik verstärkt, um sie etwas haltbarer zu machen. Die Figuren kippen manchmal um, wenn die Spieler und Spielerinnen keine ausreichend ebene Stelle auf dem Boden gefunden haben, um ihr Papierspielfeld auszubreiten.

Aber die Gründer des Vereins sagen, dass es gut genug ist, um zu versuchen, diese Kinder wenigstens etwas von dem abzulenken, was sie im Zuge einer der schlimmsten Krisen auf der Welt gesehen und erlebt haben: Kämpfe und Tötungen, Hunger und Angst. Sie alle haben ihr Zuhause verloren, einige ihre Väter, Mütter oder Geschwister.

Schachspielen als Therapie

Schach sei ein therapeutischer Weg für die Kinder, dem Stress und Schrecken zu entkommen, den sie erlebt hätten, sagt Gabriel Nzaji, einer der Schachtrainer des Vereins. Das Spielen sporne die Kinder dazu an, still zu sein und sich zu konzentrieren - und so zur Ruhe zu kommen.

Mehr als fünf Millionen Menschen sind im Zuge des bereits jahrzehntelangen Konflikts im östlichen Kongo vertrieben worden. Dutzende bewaffnete Gruppen bekämpfen sich dort gegenseitig. Es geht um Land und die Kontrolle über Gebiete mit begehrten Mineralien. Eine Zunahme der Kämpfe in den vergangenen Monaten hat eine neue Flüchtlingswelle ausgelöst. Und es ist kein Ende in Sicht in dieser Vertriebenen-Tragödie, die manche andere, die mehr Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit finden, in ihrem Ausmaß bei Weitem übertrifft.

Hunderttausende Menschen, die zur Flucht vor den zerstörerischen Angriffen auf ihre Städte und Dörfer gezwungen waren, sind in Lagern wie dem in Kanyaruchinya gelandet, wo der Soga-Schachklub betrieben wird. Dem UN-Hilfswerk UNICEF zufolge leben rund 250.000 Kinder in den Camps, fern von ihrem Zuhause, ihren Schulen und manchmal auch von ihren Familien.

"Es entspannt mich"

Soga hat ungefähr 100 Kinder in dem Verein eingeschrieben. Dazu zählt der neunjährige Heritier, der noch dabei ist, das Spiel zu erlernen, aber genug Selbstvertrauen hat, um anderen auf die Sprünge zu helfen. "Hier", sagt er, während seine Finger über das "Brett" schnellen. "Ich tue alles, um meinen König zu schützen. Ich muss meine Dame opfern. Seht ihr das?" Er möge das Spiel sehr, sagt der Junge: "Es entspannt mich."

Das Trauma der Kinder im östlichen Kongo lässt sich nicht ermessen, manche der Mitglieder in dem Schachklub leben schon fast zwei Jahre lang in dem Lager in Kanyaruchinya. Hilfsorganisationen mühen sich, so viele der Millionen Vertriebenen wie möglich mit Essen und Unterkünften zu versorgen. Für die meisten der Flüchtlinge ist die Zukunft völlig ungewiss. Aber in Heritiers breitem Lächeln und seiner wiederentdeckten Freude an einem Spiel - eine Selbstverständlichkeit für so viele Kinder - sehen die Kluborganisatoren ein Zeichen der Hoffnung. "Die Perspektive dieser Kinder hat sich drastisch geändert", sagt Nzaji. "Sie gehen mit einer anderen Geisteshaltung an das Leben heran."

13-Jährige gewinnt Schachturnier

Den Organisatoren ist nach eigenen Angaben aufgefallen, dass die meisten Kinder ihre Tage im Lager gewöhnlich mit rabiaten, kriegsähnlichen Spielen verbringen, manchmal ausgerüstet mit Stöcken, die sie gegeneinander schwingen. Schach, so hoffen die Klubbetreiber, bietet ihnen etwas anderes als ein Nachahmen des Konflikts, den sie um sich herum erlebt haben.

Akili Bashige ist der Vorsitzende des Schachklubs.

Akili Bashige ist der Vorsitzende des Schachklubs.

(Foto: AP)

Akili Bashige, der Vorsitzende des Soga-Klubs, schildert, dass Teile des Camps in Orte des Optimismus verwandelt worden seien - durch Schach spielende Kinder. "Trotz ihrer begrenzten Ressourcen hält ihre Leidenschaft an", sagt er über seine jungen Vereinsmitglieder. Soga hat das Spiel auch in Waisenhäusern in der Region eingeführt, und möchte laut Bashige auch Klubs für Kinder organisieren, die in nahe gelegenen Städten und Dörfern auf der Straße leben.

Der Verein kann auch Eltern, die sich um ihre Kinder und deren Zukunft sorgen, etwas Mut machen. Die 13-jährige Arusi gewann kürzlich ein Schachturnier und damit einen Ruf als entschlossene Wettkämpferin. Ihre Mutter, Feza Twambaze, strahlt voller Stolz, als sie von dem Triumph erzählt. "Vor dem Soga-Schach waren sie untätig, wegen des Krieges und fehlender Schule", sagt sie über die Kinder im Camp und ihre Tochter. "Zu sehen, wie sie sich engagiert und entwickelt, erfüllt mich mit riesiger Freude."

Quelle: ntv.de, Ruth Alonga, AP

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