Panorama

Ausbalanciert und unverkennbar Bastiaan Woudt entzieht der Realität die Farbe

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Den Kontrast, aufregende Zukunftstechnologie in fast altmodischer Weise zu präsentieren, beherrscht Bastiaan Woudt meisterhaft.

Den Kontrast, aufregende Zukunftstechnologie in fast altmodischer Weise zu präsentieren, beherrscht Bastiaan Woudt meisterhaft.

(Foto: © Bastiaan Woudt)

Schlicht, skulptural, immer schwarz-weiß - das sind die Fotografien des niederländischen Künstlers Bastiaan Woudt. Derzeit sind sie in Berlin zu sehen, hier hat er mit ntv.de über neue Arbeiten mit KI und seine Inspirationsquellen gesprochen.

Wer einmal eine Fotografie von Bastiaan Woudt gesehen hat, vergisst sie nie mehr. Schwerelos scheinen die Models im leeren Raum zu schweben, riesige Hüte, manchmal gleich zwei, unterstreichen den skulpturalen, fast abstrakten Charakter. Dank seiner reduzierten Eleganz sind seine Porträtfotografien unverwechselbar.

Der Künstler, so, wie er auch seine Modelle fotografiert.

Der Künstler, so, wie er auch seine Modelle fotografiert.

(Foto: Philippe Vogelenzang)

Dabei ist es egal, ob Woudt die Menschen für Modehäuser wie Chanel, Magazine wie "Vogue" oder auf privaten Reisen in Nepal, Marokko oder anderswo porträtiert - seine Handschrift, an der er in seinem Amsterdamer Studio feilt, ist ausbalanciert und unverkennbar. In der Ausstellung "Rhythm" in der Berliner Galerie Jaeger Art kann man sich aktuell von seiner Dynamik und der Balance seiner Fotografie voller klarer Formen und dramatischer Momente verführen lassen.

Schon als Jugendlicher sammelt Bastiaan Woudt leidenschaftlich Bücher von großen Fotografen wie Richard Avedon oder Irving Penn. Die besondere Bildsprache der beiden bedeutendsten Fotografen des 20. Jahrhunderts fasziniert ihn. Mit der Geburt seines ersten Kindes wird die Passion endgültig zur Obsession und endlich auch zum Beruf.

Echo from Beyond, 2024

Echo from Beyond, 2024

(Foto: © Bastiaan Woudt)

Als sein erster Sohn auf die Welt kommt, kauft er sich eine Kamera, damit er jeden Wachstums-Millimeter festhalten kann. Beim Fotografieren verliebt er sich schließlich vollends in die Fotografie - mit Folgen, denn den Traum vom eigenen Restaurant legt er ad acta. Er gibt sich ein Jahr Zeit, um zu probieren, ob er mit seinen Fotos auch den Lebensunterhalt für sich und seine Familie verdienen kann. Das war 2009.

Keine Farbe

Ganz uneitel begann er, Porträts von Familien oder Geschäftsleuten zu machen, fotografierte Einrichtungen für Immobilienmakler. Das langweilt ihn jedoch schnell und er bemerkt, dass er keine Farbfotografie machen will. "Ich fand es spannend, der Realität die Farbe zu entziehen. Den ganzen Tag sind wir von Farben und einer endlosen Bilderflut umgeben. Aber man kann nicht schwarz und weiß sehen", sagt er ntv.de in Berlin. Inzwischen arbeitet er seit 13 Jahren ausschließlich in schwarz-weiß und den damit verbundenen, endlosen Grauschattierungen. Woudt findet, in diesem Farbspektrum könne man sich besser auf Formen und Konturen konzentrieren.

Ausgeglichen, offen und sehr entspannt wirkt der 37-Jährige beim Signieren seiner Bücher. Er ist ganz in Schwarz gekleidet, wie immer, das ist schließlich seine Lieblingsfarbe. Der Autodidakt, der ursprünglich Hotel- und Eventmanagement in Amsterdam studiert hat, beherrscht Licht und Schatten meisterhaft. Bereits nach zwei Jahren im neuen Job hat er raus, was ihn interessiert, und fängt an, seinen besonderen Stil zu schärfen.

Die Realität abzubilden ist nicht sein Ding, es geht ihm nicht darum zu zeigen, wie eine Person in diesem oder jenem Moment geschaut hat. Er schafft beinahe monochrome Bilder mit einer für ihn charakteristischen Ästhetik voller starker Kontraste. Das gelingt, indem er mittels Photoshop Elemente wegnimmt. Bereits im Vorfeld arrangiert und plant er die Komposition sorgfältig.

Tino VII, 2022

Tino VII, 2022

(Foto: © Bastiaan Woudt)

Künstliche Intelligenz ist ein Thema für ihn und auch in der Fotografie nicht aufzuhalten. Die Grenzen zwischen Wahrheit und Lüge verschwimmen - welche Bilder sind nicht manipuliert? Sind Fotografen bald ihren Job los? Woudt gibt sich optimistisch, arbeitet mit KI und benutzt sie, um Unikate zu kreieren. "Diese neue Technologie wird nicht verschwinden", gibt er zu bedenken, "sie ist gekommen, um zu bleiben. Sie ist ein fester Bestandteil unserer Zukunft. Ich glaube allerdings nicht, dass Kameras in zehn Jahren obsolet sind."

Zukunft und Altmodisches

Also experimentiert er mit KI und entdeckt andere Möglichkeiten, zu arbeiten. Am Anfang sei es ein Desaster gewesen, erinnert er sich. Doch wieder findet er einen eigenen Weg. "Es ist, als ob ich auf eine weiße Leinwand malen würde. Zunächst prompte ich eine Idee, und zwar so lange, bis das Ergebnis für mich stimmig ist." Dieses kombiniert er dann mit Bildern aus seinem eigenen Archiv. Die symbiotische Beziehung menschlicher Intelligenz und künstlichem Lernen ist das, was ihn interessiert.

Es dauert lange, bis er mit diesem "Mixed-Media-Projekt", wie er es nennt, ein zufriedenstellendes Produkt in den Händen hält. Er fühle sich dabei wie ein Kurator, sagt Woudt. Das Ergebnis lässt er auf besonderem japanischem Papier drucken. Diese mit KI erarbeiteten Werke sehen aus wie aus der Zeit gefallen. Der Fotograf liebt den Kontrast, aufregende Zukunftstechnologie in fast altmodischer Weise zu präsentieren.

Fre, 2021

Fre, 2021

(Foto: © Bastiaan Woudt)

Jedes der so entstandenen Bilder gibt es nur einmal. Es macht ihm Spaß, mit Künstlicher Intelligenz, die eigentlich den Arbeitsprozess beschleunigen soll, ganz bewusst verlangsamt in den Dialog zu gehen. So zieht er eine klare Grenze zu seiner eigenen Art der Fotografie, die er ebenfalls selbst entwickelt hat. Zeitlosigkeit ist der Schlüssel zu seinem Werk. "Ich mag keine Trends, keinen Hype. Jeder springt auf den Zug auf und dann, am nächsten Tag, geht es um was völlig anderes." Seine Fotografien lassen sich nicht verorten und könnten ebenso in den Dreißiger- oder Fünfzigerjahren entstanden sein.

Ganz neue Frequenzen

Wo holt er seine Inspiration her? Es seien die Fotobücher, die er sammelt, aber auch Architektur, Reisen oder eine Ausstellung, die seine Gedanken befeuern. Und er gönnt sich zwei- bis dreimal im Jahr einen speziellen bewusstseinserweiternden Trip. Für diese Reise, in der es auch darum geht, sich selbst ein Stück zu finden, nimmt er eine bestimmte Dosis Magic Mushrooms zu sich. Dabei liegt er mit einer Maske und Kopfhörern, über die er Frequenzen oder Musik hört, auf einem Sofa. Bis zu fünf Stunden begibt er sich sehr tief in sein Inneres. Währenddessen nimmt ein Rekorder alles auf, was er redet. Da er das schon seit Jahren mache, könne er das ohne Aufsicht machen, versichert er.

Echo from Beyond

Echo from Beyond

(Foto: © Bastiaan Woudt)

Bastiaan Woudt hat sich den Traum erfüllt, Fotograf zu werden, die Anerkennung als Künstler bekam er vor zwei Jahren. Ausgerechnet in seinem Geburtsort Bergen, an der niederländischen Küste, hat er im Museum Kranenburgh seine erste museale Ausstellung. Es sei schon ein besonderes Gefühl, wenn die eigenen Werke in solch einem Museum, das so herrlich liegt, gezeigt werden. "Es war sehr schön, in der Stadt, in der ich aufgewachsen bin, ausstellen zu dürfen", freut er sich. Dort waren auch Bilder seiner Muse zu sehen. Eines seiner ersten Modelle war Tinodena. Woudt erzählt, dass er ihr nichts erklären musste, sie habe sofort verstanden, was er mit seinen Fotografien bewirken wollte. Mit ihr hat er einen organischen Flow, den sein Publikum auf den Bildern erspüren kann.

Bastiaan Woudt "Rhythm", JAEGER ART, bis 16. November, Brunnenstraße 161, 10119 Berlin

Zum Buch "Champions", von Bastiaan Woudt, Verlag: 1605 Collective, €75 hier

Quelle: ntv.de

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