"Wollen keine Angst machen" So sehen Experten ein Tiktok-Verbot für Kinder und Jugendliche
25.06.2025, 11:48 Uhr Artikel anhören
Aus meiner Sicht kann man nicht sagen, dass die globale Krise der psychischen Gesundheit ausschließlich auf die sozialen Medien zurückzuführen ist, so die Expertin.
(Foto: picture alliance / ROBIN UTRECHT)
Die Zahlen sind auch im internationalen Vergleich hoch: Im Schnitt verbringen 15-Jährige in Deutschland 48 Stunden wöchentlich an ihren diversen Bildschirmen, was fast sieben Stunden täglich entspricht. Was lässt sich dagegen tun?
Ein wie jüngst in Australien beschlossenes pauschales Verbot von sozialen Medien für Kinder und jüngere Teenager ist unter Experten umstritten. "Nach deutschem Standard wäre das grenzwertig, was die Verhältnismäßigkeit angeht", sagt der Medienrechts-Experte Stephan Dreyer vom Leibniz-Institut für Medienforschung. Kinderrechte, zu denen auch Teilhabe gehöre, müssten berücksichtigt werden.
In Australien sollen Jugendliche künftig erst ab 16 Jahren Plattformen wie X, Tiktok, Facebook und Instagram nutzen dürfen. In Deutschland gibt es eine kontroverse Debatte darüber. CDU-Politikerin Karin Prien ist gegen eine solche Festlegung, betont aber die Notwendigkeit, Kinder im Umgang mit sozialen Netzwerken besser zu schützen.
Plattformen haben Verantwortung
Experte Dreyer sieht die Plattform-Anbieter in der Verantwortung und befürwortet Accounts, mit denen nur auf kinderfreundliche Inhalte zugegriffen werden kann, und für alles andere eine Altersprüfung - etwa durch Abfrage eines Ausweises oder Analyse biometrischer Merkmale - notwendig wäre. "Aus meiner Sicht wäre das technisch kein großes Problem."
Eine konsequente Altersprüfung befürwortet auch Isabel Brandhorst, die an der Uniklinik Tübingen zu Störungen durch Internetnutzung forscht. Sie will sich aber nicht auf ein geeignetes Alter festlegen. Zu einer solchen Prüfung sind Plattform-Anbieter bislang nicht verpflichtet. So gilt es als einfach, das bisher von den Plattformen vorgegebene Mindestalter von 13 Jahren zu umgehen.
Plattformen haben geschäftliche Interessen
Was die Plattformen angeht, ist Brandhorst skeptischer. "Ich bin pessimistisch, dass Anbieter die Anwendungen so gestalten, dass sie kinderfreundlich sind, weil sie dann nichts mehr daran verdienen", sagt sie mit Blick darauf, dass dann auch Zeitbeschränkungen und Werbeverbote eingeführt werden müssten.
Brandhorst sieht eher die Schulen in der Pflicht, Medienkompetenz zu lehren. "Viele Dinge, die Kinder und Jugendliche brauchen, um sich sicher im Netz zu bewegen, werden momentan flächenmäßig noch nicht vermittelt."
Studienlage bislang noch sehr dünn
Anne-Linda Camerini von der Universität Lugano ist gegen pauschale Verbote. "Wir wollen keine Angst machen und nicht tabuisieren und stigmatisieren." Durch Tabuisierungen könnten Angebote erst recht interessant werden und Verbote umgangen werden.
Die Experten betonen, dass es bislang - auch aus Datenschutzgründen - nur sehr wenig Forschung dazu gibt, welche Rolle soziale Medien dabei spielen, dass viele Kinder und Jugendliche psychische Probleme haben. Neben Folgen der Pandemie und weiteren Faktoren spiele etwa auch der Klimawandel eine Rolle für viele Kinder und Jugendliche, erklärt Brandhorst. "Aus meiner Sicht kann man nicht sagen, dass die globale Krise der psychischen Gesundheit ausschließlich auf die sozialen Medien zurückzuführen ist."
Deutsche Jugendliche verbringen im internationalen Vergleich besonders viel Zeit mit Tiktok, Computerspielen und anderen digitalen Anwendungen, wie aus einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervorgeht. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung empfiehlt Teenagern in dem Alter, nicht mehr als zwei Stunden mit digitalen Medien zu verbringen. Im Schnitt verbringen 15-Jährige in Deutschland laut OECD 48 Stunden wöchentlich an ihren diversen Bildschirmen, was fast sieben Stunden täglich entspricht.
Quelle: ntv.de, mbr/dpa