Panorama

Tod von Oury Jalloh Staatsanwalt verdächtigt angeblich Polizisten

Kerzen für Oury Jalloh - seine Familie will die Einstellung der Ermittlungen nicht hinnehmen.

Kerzen für Oury Jalloh - seine Familie will die Einstellung der Ermittlungen nicht hinnehmen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Im Oktober stellt die Justiz ihre Ermittlungen im Fall Oury Jalloh ein, obwohl der leitende Staatsanwalt neue Erkenntnisse hat. Er vermutet, dass der Asylbewerber sich nicht selbst angezündet hat, sondern durch Fremdeinwirkung gestorben ist.

Seit Jahren sorgt der Fall Oury Jalloh für Schlagzeilen - im Oktober entschied die Staatsanwaltschaft Halle schlussendlich, die Ermittlungen zu dem in einer Polizeidienststelle ums Leben gekommenen Asylbewerber einzustellen. Man könne die Vorgänge nicht mehr rekonstruieren, hieß es. Doch nun zeigen neue Enthüllungen der ARD, dass diese Entscheidung zumindest fragwürdig ist.

Der Asylbewerber Jalloh war 2005 unter ungeklärten Umständen in einer Dessauer Polizeidienststelle verbrannt. Bislang hieß es seitens der Ermittler stets, er habe sich vermutlich selbst angezündet. Doch intern gehe der leitende Oberstaatsanwalt Folker Bittmann mittlerweile davon aus, dass dies die unwahrscheinlichste Möglichkeit sei, berichtet das ARD-Magazin "Monitor".

Aus den Akten gehe hervor, dass die Mehrheit der Sachverständigen es für plausibler halte, dass der Brand in der Zelle des Mannes aus Sierra Leone gelegt wurde. Demnach deuteten der Zustand der Zelle und des Leichnams daraufhin, dass geringe Mengen von Brandbeschleuniger verwendet worden seien. Dass Jalloh das Feuer selbst entzündete, sei unwahrscheinlich, da er zum Brandzeitpunkt vermutlich handlungsunfähig oder bereits tot gewesen sei.

Möglicherweise Mord

Staatsanwalt Bittmann vermute, dass so eine andere Straftat an dem Asylbewerber vertuscht werden sollte. Er habe sogar einzelne Dessauer Polizeibeamte unter Verdacht - in einem Schreiben vom April dieses Jahres äußere er den Verdacht eines Tötungsdeliktes, möglicherweise sogar Mord, hieß es weiter.

Nach diesen neuen Erkenntnissen sei der Fall an den Generalbundesanwalt weitergegeben worden, der ihn aber zurück nach Sachsen-Anhalt gab. Dort habe dann aber nicht die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau, sondern die aus Halle übernommen. Die gab dann im Oktober bekannt, die Ermittlungen einstellen zu wollen. Das 2012 eingeleitete Todesermittlungsverfahren habe "keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Beteiligung Dritter an der Brandlegung ergeben", weshalb eine weitere Aufklärung nicht zu erwarten sei, so die Leitende Oberstaatsanwältin, Heike Geyer.

Die Entscheidung sei nach "sorgfältiger Prüfung" aller vorliegenden Erkenntnisse getroffen worden. Die Auswertung der zahlreichen Gutachten lasse nur den Schluss zu, dass der konkrete Ausbruch des Brands, dessen Verlauf und das Verhalten von Jalloh "nicht sicher nachgestellt und nicht eindeutig bewertet werden können". Auch der von zwei verschiedenen Sachverständigen geleitete Brandversuch vom August 2016 habe keine sicheren Erkenntnisse erbracht.

Opfer-Anwältin legt Beschwerde ein

Die Familie des Opfers will das laut ARD nicht hinnehmen. Ihre Anwältin habe Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens eingereicht. "Angesichts der neuen Erkenntnisse ist die drohende Einstellung des Verfahrens ein Skandal", wird die Anwältin der Familie Jalloh, Gabriele Heinecke, zitiert. Sie habe das Verhalten der Staatsanwaltschaft "vollständig unverständlich" genannt.

Am vergangenen Freitag verlangte die Linke-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt Akteneinsicht. Die schwarz-rot-grüne Koalition habe dies aber bislang verweigert. Die Linke fordert daher nun einen Sonderermittler nach dem Vorbild der NSU-Morde.

Jalloh war am 7. Januar 2005 verbrannt in einer Polizeizelle des Polizeireviers Dessau gefunden worden. Er hatte dort an Händen und Füßen gefesselt auf einer Matratze gelegen. Das Landgericht Magdeburg verurteilte den damaligen Dienstleiter 2012 wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe, weil er Jalloh besser hätte überwachen müssen. Der Bundesgerichtshof bestätigte 2014 das Urteil, in dem davon ausgegangen wurde, dass der Mann aus Sierra Leone die Matratze selbst angezündet hatte. Dies wird von einer Jalloh-Gedenkinitiative seit Langem bezweifelt.

Quelle: ntv.de, vpe

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