Vor Angriff auf Zeugen Jehovas Vater des Amok-Schützen bat Behörden um Hilfe
06.04.2023, 20:51 Uhr Artikel anhören
Die Anteilnahme nach der Tat des Amokschützen in Hamburg war riesig.
(Foto: picture alliance/dpa)
Hätte der Amoklauf von Philipp F. in einem Gemeindesaal der Zeugen Jehovas verhindert werden können? Nach der schrecklichen Tat, bei der sieben Menschen starben, mehrt sich Kritik an den Behörden. So hätten diese von psychischen Problemen des Täters gewusst - lange vor der Tat.
Der Vater des Hamburger Amok-Schützen Philipp F. hat sich bereits 2021 wegen psychischer Probleme seines Sohnes an die Behörden gewandt. Der Vater habe den Sozialpsychiatrischen Dienst angerufen und gesagt, dass sein Sohn Stimmen höre und sich umbringen wolle, sagte der Leiter des Hamburger Landeskriminalamts, Jan Hieber, vor dem Innenausschuss der Bürgerschaft. Nach einem Gespräch mit dem Sohn seien jedoch keine weiteren Maßnahmen für nötig befunden worden.
Bereits 2019 habe das Umfeld des späteren Täters eine Wesensänderung bei Philipp F. festgestellt, nachdem dieser seine Beziehung beendet und seinen Arbeitsplatz verloren habe, sagte Hieber. Er habe dann selbst Kontakte zu Ärzten aufgenommen, "um seine psychischen Probleme in den Griff zu bekommen", und sei zwischenzeitlich auch in Bayern in stationärer Behandlung gewesen. Als Philipp F. 2021 angekündigt habe, sich selbst heilen zu wollen, habe sich der Vater entschieden, die Behörden einzuschalten.
Es ist nicht der erste Hinweis auf mögliche Versäumnisse durch Behörden im Zusammenhang mit dem Amok-Schützen Philipp F. Der 35-Jährige hatte am 9. März bei einer Gemeindeversammlung der Zeugen Jehovas in Alsterdorf sieben Menschen - darunter ein ungeborenes Baby - und schließlich sich selbst getötet. Neun weitere Menschen wurden verletzt. Er nutzte dazu eine halbautomatische Pistole, für die er einen Waffenschein hatte.
Waffenerlaubnis trotz Pamphlet
Die Waffe wurde ihm nicht entzogen, obwohl ein anonymer Hinweisgeber die Behörden bereits zwei Monate vor der Tat auf die Gefährlichkeit von F. hingewiesen hatte. Als Beleg führte er ein Buch des späteren Täters an, in dem dieser wirre religiöse Thesen - auch im Zusammenhang mit dem Holocaust - äußerte. Nach einer Internet-Recherche sah die Polizei jedoch keinen Grund, F. die Waffenerlaubnis zu entziehen. Polizeipräsident Hans Martin Meyer sagte vor dem Innenausschuss, selbst wenn dieses Buch von der Waffenbehörde ausgewertet worden wäre, hätte die Tat wohl nicht verhindert werden können. Denn auch wenn man zu dem Schluss gekommen wäre, ein fachpsychologisches Gutachten anzufordern, hätte dem 35-Jährigen die Waffe nicht sofort entzogen werden können, so Meyer.
Die Überprüfung des Sportschützen Philipp F. habe dem Standard entsprochen, sagte Innensenator Andy Grote. "Mit dem Wissen von heute: Das hat nicht ausgereicht. (...) Deswegen müssen wir sicherstellen, dass in Zukunft mit derartigen Hinweisen noch umfassender umgegangen wird." Erneut forderte er eine Verschärfung des Waffengesetzes. "Es ist zu leicht für Menschen mit psychischen Erkrankungen, eine Waffe zu erlangen", sagte der Senator.
Quelle: ntv.de, spl/dpa