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Start im Frühjahr 2024 Venedig bittet Tagestouristen zur Kasse

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Andrang für einen Schnappschuss von der Seufzerbrücke.

Andrang für einen Schnappschuss von der Seufzerbrücke.

(Foto: picture alliance / dpa Themendienst)

Die Touristenmassen, die sich durch die Altstadt von Venedig wälzen, übertreffen nicht selten die Zahl der Einwohner. Nach heftigen Diskussionen in der geplagten Stadt kommt nun eine Gebühr für Kurzurlauber. Ab kommenden Frühling brauchen etwa Kreuzfahrtpassagiere einen QR-Code.

In Venedig müssen Kurzbesucher künftig an bestimmten Tagen Eintritt zahlen. Der Gemeinderat der italienischen Lagunenstadt beschloss am Abend, eine Gebühr von fünf Euro von Touristen zu erheben, die nur für ein paar Stunden bleiben und nicht übernachten. Die Regelung soll im Frühjahr starten. 2024 soll sie zunächst an 30 Tagen gelten, an denen erfahrungsgemäß besonders viele Besucher kommen. Später soll sie ausgeweitet werden. Die genauen Termine sind noch offen.

Im Kern hat Venedig - eines der bekanntesten Touristenziele der Welt - inzwischen nicht einmal mehr 50.000 ständige Einwohner. In der Hauptsaison sind an manchen Tagen mehr als doppelt so viele Touristen zu Gast. Der Strom an Besuchern bereitet seit vielen Jahren große Probleme. Insbesondere Kreuzfahrt-Touristen stehen in der Kritik. Deshalb gibt es schon seit längerer Zeit Überlegungen, Eintritt zu verlangen.

Strafen zwischen 50 und 300 Euro

Die Pläne sind allerdings auch bei den Einwohnern umstritten. Die Entscheidung wurde mehrfach verschoben. Geplant ist nun, dass sich Tagesbesucher übers Internet einen QR-Code besorgen und aufs Handy laden sollen, der bei Kontrollen vorgezeigt werden muss. Andernfalls drohen Strafen zwischen 50 und 300 Euro. Die Einnahmen - geschätzt: bis zu sechs Millionen Euro - sollen dafür genutzt werden, Venedig ohne weitere Schäden zu erhalten.

Bürgermeister Luigi Brugnaro treibt die Pläne schon länger voran. Sie wurden mehrfach verschoben und auch verwässert, bis in die wer-weiß-wievielte Variante. Zwischenzeitlich war sogar von bis zu zehn Euro die Rede, das ganze Jahr über. "Ich rufe alle zur Zusammenarbeit auf - damit Venedig gerettet und die älteste Stadt der Zukunft werden kann", mahnt der Mitte-Rechts-Politiker. Ziel sei ein "Gleichgewicht der Interessen" zwischen Einwohnern und Touristen.

Geschäftsleute sprechen von "Schikane"

Viele Experten sind skeptisch, dass die Gebühr etwas bringt. Warum sollten sich Besucher von fünf Euro abschrecken lassen - in einer Stadt, die ihnen ohnehin viel abverlangt? Der offizielle Tarif für eine halbe Stunde Gondelfahrt am Abend liegt inzwischen bei 100 Euro. Im "Caffè Florian" am Markusplatz kostet der Cappuccino 11,50 Euro, der Bellini-Cocktail in "Harry's Bar" das Doppelte. Deren Besitzer Arrigo Cipriani nennt die Gebühr schlicht "Schikane", womit er die Meinung vieler Geschäftsleute trifft.

Mehrere Bürgerinitiativen hingegen zweifeln, dass ihre Kommune die Pläne tatsächlich ernst meint. Die Zeitung "Corriere della Sera" hat ausgerechnet, dass die erwarteten Einnahmen gerade ausreichen, um die nötige Infrastruktur und die Kontrollen zu finanzieren. Viele mutmaßen deshalb, dass der Beschluss - und insbesondere der Termin ausgerechnet jetzt - damit zusammenhängt, dass die UNESCO derzeit berät, ob Venedig auf die Rote Liste des "bedrohten Weltkulturerbes" gesetzt wird.

Im Juli hatten Experten der UN-Kulturorganisation die Listung empfohlen, weil Stadt und Lagune irreversiblen Veränderungen durch Massentourismus und Klimawandel ausgesetzt seien. Das brächte Venedig dann in eine Liga mit Kriegsgebieten wie Damaskus, Sanaa oder seit Kurzem auch Odessa - was die um ihren Ruf besorgte Kommune natürlich unbedingt verhindern will. Die internationalen Schlagzeilen kommen Bürgermeister Brugnaro also ganz recht. Die UNESCO will in den nächsten Tagen entscheiden.

Quelle: ntv.de, mau/dpa

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