Panorama

Corona in den letzten Zügen? Wo die Pandemie vorbei scheint - und wo nicht

Strand in Südafrika: Die Zahl der Neuinfektionen in dem Land bewegt sich zuletzt auf extrem niedrigem Niveau.

Strand in Südafrika: Die Zahl der Neuinfektionen in dem Land bewegt sich zuletzt auf extrem niedrigem Niveau.

(Foto: REUTERS)

Das dritte Corona-Jahr geht in den Herbst. Doch wann ist die Pandemie eigentlich vorbei? In den USA verkündete Präsident Biden bereits ihr Ende - trotz steigender Todesfallzahlen. In anderen Regionen der Erde gibt es aber tatsächlich Hinweise, dass der letzte Akt begonnen haben könnte.

In den USA ist die Coronavirus-Pandemie zu Ende - jedenfalls, wenn man US-Präsident Joe Biden glauben mag. "Die Pandemie ist vorbei", verkündete er vor einigen Tagen in einem Fernsehinterview. Das mag für Außenstehende eine überraschende Feststellung sein, da in den USA noch Zehntausende neuer Fälle pro Tag gemeldet werden. Und laut der US-Gesundheitsbehörde CDC sterben dort weiterhin fast 400 Menschen pro Tag an Covid-19.

Es gibt laut dem Medizinhistoriker Jörg Vögele zwei mögliche Enden einer Pandemie: Ein epidemiologisches, wenn ein Erreger kein Problem mehr für die Gesundheitssysteme darstellt. Oder ein soziales, wenn die Menschen einfach nichts mehr davon wissen wollen. Letzteres scheint in der westlichen Welt derzeit am ehesten der Fall zu sein. Zu sehr dominiert der Krieg in der Ukraine die Nachrichten. Von Covid-19 wird nur noch selten berichtet. Auch auf der jüngsten UN-Generalversammlung in New York spielte die Pandemie - anders als im Vorjahr - nur noch eine Nebenrolle. Aber ist auch das epidemiologische Ende bereits nahe?

WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus: "Wir sind noch nie in einer besseren Position gewesen, die Pandemie zu beenden."

WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus: "Wir sind noch nie in einer besseren Position gewesen, die Pandemie zu beenden."

(Foto: imago images/SNA)

Weltweit ist Corona auf dem Rückzug, jedenfalls laut dem jüngsten Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO. In allen Regionen der Erde sinkt die Zahl der gemeldeten Fälle oder stagniert zumindest. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus zeigte sich vor wenigen Tagen zuversichtlich: "Wir sind noch nie in einer besseren Position gewesen, die Pandemie zu beenden", sagte er.

Hohe Fallzahlen in Ostasien

Dabei gibt es je nach Weltregion immer gewaltige Unterschiede. So wurden in der Woche vom 12. bis 18. September in Europa immer noch mehr als eine Million neuer Fälle erfasst. In Ostasien waren es mehr als 1,4 Millionen. Besonders Japan schlug mit mehr als 600.000 Neuinfektionen massiv zu Buche. Auch Südkorea, das lange als Vorzeigeland im Umgang mit der Pandemie galt, verzeichnete in der genannten Woche fast 400.000 Fälle. Hört sich noch viel an, der Trend ist aber ebenfalls rückläufig.

In Afrika hingegen scheint Corona kein Thema mehr zu sein. Der Kontinent mit mehr als einer Milliarde Einwohner meldete in derselben Woche nicht einmal 7000 Neuinfektionen - in etwa soviel, wie Österreich zuletzt pro Tag meldete. Gleichzeitig war das für Afrika ein Rückgang um mehr als ein Drittel im Vergleich zur Vorwoche. In Südafrika, das während der Pandemie durch mehrere Wellen gegangen war, wurden zuletzt nur ein paar Hundert neuer Fälle pro Tag gemeldet.

In Afrika wird allerdings strukturbedingt weniger getestet, Experten gehen daher von einer gewaltigen Dunkelziffer unerkannter Corona-Fälle aus. Was jedoch ein Hinweis auf ein tatsächliches Abebben der Pandemie auf dem Kontinent ist: Die Zahl der übermittelten Todesfälle in Zusammenhang mit Covid-19 ist laut WHO auf so niedrigem Niveau wie fast noch nie seit Beginn der Pandemie. Es wurden zuletzt in einer Woche knapp 40 Corona-Tote erfasst. Während der großen Wellen 2020 und 2021 waren es jeweils mehr als hundertmal so viele.

In den USA dominiert der Wunsch

In den USA hingegen scheint das Ende der Pandemie bisher eher sozialer Natur zu sein. Die Menschen seien "fertig mit der Pandemie", sagte US-Epidemiologe Michael Osterholm dem Online-Gesundheits-Magazin Stat. "Sie wollen das hinter sich lassen." Auch so ist seiner Ansicht nach die Aussage von Präsident Biden zu verstehen, dass die Pandemie "vorbei" sei. Epidemiologisch hingegen sei die Pandemie in den USA noch in vollem Gange: Die Zahl der Todesfälle nahm zuletzt wieder leicht zu, Covid-19 ist in den USA immer noch die vierthäufigste Todesursache.

Und in Deutschland? Die Inzidenz bleibt hierzulande weiter auf hohem Niveau. Allerdings ist die Zahl der Intensivpatienten nur noch halb so hoch wie zur selben Zeit im Vorjahr. Jeden Tag werden um die 100 Todesfälle gemeldet. Bisher starben in diesem Jahr bereits fast doppelt so viele Menschen an Covid-19 wie im gesamten Vorjahr. Entwarnung will das Robert-Koch-Institut auch noch keine geben: Trotz aktuell stabiler Fallzahlen bleibe der Infektionsdruck in der Allgemeinbevölkerung weiterhin in allen Altersgruppen hoch, heißt es im aktuellen RKI-Wochenbericht. Doch in der öffentlichen Debatte findet Covid derzeit ebenfalls nur am Rande statt.

Wann ist das Ende der Corona-Pandemie weltweit erreicht? Eine genauer Stichtag wird wohl schwierig zu bestimmen sein. Denn Experten gehen davon aus, dass Sars-CoV-2 nicht mehr verschwindet, sondern endemisch wird. Ab wann dieser Zeitpunkt genau eintritt - schwer zu sagen. Allerdings könnte die WHO irgendwann das Ende der Pandemie zumindest verkünden. Und zwar, indem sie die seit Januar 2020 geltende "Gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite" für beendet erklärt.

"Das Ende ist in Sicht"

"Wir sind noch nicht so weit, aber das Ende ist in Sicht", sagte WHO-Chef Tedros vor einigen Tagen. "Eine Marathonläuferin stoppt nicht, wenn die Ziellinie in Sicht ist. Sie rennt noch entschlossener, mit aller Energie, die sie noch in sich hat. Das müssen wir auch tun." Andernfalls drohten neue Virusvarianten, mehr Todesfälle und größere Unsicherheiten, so Tedros. Die WHO fordert daher alle Länder auf, weiterhin zu testen und vor allem zu impfen. Besonders die Älteren und das Gesundheitspersonal sollten zu 100 Prozent geimpft werden. Jedes Land sollte insgesamt anstreben, 70 Prozent seiner Bevölkerung geimpft zu haben.

Vielleicht ein Hoffnungszeichen: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, eigentlich einer der größten Warner und Pessimisten in Bezug auf Sars-CoV-2, äußerte sich zuletzt zuversichtlich auf Twitter: "Viele fragen sich: endet Corona denn nie? Wann kommt Endemie?" Nicht in diesem Herbst, schrieb Lauterbach - da gehe es nicht ohne wirksame Schutzmaßnahmen. Aber: "Langfristig werden Impfstoffe kommen, die gegen viele Varianten und Infektionen schützen. Ich gehe davon aus: Das ist das Ende."

(Dieser Artikel wurde am Freitag, 23. September 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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