Prozess gegen Susann E.Warum Beate Zschäpe in Dresden vor allem für sich selbst aussagt
Von Solveig Bach
Im Prozess gegen die mutmaßliche NSU-Unterstützerin Susann E. ist am Mittwoch eine prominente Zeugin geladen. Beate Zschäpe soll im Verfahren gegen die Frau aussagen, mit der sie früher eine enge Freundschaft verband. Es ist für Zschäpe eine Chance, ihre Abkehr vom Rechtsextremismus zu zeigen.
Im Januar ist Beate Zschäpe 50 Jahre alt geworden. Sieben Jahre sind seit ihrer Verurteilung im NSU-Prozess von München vergangen. Die einzige Überlebende des NSU-Kerntrios aus ihr, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, hat sich schon kurz nach dem Antritt ihrer lebenslangen Haftstrafe in ihre sächsische Heimat verlegen lassen. Sie verbüßt ihre Strafe nun in der Justizvollzugsanstalt Chemnitz.
Nun soll Zschäpe im Dresdner Prozess gegen Susann E. aussagen. Die Staatsanwaltschaft wirft E. vor, den "Nationalsozialistischen Untergrund" über Jahre bewusst unterstützt und damit Beihilfe zu den Straftaten der Terrorgruppe geleistet zu haben. E. soll spätestens seit 2007 von der Mordserie und den Raubüberfällen des NSU gewusst haben - entweder durch ihren Ehemann André E. oder durch Zschäpe selbst. Die Bundesanwaltschaft ist überzeugt, dass die beiden Frauen eine intensive Freundschaft verband.
Es ist ein Wiedertreffen unter umgekehrten Vorzeichen. Im NSU-Prozess in München war Susann E. als Zeugin geladen, hatte jedoch die Aussage verweigert. Da ihr Ehemann André zu den Angeklagten gehörte, hatte sie Zeugnisverweigerungsrecht. Das sieht für Zschäpe jetzt anders aus. Sie ist als Zeugin geladen, ist selbst verurteilt und hat Medienberichten zufolge nicht unerheblichen Anteil daran, dass die Anklage gegen E. überhaupt zustande kam.
Ringen um Glaubwürdigkeit
Zschäpes Anwalt Mathias Grasel geht davon aus, dass Zschäpe umfassend aussagt. "Sie hat beim Generalbundesanwalt ja auch schon Angaben gemacht in Richtung von Frau E. ", sagte Grasel ntv.de. "Daher wäre es inkonsequent oder unlogisch, wenn sie jetzt nicht aussagt. Zumal sie auch als Zeugin gesetzlich dazu verpflichtet ist, wahrheitsgemäße und vollständige Angaben zu machen."
Grasel zufolge würde Zschäpe die Aufmerksamkeit um ihre Person gern vermeiden, die mit der Aussage verbunden ist. Sie sehe aber darin zumindest eine gewisse Chance, ihre Abkehr vom Rechtsextremismus zu zeigen. "Egal was sie in den letzten zehn Jahren gesagt hat, sie konnte nie eine große Glaubwürdigkeit für sich beanspruchen. Es wurde immer überkritisch hinterfragt und immer ins Negative gezogen. Insofern kann das sicherlich jetzt dazu führen, dass man sagt: Sie meint es wohl doch ernst."
Es ist ruhig um Zschäpe geworden, seit 14 Jahren sitzt sie in Haft. Das Oberlandesgericht München stellte bei ihrer Verurteilung als Mittäterin an der NSU-Mordserie zusätzlich zur lebenslangen Haft die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren so gut wie ausgeschlossen. Im kommenden Jahr kann Zschäpe trotzdem das erste Mal einen Antrag auf vorzeitige Entlassung stellen. Im Sommer wurde sie in ein Aussteigerprogramm für Neonazis aufgenommen. Als das bekannt wurde, gab es deutlichen Widerspruch. Die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer und Hinterbliebenen des NSU, Barbara John, nannte Zschäpes Aussteigewillen "unglaubwürdig". Angehörige der Opfer verwiesen darauf, dass Zschäpe während der fünf Jahre des NSU-Verfahrens niemals Mitgefühl für die Ermordeten oder ihre Hinterbliebenen gezeigt hat.
Chance auf Resozialisierung?
Grasel, der seine Mandantin mindestens zweimal im Jahr sieht und gelegentlich mit ihr telefoniert, kritisiert diese Reaktion. Resozialisierung stehe nun mal im Gesetz. "Wenn jemand über 30 Stunden mit dem Bundeskriminalamt redet, sich beim Aussteigerprogramm anmeldet, mit dem Untersuchungsausschuss spricht, dann muss man das an irgendeiner Stelle auch mal positiv zur Kenntnis nehmen und wertschätzen." Allein Zschäpe in das Aussteigerprogramm zu bringen, sei jahrelange Arbeit gewesen. "Die haben sich alle nicht um sie gerissen. Aber es ist dann gelungen."
Seine Mandantin habe im Strafvollzug nie Disziplinarverfahren oder dergleichen bekommen. "Sie ist da völlig unauffällig und eine umgängliche Gefangene." Der JVA zufolge gibt es auch seit Jahren keine "Fanpost" mehr aus dem rechtsextremen Milieu. Ende 2026 wird das Oberlandesgericht München Zschäpe ihre sogenannte Mindestverbüßungsdauer mitteilen. Das sind 15 plus x Jahre. Vielleicht wird am Ende die Gesamthaftdauer bei 19 Jahren liegen, vielleicht aber auch bei 21 oder mehr. Wie auch immer die Zahl ausfällt, Zschäpe könnte dann anfangen, über eine Zukunft in Freiheit nachzudenken.
In Dresden wird sie jedoch erst einmal erneut in ihre Zeit beim NSU eintauchen müssen und nach Vorgängen und Geschehnissen gefragt werden, die Jahrzehnte zurückliegen. Ob und wie gut sie sich erinnern kann, auch, ob sie ihre frühere Freundin Susann E. belastet, wird man sehen. Vor allem aber sagt Zschäpe für sich selbst aus.