Panorama

Schwachstelle im Testsystem Wenn 2G-plus-Partys zum Infektionstreiber werden

Hoch die Gläser und hoch mit den Infektionszahlen.

Hoch die Gläser und hoch mit den Infektionszahlen.

(Foto: imago images/Westend61)

In den letzten Wochen kommt es immer häufiger zu kleinen Superspreader-Events im privaten Rahmen. Dabei haben bei den Feierlichkeiten alle Gäste den 2G-Status und sind frisch getestet. Der Zusatz "plus" vermittelt eine Sicherheit, die selbst bei Geimpften mit Schnelltests nicht gegeben ist.

Wer ins Restaurant, ins Theater oder aufs Konzert möchte, der muss geimpft oder genesen sein. Der 2G-Status ist mittlerweile die Grundvoraussetzung für die Teilnahme am öffentlichen Leben. Mit 2G plus soll ein zusätzlicher Test für noch mehr Sicherheit sorgen und das Virus keine Chance haben, sich unter Besuchern oder Teilnehmern auszubreiten. Wer auf Nummer sicher gehen will, der testet sich auch vor privaten Treffen oder Partys. Doch mehrere Beispiele aus den vergangenen Wochen zeigen, dass sich geimpfte Menschen trotz negativer Tests auf diesen Kleinevents zwischen Küche und Wohnzimmer anstecken und das Virus unbemerkt weitertragen. Das selbst auferlegte "plus" im 2G-Zusatz ist auch für Virologen eher eine Schwachstelle im Testsystem.

In Berlin wird im Spätherbst eine Geburtstagsfeier so zum Superspreader-Event. Alle Besucher der extra für die Feier angemieteten Bar im Bezirk Neukölln waren geimpft oder genesen, die Gruppe verständigte sich im Vorfeld sogar auf 2G plus und jeder führte einen Schnelltest durch. Drinnen gelten somit weder Masken- noch Abstandspflicht. Von 35 Gästen infizieren sich letztlich 21 mit Corona.

Nach dem gleichen Prinzip feiert eine Gruppe in München einen 30. Geburtstag. In diesem Fall in einer Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung mit 20 Personen. Alle sind geimpft, auch hier werden Tests vereinbart, ganz nach dem Motto: "Tut ja nicht allzu sehr weh." Die negativen Testergebnisse ließ sich das Portal "t-online" als Beweis sogar zuschicken. Wenige Tage nach der Feier sind zehn der Besucher positiv, der Großteil ohne Symptome oder Anzeichen eines Erkältungsverlaufs. Nur bei einer Person artete die Infektion in schwerem Fieber aus, ein PCR-Test sorgte dann für Gewissheit und gleichzeitig für Unruhe bei den Partygästen, die das Virus schon mehrere Tage unbemerkt mit sich trugen.

Testung wird vierte Welle nicht brechen

Für den Berliner Virologe Christian Drosten sind solche Partys ein Hinweis darauf, dass 2G-plus-Regelungen im privaten und öffentlichen Bereich nur bedingt sinnvoll sind. "Eine blinde Testung bei gesunden Geimpften ist nicht nur logistisch schwierig, sondern möglicherweise auch in ihrer Aussagekraft eingeschränkt", sagte er dem "Spiegel". "Bei Geimpften ist der Einsatz von Tests dann ratsam, wenn Symptome vorliegen."

Es sehe so aus, als ob Infektionen bei Geimpften gerade in den ersten Tagen der Infektion nicht so gut durch einen Antigen-Schnelltest nachzuweisen sind. "Das ist aber allein eine erste Einschätzung." Die aktuelle Corona-Welle durch Tests zu durchbrechen, ist aus Sicht des Virologen nicht mehr realistisch.

Nicht realistisch zum einen und zum anderen praktisch gar nicht umsetzbar ist eine Ausweitung des zuverlässigerem PCR-Testsystems. In Deutschland gibt es laut Verband der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) eine Kapazität von etwa 2,2 Millionen PCR-Tests pro Woche. Aktuell habe man noch einen Spielraum von etwa 300.000 bis zur kompletten Auslastung, sagte ALM-Chef Michael Müller dem Portal "Business Insider". In Bayern oder Baden-Württemberg arbeiteten die Labore bereits über die Belastungsgrenze hinaus.

Es hilft nur noch Kontaktreduzierung

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Der Aufwand zur Infektionskontrolle muss sich laut Drosten stattdessen nun darauf konzentrieren, neue Infektionen bei Ungeimpften zu vermeiden. "Eine neue Modellierungsstudie zeigt, dass selbst bei niedrigerer Impfquote die Übertragung ganz überwiegend von Ungeimpften ausgeht." Auf Twitter hatte sich Drosten bereits gegen 3G-Regelungen ausgesprochen. Stattdessen gelte es, Impflücken zu schließen, zu boostern und bis dahin die Kontakte zu reduzieren.

Und bis die Lücken geschlossen und die Geimpften geboostert sind, hilft eigentlich nur noch die Kontaktreduzierung. Dafür werben Politiker, Wissenschaftler und Experten zurzeit vehement. "Wir brauchen eine massive Reduktion der Kontakte - jetzt sofort", sagte RKI-Chef Lothar Wieler. "Wir stehen an einer Kreuzung, wir haben eine Wahl. Wir können den Weg wählen, der ins Chaos führt und zu einem schlechten Ende. Oder den, der das Gesundheitssystem entlastet und vielleicht ein friedliches Weihnachtsfest ermöglicht und auch noch viel mehr Menschen am Weihnachtstisch sitzen lässt."

Quelle: ntv.de

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