Panorama

Massive Kontaktreduktion nötig Spahn: "Lage so ernst wie noch nie in der Pandemie"

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Die Corona-Lage ist alarmierend. Das machen Gesundheitsminister Spahn und RKI-Chef Wieler unmissverständlich deutlich. Impfen und das Verlegen von Patienten könnten die Welle nicht mehr brechen. Die einzige Möglichkeit, die Situation unter Kontrolle zu bringen, sei eine strikte Kontaktbeschränkung.

Der amtierende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und der Präsident des Robert-Koch-Institut (RKI), Lothar Wieler, haben eindringlich an die künftige Bundesregierung appelliert, schnell zusätzliche Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie vorzunehmen. "Die Lage ist dramatisch ernst, so ernst wie noch zu keinem Zeitpunkt in dieser Pandemie", sagt Spahn. Vor zwei Wochen habe er noch gesagt, es sei fünf nach zwölf, vor einer Woche sei es zehn nach zwölf gewesen. "Es ist mittlerweile halb eins, aber der Weckruf ist noch nicht überall angekommen."

Der CDU-Politiker verweist auf Rekordinfektionszahlen und eine Inzidenz von fast 440. "Erstmals müssen auch Intensivpatienten verlegt werden", sagt Spahn. Zu viele in zukünftiger Verantwortung "denken, das wird schon irgendwie werden", kritisiert er weiter. Die Pflegekräfte haben jedoch keine Zeit mehr. Operationen zu verschieben und Patienten zu verlegen, sei nur eine Symptombekämpfung, so der Politiker. Je länger man mit weiteren Maßnahmen und Kontaktbeschränkungen warte, desto drastischer würden die Maßnahmen werden. Er selbst könne Kontaktbeschränkungen nur empfehlen, aber nicht anordnen.

Spahn skizziert die sichere Ausbreitung der Welle "gen Westen und Norden". Dabei sei lediglich noch offen, "wie stark die Belastung des Gesundheitswesens regional wird". Die einzige Möglichkeit, die Welle "jetzt" zu brechen, sei eine strikte Kontaktreduktion, so der Politiker. "Es nützt alles nichts. Die Zahlen der Kontakte müssen runter." Es brauche konsequentes 2G plus und mindestens das Absagen von Veranstaltungen und Feiern. Die nächste Ministerpräsidentenkonferenz müsse schneller stattfinden. Der Übergang von der bisherigen zur neuen Regierung dürfe nicht zu Verzögerungen bei der Corona-Bekämpfung führen. Nun müssten alle Verantwortlichen zusammenstehen.

"Was muss denn noch geschehen?"

Das öffentliche Leben in Deutschland sollte "weitestgehend zurückgefahren" werden, fordert Spahn. Krankenhäuser wie die Charité seien voll mit Corona-Patienten, aber gleichzeitig fänden Weihnachtsmärkte statt. "Das passt einfach gerade nicht in die Zeit", fügt der CDU-Politiker hinzu.

Eine "massive Kontaktreduzierung" fordert auch RKI-Präsident Wieler. "Ich erwarte jetzt von den Entscheidern, dass sie alle Maßnahmen einleiten, um gemeinsam die Fallzahlen herunterzubringen", sagte Wieler. "Wie viele Menschen müssen denn noch sterben?", fragte Wieler. "Der kommende Winter hängt von unserem Verhalten ab und von der Entscheidung der Verantwortungsträger, kontaktreduzierende Maßnahmen zu erlassen." Wieler sagte: "Wir stehen an einer Kreuzung, wir haben eine Wahl. Wir können den Weg wählen, der ins Chaos führt und zu einem schlechten Ende." Der Tanker fahre dann gegen die Kaimauer. "Oder den, der das Gesundheitssystem entlastet und vielleicht ein friedliches Weihnachtsfest ermöglicht und auch noch viel mehr Menschen am Weihnachtstisch sitzen lässt."

Angesichts von mehr als 100.000 Toten insgesamt und derzeit täglich mehr als 70.000 Neuinfektionen fragte Wieler: "Was muss denn noch geschehen, damit wir davon überzeugt sind, dass wir alle verfügbaren Maßnahmen einleiten müssen, um diese vierte Welle zu brechen?" Derzeit würden die noch freien Intensivbetten in den Kliniken dadurch erkauft, dass planbare Operationen verschoben oder ausgesetzt werden. "Wenn die Infektionen nicht endlich massiv gebremst werden, dann wird die Versorgung in ganz Deutschland massiv eingeschränkt sein."

"Sehr große Sorge" wegen Virusvariante aus Südafrika

Der RKI-Präsident äußert sich zudem beunruhigt wegen der in Südafrika aufgetretenen neuen Virusvariante. "Wir sind tatsächlich in sehr großer Sorge", so Wieler. Bislang sei nach seiner Kenntnis aber noch kein Fall in Deutschland oder Europa festgestellt worden. Er ergänzt, die Gefährlichkeit könne noch nicht eingeschätzt werden.

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Spahn bittet Reisende aus Südafrika, sich mit einem PCR-Test testen zu lassen. Da die Einschätzung als Virusvariantengebiet mit der Quarantäne-Auflage erst ab heute Nacht greife, appelliere er an Personen, die heute oder vor einigen Tagen aus Südafrika angekommen seien, sich freiwillig testen zu lassen.

Eine positive Nachricht sei, dass die Impfkampagne anziehe, sagt Spahn. Nach Angaben von Gesundheitsminister Jens Spahn stehen mit den Auslieferungen diese und kommende Woche 18 Millionen Corona-Impfdosen für Impfungen zur Verfügung. Jede fünfte Person über 60 Jahre habe mittlerweile eine Auffrischungsimpfung, fast zehn Prozent der Gesamtbevölkerung, sagt er. Dies sei in einer sehr schwierigen Corona-Lage ein positives Zeichen.

Quelle: ntv.de, spl/rts

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