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"Momentan außer Lebensgefahr" Wie konnte der Landwirt in den Mähdrescher geraten?

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Mecklenburg-Vorpommern, Hohen Luckow: Ein junger Mann verlor am vergangenen Wochenende bei einem Arbeitsunfall mit der Erntemaschine beide Beine.

Mecklenburg-Vorpommern, Hohen Luckow: Ein junger Mann verlor am vergangenen Wochenende bei einem Arbeitsunfall mit der Erntemaschine beide Beine.

(Foto: dpa)

Ein junger Landwirt gerät bei der Arbeit auf einem Getreidefeld in seinen Mähdrescher - er wollte eine Verstopfung lösen. Noch auf dem Acker wurden dem Mann beide Beine abgenommen, um ihn aus dem Gerät zu befreien und sein Leben zu retten. Seine Lage sei stabil, heißt es, doch nun beginnt die Ursachenforschung.

Wenige Tage nach einer spektakulären Rettungs-OP auf freiem Feld, bei der einem Landwirt beide Beine amputiert wurden, liegt der Patient - vorerst - in stabilem Zustand auf der Intensivstation. Die "Bild"-Zeitung zitiert den Chirurgen Clemens Schafmayer mit den Worten: "Momentan ist er außer Lebensgefahr." Schafmeyer ist positiv erstaunt: "Der Patient hatte vor zwei Tagen am Samstagabend eigentlich kein Blut mehr und wenig Kreislauf, und jetzt hat er sich bei uns allen bei der Visite bedankt", so der Chirurg. Und er macht Mut: Vielleicht könne der Patient "Prothesen bekommen, das sieht nicht ganz schlecht aus."

Der Landwirt war am Samstag bei der Ernte mit beiden Beinen in die Maschine geraten, als er eine Verstopfung mit Getreide beseitigen wollte. Beim Versuch, die Blockade zu entfernen, war der 25-Jährige aus noch unbekannten Gründen mit beiden Beinen in zwei gegenläufig drehende Förderschnecken geraten. Ein herbeigerufenes OP-Team der Uniklinik Rostock amputierte dem Mann beide Beine, um ihn zu befreien. Chirurg Schafmayer ist stolz auf sein Team, den Notarzt, die Feuerwehr und die Polizei vor Ort: "Alle haben alles richtig gemacht und ihren Beitrag geleistet, dass wir ein Leben retten konnten."

Landwirt Scheffler kennt die gefährliche Situation, wenn die Förderschnecken festklemmen.

Landwirt Scheffler kennt die gefährliche Situation, wenn die Förderschnecken festklemmen.

(Foto: RTL)

Doch wieso konnte der verheerende Unfall überhaupt passieren? Es hätte so weit nach Ansicht von Landwirt Karsten Scheffler niemals kommen dürfen, erklärt er im Gespräch mit RTL. Wenn so etwas passiere, dann müsse "eine Blockade zwar schon mal von Hand gelöst" werden, aber er sagt auch deutlich, dass die Entscheidung des jungen Landwirts einfach fatal war, weil er sich die Blockade am Korntank des Mähdreschers offenbar bei laufendem Motor vornahm.

Landwirt Scheffler sieht das so: "Der Kollege wollte offensichtlich die Verstopfung beseitigen und das bei laufender Maschine, was eigentlich nicht sein darf." Auch bei ihm sei es erst vor Kurzem fast zu einer Blockade gekommen. "Gott sei Dank haben das meine Sicherheitsvorrichtungen verhindert." Doch manchmal komme es eben auch anders, so der Landwirt, dann nütze alles nichts und man müsse von Hand ran: Ob durch feuchtes Erntegut, Unkraut oder Stroh - es gibt verschiedene Gründe, wie sich bei der Ernte mit dem Mähdrescher eine Blockade in der Maschine bilden kann.

Maschine aus, Zündschlüssel abziehen

"Eigentlich kann so ein Unfall nicht passieren", sagt Landwirt Scheffler. Es gebe klare Regeln, die bei der Arbeit mit der Maschine zu beachten seien. Überall auf dem Mähdrescher sind gelbe Warnschilder angebracht. Bei einer Einweisung werde genau erklärt, was bei Problemen zu tun sei: die Maschine ausmachen, Zündschlüssel abziehen. Erst dann könne man sicher in den Korntank einsteigen, um eine Blockade zu lösen. Übersehen, dass die Maschine noch laufe - das sei quasi unmöglich. Und doch ist es passiert, obwohl das Warnsignal des Mähdreschers ohrenbetäubend ist, wie Karsten Scheffler einem Team von RTL vor Ort beweist, als er sich aus dem Fahrersitz erhebt und aus seiner Fahrerkabine steigt. Den Schlüssel hat er in der Zündung gelassen, um den Sicherheitsmechanismus zu präsentieren.

Wenn der Fahrer vom Sitz aufstehe, erklärt der Landwirt, würden sich sämtliche Maschinenbereiche abschalten. "Das Warnsignal ertönt, das Licht blinkt und so lange sich Teile noch drehen, wird das Warnsignal abgegeben." So seien heute alle Maschinen für einen sicheren Einsatz ausgerüstet.

"Wir lassen ihn nicht allein"

Im Fall des jungen Landwirts soll es diesen Warnton aber nicht gegeben haben - denn während er an der Maschine arbeitete, saß eine Kollegin im Fahrerhaus des Mähdreschers. Die Sicherheitsmechanismen waren dadurch ausgehebelt. "Es passiert immer etwas, wenn man mit Maschinen arbeitet", so der erfahrene Scheffler, Fehler würden oft von den Fahrern der Maschine selbst ausgehen. Die Polizei Güstrow ergänzt, dass das Unfallopfer leitender Angestellter in dem Agrarbetrieb vor Ort war und zuvor auch mehrere Jahre bereits als Erntehelfer tätig war. Aufgrund seiner Ausbildung galt er fachlich als sehr versiert.

Wie die "Ostsee Zeitung" schreibt, studiere der junge Mann, "der in den Ferien in der Heimat auf dem Agrarbetrieb arbeitet", in Kiel. Der Geschäftsführer des Guts, Joachim Walther, äußert sich im Gespräch mit der regionalen Tageszeitung: "Wir lassen den Jungen nicht allein. Mit 25 kann das Leben nicht zu Ende sein. Unser Antrieb von allen hier auf dem Gut, seiner Freundin und seiner Familie ist, dass wir alles dafür tun werden, dass er wieder eine Lebensperspektive hat!"

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In Luckow ermittelt nun die Polizei, wie es zu dem Unfall kommen konnte: "Im Rahmen der Erntearbeiten ist den Mitarbeitern aufgefallen, dass der Tank dieses Gerätes nicht sauber abgepumpt hat in Richtung des Lkws", so Florian Müller von der Polizei in Güstrow. Das heißt: Der 25-Jährige arbeitete nicht allein mit dem Mähdrescher. Die Polizei bestätigt überdies, dass eine Mitarbeiterin noch im Fahrerhaus des Mähdreschers gesessen habe: "Um den Sicherheitsorganismus derart zu überbrücken, dass die Maschine weiterhin läuft", so Müller weiter. Zusammen mit einem anderen Mitarbeiter habe der Verunglückte dann versucht, die Blockade zu lösen. "Es ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig unklar, weshalb er abgerutscht ist, da der andere Mitarbeiter zu der Zeit ein Telefongespräch angenommen hatte und nicht gesehen hat, was unmittelbar passiert ist, als der Mann dort abgestürzt ist", erklärt der Polizist aus Güstrow.

Die Polizei ermittle nun wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung. Zunächst richteten sich die Ermittlungen gegen keinen bestimmten Beschuldigten, sagte ein Polizeisprecher. Es gelte zu ermitteln, inwiefern tatsächlich ein strafbares Verhalten vorgeworfen werden könne oder ob es sich um einen Unglücksfall ohne strafrechtliche Konsequenzen handele.

Quelle: ntv.de, soe/dpa

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